Urteil des AG Bochum vom 03.09.2009

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Amtsgericht Bochum, 75 C 46/09
Datum:
03.09.2009
Gericht:
Amtsgericht Bochum
Spruchkörper:
75. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
75 C 46/09
Tenor:
hat das Amtsgericht Bochum
auf die mündliche Verhandlung vom 04.06.2009
durch den Richter am Amtsgericht
für Recht er¬kannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 4379,31 nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank seit dem 10.07.2008 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 EUR
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin macht als Fahrzeughaftpflichtversicherer einen Regress
gegen ihren Versicherungsnehmer als Unfallverursacher geltend.
Am Unfalltage, dem 11.05.2007, führte der Beklagte gegen etwa 2.25
Uhr das bei der Klägerin haftpflichtversicherte Kraftfahrzeug Alfa Romeo
mit dem amtlichen Kennzeichen ..... auf der Alleestraße in Bochum,
obgleich er eine Blutalkohol- konzentration von 2,30 %o vorzuweisen
hatte.
Eine Frau B. hatte den von ihr geführten Renault Laguna, amtliches
Kennzeichen ........ vor der für sie geltenden Lichtzeichenanlage an der
Alleestraße wegen des Lichtzeichens „Rot“ schon einige Zeit zuvor zum
Halten gebracht und wartete auf eine Lichtzeichenwechsel.
Auf dieses vor ihm in der Fahrspur stehende Kraftfahrzeug fuhr der
Beklagte auf.
Nach diesem Auffahrunfall verließ der Beklagte sein Fahrzeug und bat
die Zeugin B... , keine Polizei zu rufen.
Als die weiteren vor 0rt befindlichen Zeugen X und Z die Zeugin B auf
eine erhebliche Alkoholisierung des Beklagten hinwiesen, entschied
sich diese, die Polizei zu benachrichtigen. Daraufhin entfernte sich der
Beklagte vom Unfallort, ohne die notwendigen Feststellungen zu
ermöglichen.
Im Rahmen der sogleich eingeleiteten Fahndung wurde der Beklagte als
Fahrer des flüchtenden Pkw ermittelt.
In der Folgezeit wurde gegen ihn ein Strafverfahren wegen
Trunkenheitsfahrt und unerlaubten Entfernens vom Unfallort eingeleitet.
Im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nahm
der Prozessbe- vollmächtigte des Beklagten für diesen Akteneinsicht
und in der Folgezeit auch Kontakt auf zur Klägerin.
In bezug auf das geschädigte Kraftfahrzeug Renault beauftragte die
Geschädigte B.. das Sachverständigenbüro mit der Erstellung eines
Schadensgutachtens. Das Sachverständigenbüro stellte in seinem
Gutachten vom 13.07.2007 die Reparaturkosten netto mit 3.855,38 EUR
fest und umschrieb die Schäden wie folgt:
„Der offensichtliche Hauptanstoß erfolgte, soweit äußerlich erkennbar,
im mittleren Heckbereich.
Hintere Stoßstange heckseitig stark angeschlagen und insgesamt
überdehnt, Halterungen zerstört.
Heckklappe großflächig und tiefgründig eingedrückt, Kennzeichen mit
Unterlage und Einfassung deformiert, Heckscheibe an der unteren Kante
beschädigt, Heckscheiben- wischerarm mit Wischerachse und
Wischermotor stark angeschlagen.
0beres und unteres Heckklappenschloss ohne Funktion,
Heckklappeninnenverkleidung gebrochen.“
Im übrigen:
„Das Fahrzeug war vor Schadeneintritt in einem normalen, dem
Fahrzeugalter und der Laufleistung entsprechenden Allgemeinzustand.
Vorschäden lediglich am Aluscheiben- rad des linken Hinterrades und
an der Tankklappe.“
Mit Schreiben vom 30.08.2007 teilte der Prozessbevollmächtigte des
Beklagten der Klägerin zum Verkehrsunfall folgendes mit:
„Aufgrund der Erinnerung bzw. der Wahrnehmungen vor 0rt seitens
Herrn D... ist eine leichte Berührung der Fahrzeuge nicht
auszuschließen. Wegen der weiteren Einzelheiten darf der
Unterzeichner auf den von Ihnen erbetenen und beigefügten Auszug aus
der Ermittlungsakte verweisen. Zum Unfallzeitpunkt war Herr D ... jedoch
nicht fahruntüchtig alkoholisiert. 0b schon keines für ihn erkennbaren
Schadens und der Gesamtumstände ... verließ Herr D ... den Unfallort
und begab sich zu einer langjährigen Freundin...“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 87 der Gerichtsakten
Bezug genommen.
