Urteil des AG Bochum vom 17.02.2010

AG Bochum (kläger, einstweilige verfügung, strafbare handlung, üble nachrede, unterlassen, mieter, vermieter, wohnung, haus, verfügung)

Amtsgericht Bochum, 67 C 65/10
Datum:
17.02.2010
Gericht:
Amtsgericht Bochum
Spruchkörper:
67. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
67 C 65/10
Tenor:
hat das Amtsgericht Bochum
auf die mündliche Verhandlung vom 17.02.2010
durch den Richter am Amtsgericht
für Recht er¬kannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Verfügungsklägern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Verfügungskläger dürfen die Vollstreckung durch die
Verfügungsbeklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht
diese vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 2.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Verfügungskläger, im Folgenden nur Kläger genannt, sind Mieter
einer Wohnung im Hause der Verfügungsbeklagten, im Folgenden nur
Beklagte genannt.
Aus verschiedenen Gründen kam es zu einer Streitigkeit zwischen den
Mietvertragsparteien.
Im Laufe dieser Streitigkeit kündigte die Beklagte das Mietverhältnis
fristlos, hilfsweise fristgerecht, wegen angeblicher Vertragsverletzungen
der Kläger.
Unter anderem kündigte sie das Mietverhältnis mit Schreiben vom
26.01.2010. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage A 1 zur
26.01.2010. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage A 1 zur
Antragsschrift (Bl. 20 ff. d.A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 27.01.2010 wandte sich die Beklagte an
Kanzleramtsminister Q. unter der Berliner Anschrift. Herr Q. ist Mitglied
der Prozessbevollmächtigten der Kläger ebenso wie der Kläger selbst.
Diesbezüglich wird auf den Briefkopf in der Antragsschrift verwiesen.
Wegen des Inhaltes des Schreibens an Kanzleramtsminister Q. vom
27.01.2010 wird auf die Ablichtung des Schreibens Anlage A 13 zur
Antragsschrift (Bl. 48 f. d.A.) verwiesen.
Nachdem sich bereits die Prozessbevollmächtigten der Kläger für diese
bei der Beklagten gemeldet hatten, verbrachte die Beklagte einzelne
Schreiben, zum Teil auch an die Prozessbevollmächtigten der Kläger, in
den privaten Hausbriefkasten der Kläger.
Die Kläger meinen, sie könnten von der Beklagten im Wege der
einstweiligen Verfügung verlangen, dass diese es unterlässt, Schreiben
aus der Mietstreitigkeit unmittelbar an Kanzleramtsminister Q. zu
senden, weitere Streitschreiben in den Hausbriefkasten der Kläger
einzuwerfen und den Klägern übel nachzureden, indem sie Dritten
gegenüber behaupte, die Kläger gefährdeten das Dach über dem Haus
ihres siebenjährigen Sohnes.
Eine Eilbedürftigkeit sei gegeben, weil ohne die einstweilige Verfügung
erhebliche körperliche und psychische Beeinträchtigungen der Kläger
drohten. Dies äußere sich in Schlafstörungen, erheblichem
Gewichtsverlust, Konzentrationsschwäche, Angst vor der
Unberechenbarkeit der Beklagten, erhebliche Beeinträchtigung des
Privatlebens der Kläger unter Einbeziehung des gemeinsamen
fünfjährigen Sohnes. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Sachvortrags der Kläger wird auf den Inhalt der Antragsschrift nebst
Anlagen (Bl. 1 ff. d.A.) verwiesen.
Die Kläger beantragen,
1.
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Schreiben
oder sonstige schriftliche Mitteilungen, die sich inhaltlich mit
dem Wohnraummietverhältnis zwischen den Klägern und der
Beklagten zur Wohnung im Objekt
Bochum befassen, an Herrn Kanzleramtsminister
Q., dienstansässig Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Str. 1,
10557 Berlin zu übersenden;
2.
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, für die Dauer
der Mandatierung der Rechtsanwälte I.
aus Essen, Schreiben oder
sonstige schriftliche Mitteilungen betreffend das Wohnraum-
mietverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten zur
Mietwohnung im Objekt Bochum in
den Briefkasten der vorbezeichneten Wohnung der Kläger
einzuwerfen bzw. Schreiben und sonstige schriftliche Mit-
teilungen betreffend das vorbezeichnete Wohnungsmietver-
hältnis in den Machtbereich der Mietwohnung der Kläger ein-
zubringen;
3.
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, den Kläger
gegenüber Dritten übel nachzureden;
4.
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die Kläger
zu bedrohen;
5.
der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwider-
handlung gegen die in Ziffer 1 bis 4 ausgesprochene Ver-
pflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 500,00 Euro und für den
Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungs-
haft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt werden
kann.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, Ursache für die Streitigkeiten hätten die Kläger gesetzt.
Der Beklagten sei es nicht zuzumuten, die Kläger in ihrem Haus zu
dulden. Die Kläger würden Kleinigkeiten dazu heranziehen, einen
erheblichen Streit gegen die Beklagte zu führen. Durch das Verhalten
der Kläger sei das Mietverhältnis eskaliert. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sachvortrags der Beklagten wird auf den Inhalt der
Schutzschrift vom 26.01.2010 nebst Anlagen (Bl. 71 ff. d.A.) sowie die
Schriftsätze vom 16. und 17.02.2010 nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist bereits nach dem eigenen Sachvortrag der Kläger
unbegründet.
Es kann dahinstehen, ob die Kläger überhaupt einen
Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht haben. Dies ist für alle drei
Anträge ausgesprochen zweifelhaft, denn eine Anspruchsgrundlage ist
hier nur aus dem Mietvertrag heraus bzw. §§ 823 ff. BGB in Verbindung
mit Strafvorschriften denkbar.
