Urteil des AG Bochum vom 08.03.2006

AG Bochum: wohl des kindes, gemeinsame elterliche sorge, einvernehmliche regelung, getrennt leben, eltern, jugendamt, kuba, rechtskraft, erwerbstätigkeit, verfügung

Amtsgericht Bochum, 56 F 171/05
Datum:
08.03.2006
Gericht:
Amtsgericht Bochum
Spruchkörper:
Abt. 56 - Familiengericht -
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
56 F 171/05
Tenor:
I. Die am 27.02.2003 vor dem Standesbeamten des Standesamtes
Bochum
unter der Heiratsregister-Nr.: # geschlossene Ehe der Parteien wird
geschieden.
II. Der Antragsteller wird verurteilt, als Kindesunterhalt für den am
04.09.2003
geborenen S ab dem 1. des der Rechtskraft des Scheidungsurteils
folgenden Monats, zum jeweils 3. Tag des laufenden Monats, einen
Kindesunterhalt in Höhe von 199,00 EUR an die Antragsgegnerin zu
zahlen.
III. Der Antragsgegnerin wird die alleinige elterliche Sorge für S, geb. am
# übertragen.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich des Ausspruchs zum Kindesunterhalt
vorläufig
vollstreckbar.
Dem Antragsteller bleibt insoweit nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung
durch Sicherheitsleistung des jeweils fälligen Betrages abzuwenden,
es sei denn, die Antragsgegnerin leistet zuvor Sicherheit in gleicher
Höhe.
V. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand:
1
Der Antragsteller hat die kubanische Staatsangehörigkeit, die Antragsgegnerin ist
Deutsche.
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Nachdem der Antragsteller im November 2002 nach Deutschland kam, schlossen die
Parteien am # die Ehe miteinander. Aus der Ehe ist der am #geborene Sohn S
hervorgegangen.
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Seit dem dem 10.05.2004 leben die Parteien voneinander getrennt. Zum damaligen
Zeitpunkt ist der Antragsteller aus der vormals ehelichen Wohnung ausgezogen.
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Der Antragsteller hat in Kuba den Beruf des Bautechnikers erlernt. Er ist derzeit
beschäftigt in der Fa. C1 in C und er arbeitet für das Akafö in einer Teilzeittätigkeit in der
Mensa der Ruhr-Universität-Bochum.
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Der Antragsteller begehrt im vorliegenden Verfahren die Scheidung der Ehe.
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Er beantragt,
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die am # vor dem Standesbeamten des Standesamts Bochum-
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Innenstadt unter der Heiratsregister-Nr.: # geschlossene Ehe der
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Parteien zu scheiden.
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Die Antragsgegnerin stimmt dem Scheidungsantrag zu.
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Sie begehrt ihrerseits ab Rechtskraft der Scheidung die Titulierung des
Kindesunterhalts und die Übertragung der elterlichen Sorge für S auf sich.
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Die Antragsgegnerin meint, von den Einkommensangaben des Antragstellers könne
nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Sie behauptet, das Einkommen in der Fa. C1
sei in jedem Fall höher, als dies der Antragsteller angegeben habe. Im übrigen müsse
fiktiv ein weitaus höheres Einkommen angesetzt werden. Der Antragsteller sei in jedem
Fall zur Zahlung des Regelunterhalts verpflichtet und in der Lage.
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Zudem begehrt die Antragsgegnerin die Übertragung der elterlichen Sorge für S auf
sich. Sie meint, angesichts der Meinungsverschiedenheiten komme eine gemeinsame
Ausübung der elterliche Sorge für S nicht in Betracht.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antragsteller zu verurteilen, für das gemeinsame Kind S
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ab Rechtskraft der Scheidung zum jeweils 3. Tag eines laufenden
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Monats einen Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 199,00 EUR
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an sie zu zahlen.
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Die Antragsgegnerin beantragt zudem,
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die elterliche Sorge für S, geb. am # auf sie zu übertragen.
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Der Antragsteller beantragt,
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beide Anträge zurückzuweisen.