Unter dem 17.09.2007 teilte die Sachbearbeiterin Frau L ... der Klägerin
dem Beklagten den von der Geschädigten B ... mitgeteilten Schaden in
Höhe von 3.816,70 EUR mit und machte kenntlich, dass die Klägerin
von ihrem Regressrecht Gebrauch machen wolle. Sie forderte den
Beklagten auf, innerhalb von 14 Tagen den Betrag von 3.816,70 EUR zu
überweisen.
Aus Anlass einer versehentlichen Überweisung der
Unfallregulierungssumme auf ein Konto des Prozessbevollmächtigten
des Beklagten kam es am 19.09.2007 zu einem Telefonat zwischen der
Mitarbeiterin der Klägerin Frau L ... und dem Prozessbe- vollmächtigten
des Beklagten.
In diesem Telefonat wies der Beklagtenvertreter darauf hin, dass nach
Aussage des Beklagten an dessen Fahrzeug (dem auffahrenden Alfa
Romeo) kein Schaden erkennbar sei. Er rege ausdrücklich die
Überprüfung an. Auch verwies er darauf, dass eine relativ geringe
Geschwindigkeit, mit der die Berührung ursächlich verbunden gewesen
sei, vorgelegen habe.
Ferner teilte er mit, dass der Vater des Beklagten als Zeuge bestätigen
könne, dass keine Unfallspuren an dem auffahrenden Alfa Romeo
vorhanden seien.
In der Folgezeit regulierte die Klägerin den auf Seiten der Geschädigten
B... eingetretenen Schaden durch Zahlung eines Gesamtbetrages von
4.379,31 EUR (sich zusammensetzend aus Fahrzeugschaden =
3.252,50 EUR, Sachverständigenkosten = 571,20 EUR,
Kostenpauschale = 20,00 EUR, Rechtsanwaltskosten = 402,82 EUR,
Kosten für Akteneinsichten = 36,99 EUR, zuzüglich 46,41 EUR,
zuzüglich 49,39 EUR).
Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Beklagte sei zum Ausgleich der
im Außenver- hältnis an die Geschädigte B... geleisteten
Regulierungsbeträge verpflichtet, weil er 0bliegenheiten aus dem
Versicherungsverhältnis verletzt habe.
Und zwar habe der Beklagte in zweierlei Hinsicht 0bliegenheiten
verletzt, nämlich vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls, indem er
einerseits im Zustand absoluter Verkehrsuntüchtigkeit einen
Verkehrsunfall verursacht habe und andererseits eine
Verkehrsunfallflucht begangen habe und – unstreitig – die Einreichung
einer Schadensanzeige verweigert habe.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, die Höhe des Fahrzeugschadens sei zu bestreiten, es
sei zu vermuten, dass an dem Fahrzeug der Geschädigten B...
Altschäden vorhanden gewesen seien.
Weder am Pkw Renault noch am Pkw Alfa Romeo seien optisch
Schäden festzustellen gewesen.
Mehrfach sei die Sachbearbeiterin der Klägerin darauf hingewiesen
worden, der Fahrzeugschaden auf Seiten der Geschädigten B. könne
der Höhe nach nicht entstanden seien.
Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von
4.379,31 EUR gem. §§ 426 Abs. 1 BGB i.V.m. 3 Nr. 9 PflVG zu.
Durch das Verkehrsunfallereignis vom 11.05.2007 ist zwischen den
Parteien ein Gesamtschuldverhältnis im Sinne des § 426 BGB zur
Entstehung gelangt, da beide aufgrund gesetzlicher Bestimmungen der
Geschädigten B.. gegenüber direkt zur Ausgleichung der dieser
entstandenen Schäden verpflichtet waren.
Im Innenverhältnis der Gesamtschuldner untereinander ist die Klägerin
jedoch gem. § 6 Abs. 1, Abs. 3 VVG alter Fassung gegenüber der
versicherten Person – dem Beklagten – leistungsfrei geworden, weil
dieser 0bliegenheiten aus dem Versicherungsverhältnis im Sinne der §§
7 AKB verletzt hat. Denn er ist im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit
gefahren, hat einen Verkehrsunfall verursacht und hat eine strafbare
Verkehrsunfallflucht begangen, wegen deren er im übrigen durch
rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 05.02.2008
verurteilt worden ist.
Da dem Beklagten 0bliegenheitsverletzungen vor und nach Eintritt des
Versicherungs- falles zur Last fallen, addieren sich die
Leistungsfreiheitstatbestände so, dass die Klägerin allemal die vom
Beklagten begehrten Beträge verlangen kann (vgl. BGH
Versicherungsrecht 2005, 1720).
Die Klägerin kann von dem Beklagten auch die konkret erstattet
verlangten Beträge von insgesamt 4.379,31 EUR zur Zahlung begehren.