Soweit sich die Kläger dagegen wehren, dass die Beklagte Schreiben
an Kanzleramtsminister Q. sendet, fehlt es an einem mietvertraglichen
Unterlassungsanspruch.
Der Mieter hat gegen den Vermieter den Anspruch, vertragswidriges
Verhalten zu unterlassen. Dies bezieht sich allerdings zunächst
ausschließlich auf das Mietverhältnis, und nicht auf das Verhalten im
Rahmen einer Mietstreitigkeit.
Es ist nicht außergewöhnlich und entspricht im Grunde der Üblichkeit,
dass es bei Streitigkeiten zwischen Vermieter und Mieter häufig auch
emotional zugeht.
Auch wenn die Beklagte Herrn Q. in seiner Funktion als
Kanzleramtsminister anschreibt, kann das Gericht hierin keine
Verletzung mietvertraglicher Pflichten oder eine
Persönlichkeitsverletzung erkennen.
Grundsätzlich können sich Mieter und Vermieter an einzelne Mitglieder
der Rechtsanwaltskanzlei der Prozessbevollmächtigten des Mieters
oder des Vermieters wenden, ohne dass eine Pflichtverletzung vorliegt.
Aus der Sonderstellung des Herrn Q. als Kanzleramtsminister folgt hier
deshalb nichts anderes, weil er tatsächlich noch als Mitglied der
Rechtsanwaltskanzlei der Prozessbevollmächtigten der Kläger fungiert.
Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass ebenfalls nach dem
Briefkopf das Amt als Rechtsanwalt in der Rechtsanwaltskanzlei nicht
ruht, sondern nur ein Vertretungsfall vorliegt. Daher haftet auch
Kanzleramtsminister Q. in seiner Funktion als Mitglied der
Rechtsanwaltsgemeinschaft für etwaiges Fehlverhalten der
Prozessbevollmächtigten. Ob dies hier vorliegt, bedarf hier nicht der
Entscheidung.
Im Übrigen dürfte es sich, wie im Termin erörtert, bei dem Vorwurf, die
Kläger würden das Dach über dem Haus des Kopfes des Kleinkindes
gefährden, nicht um eine üble Nachrede im Strafrechtssinne handeln.
Offenbar will die Beklagte hierdurch nur den Druck auf die Kläger
erhöhen, das Mietverhältnis möglichst schnell zu beenden.
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es sich um einen schweren
Vorwurf den Klägern gegenüber handelt.
Das Gericht verkennt auch nicht, dass die Verbindung zum Kleinkind
hier neben der Sache liegt. Allerdings ist darin keine strafbare Handlung
oder Persönlichkeitsverletzung i.S.d. § 823 I BGB zu erkennen.
Im Ergebnis fehlt auch eine Anspruchsgrundlage, dass es die Beklagte
zu unterlassen hat, bestimmte Schreiben in den Hausbriefkasten der
Kläger zu werfen.
Das Gericht hat bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung
ausführlich darauf hingewiesen, dass der Kläger als Mitglied der
Rechtsanwaltsgemeinschaft der Prozessbevollmächtigten der Kläger im
Haus zugleich als Mieter wohnt und deshalb Post auch an ihn als
Vertreter der Rechtsanwälte gerichtet werden kann. Im Übrigen kann das
Gericht auch hierin keine mietvertragliche Pflichtverletzung erkennen.
Auch hier verkennt das Gericht nicht, dass die Beklagte hier offenbar
Druck auf die Kläger persönlich ausüben will. Gleichwohl handelt es
sich entgegen der Rechtsansicht der Kläger nicht um einen Fall von
„Mobbing“.
Vielmehr ist das Mietverhältnis zwischen den Parteien offenbar aufgrund
gegenseitiger Beschuldigungen zerrüttet. Auf diese Fragen kommt es
allerdings im Ergebnis nicht an, denn es fehlt bereits an einem glaubhaft
gemachten Eilbedürfnis.
Bei Sichtung der gewechselten Schriftsätze hat das Gericht an keiner
Stelle den Eindruck, dass die Kläger sich gegen die Angriffe der
Beklagten nicht zu verteidigen wissen.
Dagegen sprechen die Schreiben der Klägerin selbst und natürlich erst
recht die Schreiben des Klägers bzw. seiner Rechtsanwälte. Im Übrigen
sind Mietauseinandersetzungen zwischen Mieter und Vermieter gerade
auch unter der Drohung, die Wohnung zu verlieren, stets mit
psychischen und physischen Beeinträchtigungen versehen.
Würde man hier ein Eilbedürfnis bejahen, könnte bei jedem emotional
geführten Streit zwischen Vermieter und Mieter jede Partei eine
einstweilige Verfügung erwirken, bestimmte Äußerungen oder
Handlungen zu unterlassen. Es bedarf nicht der weiteren Erläuterung,
dass hierfür tatsächlich eine einstweilige Verfügung nicht notwendig ist.
Vielmehr werden die Parteien in den bereits anhängig gemachten
Rechtsstreiten darüber zu streiten haben, ob die eine oder die andere
Seite recht hat.
Das Gericht hat abschließend den Eindruck, dass das einstweilige
Verfügungsverfahren auch nur ein weiteres Mittel im Mietrechtsstreit ist,
um einen Angriff gegen die Beklagte zu führen und ihr damit zumindest
Kostennachteile zuzufügen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 6, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO und berücksichtigt das
wirtschaftliche Interesse der Kläger an der Unterlassung bestimmter
Äußerungen oder Handlungen durch die Beklagte.