Urteil des AG Bochum vom 22.09.2008

AG Bochum: ordentliche kündigung, wichtiger grund, erstinstanzliches gericht, betreiber, beendigung, lizenzgebühr, wiedergabe, mahnkosten, urheber, kündigungsfrist

Amtsgericht Bochum, 65 C 199/08
Datum:
22.09.2008
Gericht:
Amtsgericht Bochum
Spruchkörper:
65. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
65 C 199/08
Tenor:
hat das Amtsgericht Bochum
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche
Verhandlung
am 22.09.2008
durch den Richter am Amtsgericht
für Recht erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 185,52 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus
44,35 € seit dem 26.10.2007 und aus 141,17 € seit dem 04.07.2008
sowie 8,00 € vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 55 % und der
Beklagte zu 45 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a ZPO
abgesehen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Klägerin steht aus dem Vertrag V 006 vom 15.05.2006 für den
Zeitraum vom 01.08. bis 31.10.2006 noch ein Anspruch auf Zahlung der
vereinbarten Lizenzgebühr in Höhe von 141,17 € zu. Zwar hat der
Beklagte diesen Vertrag mit Schreiben vom 30.06.2006 zum 31.07.2006
gekündigt. Als ordentliche Kündigung wirkte die Kündigung nach dem
Vertrag erst zum Ablauf des Quartals am 31.10.2006.
Ein Grund für eine außerordentliche Kündigung des Vertrages ergibt
sich weder aus dem Kündigungsschreiben noch aus dem Vorbringen
der Beklagtenseite. Der Beklagte hat die Gaststätte im
streitgegenständlichen Zeitraum weiter betrieben. Soweit er zum
01.08.2006 organisatorische Veränderungen vorgenommen hat und ein
von ihm zunächst verlangter Mindestverzehr ab diesem Zeitpunkt
entfallen ist, stellt dies keinen Grund für eine außerordentliche
Kündigung dar. Der Beklagte hätte die ihm mit Vertrag V 006
eingeräumten Rechte auch nach dem 01.08.2006 ohne weiteres nutzen
können. Ob er von dieser Möglichkeit gebraucht macht, ist die alleinige
unternehmerische Entscheidung des Beklagten. Die reine Einstellung
der mit dem Vertag geregelten Nutzungen bei bestehender
grundsätzlicher Nutzungsmöglichkeit führt nicht zu einer Beendigung
des Vertrages, wie dies auch in Buchstabe G der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Klägerin geregelt ist. Zur Beendigung der
Vertragslaufzeit war der Beklagte daher zur Zahlung der
Vertragspauschale verpflichtet. Diese beträgt unstreitig 228,42 €. Hierauf
hat er vorprozessual 87,25 € gezahlt, so dass die Klägerin Zahlung
weiterer 141,17 € verlangen kann, wie mit der Klageerweiterung geltend
gemacht.
Die beiden weiteren Verträge V 007 und V 008 vom 15.05. bzw.
06.11.2006 wurden dagegen durch die Kündigung des Beklagten vom
08.05.2007 mit Ablauf des 31.05.2007 beendet. Unstreitig hat der
Beklagte den Betrieb des " " in Essen zum 30.04.2007 aufgegeben.
Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt die Betriebsaufgabe einen
Grund zur außerordentlichen Kündigung dar.
Gem. § 314 Abs. 1 BGB kann ein Dauerschuldverhältnis von jedem
Vertragspartner aus wichtigem Grund und ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn
dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die
Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung
oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Betriebsaufgabe nach
Auffassung des Gerichts vor. In diesem Fall ist dem Berechtigten
jegliche Möglichkeit genommen, die ihm vertraglich eingeräumten
Rechte tatsächlich zu nutzen. Er müsste die vertragliche Lizenzgebühr
zahlen, ohne überhaupt die Möglichkeit zu haben, die Gegenleistung zu
realisieren.
Das Gericht verkennt nicht, dass grundsätzlich Störungen aus dem
eigenen Risikobereich einer Partei kein Kündigungsrecht begründen.
Die Betriebsaufgabe ist aber allein dem Risikobereich des
Lizenznehmers zuzuordnen, wie dies auch die 8. Kammer des
Landgerichts Bochum im Urteil vom 07.11.2002 ausgeführt hat. Dennoch
rechtfertigen vorliegend die besonderen Umstände die Möglichkeit einer
außerordentlichen Kündigung.