Der Beklagte muss nämlich die Vereinbarung zwischen der Klägerin
und seinem Unfallgegner über eine Entschädigung des Letztgenannten
in Höhe von hier konkret 4.379,31 EUR gegen sich gelten lassen (§ 3
Nr. 10 Satz 1, Halbsatz 1 und 2 PflVG).
Die Regressansprüche der Klägerin gegen den Beklagten sind auch
durchsetzbar.
Zwar kann das Verteidigungsvorbringen des Beklagten dahingehend
ausgelegt werden, dass er die sogenannte Dolo-agit-Einrede geltend
machen möchte. Denn im vorliegenden Rechtsbereich ist zu beachten,
dass dem auf Regress in Anspruch genommenen Versicherungsnehmer
grundsätzlich der Einwand zusteht, dass der Versicherer bei der
Schadensregulierung seine Pflichten zur Abwehr unbegründeter
Entschädigungsansprüche schuldhaft verletzt habe und deshalb zum
Schadenersatz verpflichtet sei (vgl. § 3 Nr. 10 Satz 1 am Ende PflVG).
Vorliegend hat der Beklagte aber eine solche schuldhafte
Pflichtverletzung der Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargetan.
Soweit hier – wie im Tatbestand dargestellt – gem. § 138 Abs. 3 ZPO die
Hinweise des Beklagtenvertreters im Telefonat mit der Sachbearbeiterin
der Klägerin am 19.09.2007 als unstreitig zu behandeln waren,
genügten diese Hinweise keineswegs, um der Klägerin eine weitere
Aufklärungspflicht dahingehend aufzuerlegen, dass sie weitere
Nachforschungen anstellen müsste, ob der ihr gegenüber zur
Ausgleichung angemeldete Schaden der Frau unfallbedingt sei oder
nicht.
Zum einen waren nämlich die Hinweisungen des Beklagtenvertreters
nicht substantiiert genug, um ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Ersatzverlangens der Geschädigten B... zu begründen. Zum
anderen ist zu beachten, dass der Klägerin als Haftpflichtversicherer bei
der Entscheidung über die Entschädigung des Unfallgegners ein
Ermessensspielraum eingeräumt ist (vgl. 0LG Hamm, NJW 2005, 3077
ff.).
Diesen Ermessensspielraum hat die Klägerin in nicht zu
beanstandender Weise ausgeschöpft, indem sie augenscheinlich
entschieden hat, keine Zweifel an der Begründetheit des
Regulierungsverlangens der Geschädigten B... zu haben.
Die Klägerin hatte hier nämlich zu bedenken, dass sie mit nahezu an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit etwaig auf Informationen
des Beklagten gestützten Einwendungen gegen die Schadenshöhe im
Prozess nicht durchdringen wird.
So war einerseits maßgeblich, dass der Einwand des Beklagten, die
Berührung des vor ihm stehenden Fahrzeugs sei nur „leicht“ gewesen,
nahezu nicht zu objektivieren ist.
Zum anderen war zu beachten, dass durch das
Sachverständigengutachten in widerspruchsfreier Weise belegt war,
dass der Schaden am Fahrzeug der Geschädigten B... doch eher groß
und somit der Wiederherstellungsaufwand von 3.252,50 EUR plausibel
war.
Im übrigen durfte die Klägerin bei der Entscheidung, ob es den
Hinweisen des Beklagtenvertreters nachgehen will oder nicht, auch eine
Würdigung der Angaben des Beklagten auf Glaubhaftigkeit anstellen.
Dabei hat sie offenkundig berechtigterweise im Blick behalten, dass der
Beklagte im Rahmen des hier zur Entscheidung unterbreiteten
Sachverhaltes keineswegs einen gefestigten Rechtsfolgewillen
kenntlich gemacht hat.
So durfte nämlich die Klägerin mit bedenken, dass der Beklagte sich
schon einmal der Wahrheitsfeststellung durch Unfallflucht entzogen hat
und sogleich noch ihr gegenüber in der schriftlichen Mitteilung vom
30.08.07 den Versuch unternahm, seine alkoholbedingte
Fahruntüchtigkeit hinwegzureden.
Bei alledem bestand auf Seiten der Klägerin keine Veranlassung, von
der Regulierung des Verkehrsunfallereignisses gegenüber der
Geschädigten B. durch Zahlung des Betrages von insgesamt 4.379,39
EUR Abstand zu nehmen und etwa zunächst noch weitere
Sachverhaltsermittlungen anzustellen.
Mithin ist der Klägerin keineswegs eine Pflichtverletzung im
Zusammenhang ihres Regulierungsermessens zur Last zu legen und
besteht also die nach der Art und Weise des Beklagtenvorbringens
anzunehmende Dolo-agit-Einrede nicht.
Dementsprechend war der Klage zur Hauptsache in vollem Umfange
stattzugeben.
II.
Die Zinsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten folgen aus §§
280, 286, 287, 288 BGB.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709
Satz 1 ZPO.