Urteil des AG Bochum vom 24.03.2005

AG Bochum: getrennt leben, unterhalt, rechtskraft, jugendamt, meinung, nettoeinkommen, zukunft, anstellung, vollstreckung, stufenklage

Amtsgericht Bochum, 57 F 8/05
Datum:
24.03.2005
Gericht:
Amtsgericht Bochum
Spruchkörper:
57. Abteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
57 F 8/05
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für das Kind G, geboren am
###### folgen-de Unterhaltsbeträge zu zahlen:
Für den Zeitraum von Mai 2003 bis einschließlich Februar 2005 einen
Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.665,00 EUR und für die Zeit ab
01.03.2004,
bis zur Rechtskraft des Verfahrens monatlich im voraus zum jeweils
ersten Tag des Mo-nats 77,00 EUR; sowie ab Rechtskraft des Urteils bis
zum 31.07.2009 zum jeweils ersten Tag des laufenden Monats Unterhalt
in Höhe von 100 % des Regelbetrages der Regelbetragsverordnung
West der 2. Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein
erstes Kind, wobei die Anrechnung nur insoweit stattfindet, als der
Unterhaltsbetrag 135,00 % des Regelbetrages abzüglich des hälftigen
Kindergeldes überschreitet und ab 01.08.2009 zum jeweils ersten Tag
des laufenden Monats Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages
der Regelbetragsverordnung West der 3. Altersstufe abzüglich der Hälfte
des Kindergeldes für ein erstes Kind, wobei die Anrechnung nur
insoweit stattfin-det, als der Unterhaltsbetrag 135 % des Regelbetrages
abzüglich des hälftigen Kinder-geldes überschreitet.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
der jeweils bei-zutreibenden Beträge abwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin begehrt in Prozessstandschaft im Wege der Stufenklage die Zahlung von
Kindesunterhalt für das am 04.08.1997 geborene gemeinsame Kind der Parteien. Die
Parteien sind seit 22.04.1992 verheiratet und leben seit Februar 2002 getrennt. Das
Kind lebt im Haushalt der Mutter, die das Kindergeld bezieht und Leistungen der
Unterhaltsvorschusskasse. Im einfachen Festsetzungsverfahren hat die
Unterhaltsvorschusskasse ab 01.06.2002 gegen den Beklagten einen Titel erwirkt in
Höhe von 100 % der Regelbeträge abzüglich anteiligen hälftigen Kindergeldes. Bis
einschließlich März 2005 zahlt die Unterhaltsvorschusskasse diesen titulierten Betrag
an die Klägerin.
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Der Beklagte ist gelernter Polsterer und befand sich 1994 bis 2000 in einem abhängigen
Arbeitsverhältnis. Im Jahr 2000 machte er sich selbständig. Seit dem erzielt er ein
Nettoeinkommen aus seiner Tätigkeit unterhalb des Selbstbehaltes der Hammer
Leitlinien.
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Die Klägerin ist der Meinung, dass der Beklagte, wenn er sich um eine abhängige
Anstellung beworben hätte und seine Selbständigkeit aufgegeben hätte, in der Lage
wäre, ihr den Mindestunterhalt für das gemeinsame Kind zu zahlen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für das Kind G, geboren am #####
folgende Unterhaltsbeträge zu zahlen:
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Für den Zeitraum von Mai 2003 bis einschließlich Februar 2005 einen
Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.665,00 EUR und für die Zeit ab 01.03.2004 bis zur
Rechtskraft des Verfahrens monatlich im voraus zum jeweils ersten Tag des Monats
77,00 EUR, sowie ab Rechtskraft des Urteils bis zum 31.07.2009 zum jeweils ersten
Tag des laufenden Monats Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages der
Regelbetragsverordnung West der 2. Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes
für ein erstes Kind, wobei die Anrechnung nur insoweit stattfindet, als der
Unterhaltsbetrag 135,00 % des Regelbetrages abzüglich des hälftigen Kindergeldes
überschreitet und ab
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01.08.2009 zum jeweils ersten Tag des laufenden Monats Unterhalt in Höhe von 100 %
des Regelbetrages der Regelbetragsverordnung West der 3. Altersstufe abzüglich der
Hälfte des Kindergeldes für ein erstes Kind, wobei die Anrechnung nur insoweit
stattfindet, als der Unterhaltsbetrag 135 % des Regelbetrages abzüglich des hälftigen
Kindergeldes überschreitet.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er ist der Meinung, dass er nicht verpflichtet ist, zur Leistung von Kindesunterhalt seine
selbständige Tätigkeit aufzugeben. Außerdem ging es der Branche so schlecht, dass es
ihm kaum möglich wäre, eine abhängige Beschäftigung als Polsterer zu finden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und der zu
den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet.