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Er behauptet, in der Fa. C1 übe er lediglich eine Teilzeittätigkeit aus, so daß sich ein
Nettoverdienst in Höhe von 479,00 EUR monatlich ergebe. Beim Akafö verdiene er
monatlich ca. 300,00 EUR, so daß sein Einkommen unter dem Selbstbehalt in Höhe von
890,00 EUR liege. Zur Zahlung des Kindesunterhalts sei er daher mangels
Leistungsfähigkeit nicht in der Lage. Zudem sei zu berücksichtigen, daß er zwei Kindern
aus 1. Ehe, nämlich den am # geborenen N und dem am # geborenen M dem Grunde
nach unterhaltspflichtig sei, da diese Kinder bei seiner 1. Ehefrau auf Kuba leben. Im
übrigen habe das Jugendamt der Stadt Bochum im vereinfachten Verfahren -
Aktenzeichen 59 FH 10/05 - Unterhaltsansprüche für das Kind geltend gemacht. Im
Hinblick auf den Antrag zur elterlichen Sorge meint der Antragsteller, ein Bedürfnis zur
Regelung der elterlichen Sorge bestehe nicht, da ein Gespräch zwischen ihnen
durchaus möglich sei.
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Das Gericht hat dem Kind S eine Verfahrenspflegerin beigeordnet. Insofern wird auf die
Stellungnahme der Verfahrenspflegerin Frau E vom 09.01.2006 Bezug genommen.
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Das Gericht hat das Verfahren 59 FH 10/05 zu Beweiszwecken beigezogen.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf
die Sitzungsniederschriften vom 19.10.2005 und 22.02.2006 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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I.
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Für das vorliegende Scheidungsverfahren ist gemäß den Artikel 17, 14 Abs. 1 Ziffer 2
EGBGB das deutsche Recht anwendbar, da beide Parteien ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
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Der Scheidungsantag ist gemäß § 1565 Abs. 1 BGB begründet. Dies wird gemäß
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§ 1566 Abs. 1 BGB vermutet, da die Parteien seit mehr als einem Jahr getrennt leben
und die Antragsgegnerin dem Scheidungsantrag zustimmt.
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II.
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Der Anspruch auf Zahlung des Kindesunterhalts ergibt sich gemäß den §§ 1601 ff. BGB.
Die Bedürftigkeit von S steht außer Streit. Der Höhe nach bemißt sich der
Unterhaltsanspruch entsprechend dem Einkommen des als Barunterhalt in Anspruch
genommenen Antragstellers.
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Dabei verkennt das Gericht nicht, daß der Antragsteller nach seinem Vortrag lediglich
zwei Teilzeittätigkeiten ausübt und ein Einkommen unterhalb des Selbstbehalts von
890,00 EUR erzielt. Es kann jedoch zur Überzeugung des Gerichts dahinstehen, in
welchem Umfang der Antragsteller in C einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Denn nachdem
der Antragsteller seit November 2002 in der Bundesrepublik Deutschland ist, und seit
nunmehr fast 2 Jahren von seiner Ehefrau getrennt lebt, trifft ihn im Hinblick auf die
Zahlung des Kindesunterhalts eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Das heißt, er muß
alles in seiner Kraft stehende unternehmen, um eine Erwerbstätigkeit zu bekommen.
Diese Erwerbsbemühungen müssen sich auf das gesamte Bundesgebiet beziehen und
nicht nur - wie sich dies aus den handschriftlichen Aufzeichnung ergibt - im Großraum
Bochum und Dortmund. Bei derartig gekennzeichneten Erwerbsbemühungen wäre es
dem Antragsteller zur Überzeugung des Gerichts gelungen, eine Vollzeittätigkeit als
Aushilfsarbeiter mit einem Bruttolohn von 10,00 EUR zu bekommen. Dies bedeutet, daß
ihm bei Steuerklasse 1 und einem Kinderfreibetrag für 0,5 Kinder ein Betrag in Höhe
von 1.150,00 EUR zur Verfügung steht. Damit ist der Antragsteller ohne weiteres in der
Lage, den geforderten Kindesunterhalt zu zahlen.
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Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aufgrund der Tatsache, daß der
Antragsteller sich auf seine mangelnden Deutschkenntnisse beruft. Denn wie sich in der
mündlichen Verhandlung vom 22.02.2006 ergeben hat, spricht er auch mit seiner neuen
Partnerin deutsch. Dieses "Ausländerdeutsch", daß heißt ein grammatikalisch nicht
einwandfreies Deutsch, ist zur Überzeugung des Gerichts auch für einfache Tätigkeiten
völlig ausreichend. Auch soweit der Antragsteller auf seine zwei Kinder aus 1. Ehe
verweist, die bei seiner 1. Ehefrau in Kuba leben, ergibt sich keine Änderung. Denn ob
und in welchem Umfang der Antragsteller insofern unterhaltspflichtig ist, ist in keiner
Weise ersichtlich. Allein der Hinweis auf eine möglicherweise dem Grunde nach
bestehende Unterhaltspflicht ist keine Rechtfertigung, eine Mangelverteilung
vorzunehmen.