Die öffentliche Wiedergabe von Musik ist ein wesentlicher Aspekt für die
erfolgreiche Unternehmung von Betrieben in unterschiedlichen
Bereichen. Dies gilt natürlich umso mehr im Gastronomiebereich. Die
Verwertungsgesellschaften sind ihrem Wesen nach marktbeherrschend
und haben für ihren Bereich praktisch eine Monopolstellung. Erachten
die Betreiber des jeweiligen Geschäfts die Wiedergabe von Musik für
erforderlich oder jedenfalls sinnvoll, sind sie gezwungen, mit der
Klägerin einen Lizenzvertrag nach den von der Klägerin aufgestellten
Tarifen abzuschließen. Eine andere Möglichkeit ist praktisch nicht
vorhanden. Hinzukommt, dass die Klägerin als
Wahrnehmungsgesellschaft als eine Art Inkassostelle für
urheberrechtliche Befugnisse der ihr angeschlossenen Rechte fungiert.
Sie ist also in diesem Sinn kein gewinnorientiertes Unternehmen, das im
Eigeninteresse bzw. im Interesse der Anteilseigner auf eine
Gewinnmaximierung ausgerichtet ist. Vielmehr soll durch die
Wahrnehmungsgesellschaft sichergestellt werden, dass die
angeschlossenen Urheber für die tatsächlich erfolgten Nutzungen ihrer
Werke die ihnen zustehende Vergütung nach einem von den
Wahrnehmungsgesellschaften aufgestellten Verteilerschlüssel erhalten.
Auf der anderen Seite können die Gründe, die zu einer Betriebsaufgabe
führen, unterschiedlichster Art und von dem Betreiber nicht unbedingt
beeinflussbar sein. Vor diesem Hintergrund wäre aber das vertragliche
Äquivalenzverhältnis gestört, wenn der Betreiber trotz Betriebsaufgabe
gezwungen wäre, möglicherweise für einen langen Zeitraum von bis zu
einem Jahr – wie dies vorliegend bei dem Vertrag V 007 der Fall wäre –
am Vertrag festzuhalten. Die Rechte der der Klägerin angeschlossenen
Urheber werden gewahrt, da für die Zeit der tatsächlich erfolgten
Musikwiedergabe bzw. für die Zeit des tatsächlichen Betriebes des
Geschäfts die Lizenzgebühr zu zahlen ist, wie dies vorliegend auch für
den Vertrag V 006 gilt, was sich aus den obigen Ausführungen ergibt.
Insoweit wird die Klägerin entgegen ihrer Ansicht auch in ihren Rechten
nicht eingeschränkt.
Unter Berücksichtigung der dargelegten besonderen Umstände und
unter Abwägung der beiderseitigen Interessen hält das Gericht im
Ergebnis die Einräumung eines außerordentlichen Kündigungsrechts für
geboten. Die Regelung des § 314 BGB ist in seinem Kern zwingendes
Recht und kann durch AGB nicht eingeschränkt werden. Abgesehen
davon, dass Buchstabe G der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Klägerin auch so verstanden werden kann, dass hiervon nur die
Einstellung der mit dem Vertrag geregelten Nutzungen bei bestehendem
Geschäftsbetrieb geregelt wird, also den Fall der Geschäftsaufgabe
während der Vertragslaufzeit gar nicht regelt, kann durch diese Klausel
das Kündigungsrecht nach § 314 BGB nicht eingeschränkt werden.
Die Kündigung vom 08.05.2007 ist der Klägerin unstreitig noch im Mai
2007 zugegangen und wirkt damit zum Ablauf dieses Monats. Für den
Monat Mai ist der Beklagte daher noch zur anteiligen Zahlung der
Vertragspauschale in Höhe von 14,95 € (1/12 von 179,42 €) bzw. 29,40
€ (1/3 von 88,21 €) verpflichtet.
Insgesamt ergibt sich damit aus allen 3 Verträgen eine Forderung der
Klägerin in Höhe von 185,52 €. In diesem Umfang war der Klage
stattzugeben, im übrigen war sie dagegen abzuweisen.
Der Zinsanspruch sowie der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher
Mahnkosten folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708
Nr. 11, 713 ZPO.
Eine Berufung gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen. Die 8. Kammer
des Landgerichts Bochum ist nicht das dem Amtsgericht übergeordnete
Gericht. Vielmehr handelt es sich ebenfalls um ein erstinstanzliches
Gericht. Die Kammer ist mit der Berufungskammer in
Urheberrechtsstreitigkeiten nicht identisch. Ob die 8. Kammer überhaupt
bzw. noch immer in ständiger Rechtsprechung die Möglichkeit einer
außerordentlichen Kündigung bei Betriebsaufgabe verneint, ist dem
Gericht nicht bekannt. Durch eine Entscheidung der Berufungskammer
könnte auch eine einheitliche Rechtsprechung nicht herbeigeführt
werden, so dass die Voraussetzungen für eine Berufungszulassung
nicht gegeben sind.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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