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Gemäß §1629 Abs. 3 BGB ist die Klägerin berechtigt im eigenen Namen die
Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den Beklagten geltend zu machen, da die
Parteien noch verheiratet sind und getrennt leben. Sie ist auch selber aktivlegitimiert die
begehrten Zahlungen vom Beklagten zu fordern, da die Unterhaltsvorschusskasse die
Ansprüche nur insoweit übergegangen sind, als die Unterhaltsvorschusskasse an die
Klägerin Zahlungen für das Kind geleistet hat. Der Geltendmachung des vollen
Unterhaltes für die Zukunft steht auch nicht der bereits titulierte Unterhalt zwischen dem
Beklagten und der Unterhaltsvorschusskasse durch den Titel im einfachen
Festsetzungsverfahren entgegen. Denn dieser Titel hat nur
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Rechtskraft zwischen dem Beklagten und der Unterhaltsvorschusskasse. Für die
Zukunft hat sich die Klägerin diese Ansprüche des Kindes nicht begeben. Sollte doppelt
vollstreckt werden, muss sich der Beklagte mit der Vollstreckungsgegenklage gegen
den dann im nachhinein geltend gemachten doppelten Unterhalt wehren.
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Gemäß §§ 1601, 1602, 1603 BGB ist der Beklagte verpflichtet für sein Kind Unterhalt zu
zahlen, da das Kind minderjährig ist und auf seine Zahlungen angewiesen. Der
Beklagte kann sich demgegenüber nicht auf seine Leistungsunfähigkeit berufen. Denn
gemäß § 1603 Abs. 2 BGB ist er verpflichtet, alles ihm mögliche zu unternehmen, um
den Barunterhaltsanspruch seines Kindes erfüllen zu können. Dieser obligatorischen
Leistungsverpflichtung ist der Beklagte schuldhaft nicht nachgekommen, so dass er so
zu behandeln ist, als ob er dieses Einkommen erzielen würde. Denn der Beklagte hätte
seine selbständige Tätigkeit aufgeben müssen und sich um ein abhängiges
Arbeitsverhältnis bemühen müssen. Denn bereits seit dem Jahre 2000, wo er sich
selbständig machte, konnte er kein Einkommen erzielen, was es ihm erlaubt, die
Unterhaltsansprüche seines Kindes abzusichern. Er hätte daher spätestens im Jahre
2002 nach Trennung der Parteien seine selbständige Tätigkeit aufgeben müssen und
sich um ein abhängiges Arbeitsverhältnis bemühen müssen. Hierbei hätte er sich nicht
nur in seinem gelernten Beruf als Polsterer bewerben dürfen, sondern er hätte alle ihm
zumutbaren Tätigkeiten wahrnehmen müssen, wie beispielsweise auch in Fabriken, auf
dem Bau, als Aushilfsfahrer etc.. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Beklagte,
wenn er sich um eine Anstellung bemüht hätte, in der Lage gewesen wäre, ein
Arbeitsverhältnis zu finden, auch als ungelernter Arbeiter, was es ihm erlauben würde,
einen Stundenlohn von 10,00 EUR brutto zu erzielen. Mit diesem Bruttolohn wäre er in
der Lage, bei Steuerklasse I über ein Nettoeinkommen von 1.180,00 EUR zu verfügen.
Hiervon hätte er unter Beachtung des Selbstbehaltes von 840,00 EUR den
Mindestunterhalt des Kindes zahlen können.
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Der Anspruch kann auch gemäß § 1610BGB rückwirkend von der Klägerin begehrt
werden, da sie spätestens mit Einreichung der Stufenklage am 13.05.2003 den
Beklagten mit diesen Forderungen in Verzug gesetzt hat. Insoweit die
Unterhaltsvorschusskasse an die Klägerin für das Kind gezahlt hat, kann sie den
Unterhaltsanspruch nicht geltend machen, sondern nur noch die Differenzbeträge.
Ausgehend von den Hammer Leitlinien war für den Zeitraum Mai bis Juni 2003 ein
monatlicher Unterhalt in Höhe von 177,00 EUR geschuldet, 111,00 EUR leistete das
Jugendamt, so dass noch ein Differenzbetrag von 66,00 EUR offen blieb. Ab Juli 2003
änderten sich die Düsseldorfer Tabellen auf einen Mindestbetrag von 192,00 EUR
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abzüglich 122,00 EUR Leistungen vom Jugendamt verbleibt ein Differenzbetrag von
70,00 EUR. Ab August 2003 fällt das Kind in die 2. Altersgruppe, so dass sich der
Mindestunterhalt auf 241,00 EUR abzüglich Zahlungen vom Jugendamt 164,00 EUR =
Differenzbetrag 77,00 EUR monatlich erhöht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.8, 711 ZPO.
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