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Die Antragsgegnerin ist auch berechtigt, den vorliegenden Unterhaltsanspruch geltend
zu machen. Eine anderweitige Rechtshängigkeit ist nicht gegeben. Zwar hat das
Jugendamt der Stadt Bochum in dem Verfahren 59 FH 10/05 einen Unterhaltsanspruch
geltend gemacht. Auf den Widerspruch des Antragstellers hat der Rechtspfleger durch
Verfügung vom 16.05.2005 das Jugendamt über die Einwendungen des Antragstellers
unterrichtet. Ein Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens ist innerhalb von 6
Monaten nicht gestellt worden. Damit gilt der Antrag auf Durchführung des vereinfachten
Verfahrens gemäß § 651 Abs. 6 ZPO als zurückgenommen. Die Antragsgegnerin ist
daher zur Geltendmachung des Anspruches aktiv legitimiert.
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III.
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Auf Antrag der Kindesmutter war die elterliche Sorge für S auf sie zu übertragen, § 1671
Abs. 2 Ziffer 2 BGB.
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Denn die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung auf die
Kindesmutter entspricht zur Überzeugung des Gerichts am besten dem Wohl des
Kindes.
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Die Regelung der elterlichen Sorge in § 1671 BGB enthält kein Regel-Ausnahme-
Verhältnis in dem Sinne, daß eine Priorität zugunsten der gemeinsamen elterlichen
Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als
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ultimaratio in Betracht kommt (vgl. BGH NJW 2000 504 f.).
Die gerichtliche Entscheidung hat sich vielmehr allein daran zu orientieren, ob die
gemeinsame elterliche Sorge oder die Alleinsorge eines Elternteils dem Wohl des
Kindes am besten dient.
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Entscheidend dabei ist, ob zwischen den Eltern eine Grundlage vorhanden ist, die es
ihnen ermöglicht, konstruktiv zum Wohl des Kindes gemeinsam dessen Belange in
vernünftiger Weise zu regeln.
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Ein gemeinsames Sorgerecht setzt dabei jedoch voraus, daß bei beiden Elternteilen in
Fragen grundsätzlicher Bedeutung ein Mindestmaß nicht nur an
Kooperationsbereitschaft sondern auch an Kooperationsfähigkeit vorhanden ist. Diese
Voraussetzungen sind zur Überzeugung des Gerichts im vorliegenden Verfahren nicht
gegeben. Dies ergibt sich vorliegend besonders anschaulich an der Frage des
Umgangsrechts des Kindesvaters. Nach Einschaltung der Verfahrenspflegerin waren
sowohl die Kindesmutter als auch die Verfahrenspflegerin der Meinung, mit dem
Kindesvater sei eine einvernehmliche Regelung zum Umgangsrecht getroffen worden.
Wie sich in der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2006 ergeben hat, war dies für den
Antragsteller jedoch in keinem Fall gegeben. Er wollte nur einmal dem Wunsch der
Kindesmutter entsprochen haben, jedoch keine endgültige Regelung treffen.
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Die damit aufgezeigten Probleme können zur Überzeugung des Gerichts nicht allein auf
Sprachprobleme des Antragstellers zurückgeführt werden. Denn wie bereits ausgeführt,
spricht der Antragsteller auch mit seiner Lebenspartnerin deutsch, so daß
Alltagsprobleme durchaus lösbar sein müßten. Entscheidend ist vielmehr entsprechend
den Ausführungen der Verfahrenspflegerin, daß jeder Elternteil in seinen Vorstellungen
und Wahrheiten so verhaftet ist, daß sie keine gemeinsame Basis finden können und
daher auch nicht Belange zum Wohle des Kindes wahrnehmen können.
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Vor diesem Hintergrund würde die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge
bedeuten, die Eltern in ständige von ihnen nicht zu bewältigende Konfliktsituationen zu
zwingen, die zwangsläufig nachteilige Auswirkungen auf das Kind haben würden. Zur
Überzeugung des Gerichts müssen deshalb die Abstimmungserfordernisse so gering
wie möglich gehalten werden. Dies ist nur durch die Alleinsorge eines Elternteils
möglich, wofür vorliegend allein die Kindesmutter in Betracht kommt, bei der S seit der
Trennung der Eltern lebt.
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Daher war wie geschehen zu entscheiden.
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IV.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a FGG.
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Entscheidung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 8, 711 ZPO.
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