Urteil des AG Bernau vom 15.03.2017

AG Bernau: wider besseres wissen, begriff, ordentliches verfahren, leumund, skonto, erpressung, ruf, gespräch, auflage, gewalt

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Gericht:
AG Bernau
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 C 1193/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1004 BGB, § 823 BGB, § 185
StGB
Unterlassungsanspruch wegen beleidigender Äußerungen durch
Verwendung des Begriffs "kick-back" im Rahmen konkreter
Vertragsbeziehungen
Tenor
1. Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es zu unterlassen wörtlich oder sinngemäß
folgende Behauptungen aufzustellen, aufstellen zu lassen, zu verbreiten und oder
verbreiten zu lassen: Der Verfügungskläger behaupte wahrheitswidrig, dass der Beklagte
versucht habe, ihn, den Kläger, zu strafbaren Handlungen anzustiften; Der Kläger tätige
wahrheitswidrige Äußerungen und erfülle damit den Straftatbestand der falschen
Verdächtigung; Der Kläger behaupte und verbreite wider besseres Wissen unwahre
Tatsachen über den Beklagten, die geeignet sind den Beklagten verächtlich zu machen
und ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen; Der Kläger erfülle mit seinen
unwahren Beschuldigungen den Tatbestand der üblen Nachrede; Der Kläger verletze das
allgemeine Persönlichkeit des Beklagten und die Ehre des Beklagten.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld
von bis zu 250.000.- €, im Nichtbeitreibungsfalle Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu
sechs Monaten angedroht. Im übrigen wird der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Verfügung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungsbeklagte.
4. Der Streitwert wird auf 5.000.- € festgesetzt.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung wegen
der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leisten.
Tatbestand
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Unterlassung.
Der Kläger betreibt in Bernau ein zahntechnisches Labor. Der Beklagte ist mit der
Zahnärztin D. verheiratet. Mit Frau D. stand der Kläger in geschäftlichem Kontakt. Davor
stand er mit der Zahnärztin Dr. L., der Schwiegermutter des Beklagten, in gleicher Weise
in geschäftlichem Kontakt. Er fertigte für deren Kunden Laborleistungen an. Am 3.9.2008
besuchte der Beklagte den Kläger und sprach ihn auf diverse Fragen im Rahmen der
Geschäftsbeziehungen zu Frau D. an.
Der Kläger sprach nach dem Gespräch am 10.9.2008 mit Frau D. und Frau Dr. L. Er teilte
ihnen mit, dass er beabsichtige, die Vertragsbeziehungen zu Frau D. abzubrechen, da er
sich von den Äußerungen des Beklagten anlässlich dessen Besuchs erpresst gefühlt
habe.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16.9.2008 (Bl. 10 ff.) verlangte der Beklagte vom
Kläger eine Unterlassungserklärung. Auf Blatt 10 ff. wird verwiesen. Im anwaltlichen
Schriftsatz vom 30.9.2008 (Bl. 11) verlangte nunmehr der Kläger vom Beklagten eine
strafbewehrte Unterlassungserklärung.
Der Kläger behauptet, der Beklagte habe von ihm eine Skontogewährung von 10 bis 30
% verlangt, die nicht den Kunden zu gute kommen sollten, sondern, so empfand der
Kläger dies, der Zahnärztin D.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
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den Beklagten zu verurteilen, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000.- €, ersatzweise Ordnungshaft bis
zu 6 Monaten zu untersagen, wörtlich oder sinngemäß folgende Behauptung
aufzustellen und/oder aufstellen zu lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vom
15.10.2008 zurückzuweisen.
Er behauptet, er habe das Wort „Skonto“ im Gespräch mit dem Kläger nicht erwähnt,
vielmehr habe er den Begriff „kick-back“ in den Raum gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 23.10.2008 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zum überwiegenden Teil zulässig.
Der Verfügungskläger hat hinsichtlich der Äußerungen des Beklagten einen
Verfügungsgrund und Verfügungsanspruch aus §§ 1004, 823 BGB. Durch die
Behauptungen im Schriftsatz vom 16.9.2008 und erneut am 9.10.2008 hat der Beklagte
den Kläger gemäß § 185 StGB beleidigt (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 55. Auflage § 186
Randnr. 10). Denn der Beklagte hat jedenfalls (bisher nur) gegenüber dem Kläger eine
falsche Tatsache behauptet. Denn er hat dem Kläger unterstellt, dieser behaupte oder
verbreite wider besseres Wissen unwahre Tatsachen, verleumde den Beklagten und rede
ihm übel nach etc. Auf Blatt 10 Rs wird verwiesen. Diese Unterstellungen sind jedoch
unwahr. Denn der Kläger durfte schon nach der eigenen Einlassung des Beklagten
behaupten, dass der Beklagte ihn zu einem strafrechtlich relevanten Tun mehr oder
weniger indirekt aufforderte, indem er nämlich den Begriff „kick-back“ bei dem Gespräch
am 3.9.2008 in „den Raum stellte“. Dabei ist unerheblich, ob der Beklagte von „Skonto“
oder „kick-back“ gesprochen hatte. Selbst wenn er „nur“ von „kick-back“ sprach, durfte
der Kläger reagieren. Es ist sogar festzustellen, dass der Begriff „Skonto“ jedenfalls
isoliert betrachtet unverfänglicher ist als der eindeutig negativ belegte Begriff „kick-
back“ (siehe unten).
Der Begriff „kick-back“ ist als eine verkappte Korruptionszahlung im Sinne von
„Schmiergeld“ zu werten. Kick-back ist nämlich ein international gebräuchlicher Begriff
für Bestechungs- oder Schmiergeldzahlungen, die auf dem Umweg über erhöhte
Rechnungen oder Provisionsvereinbarungen an den Auftraggeber oder an von ihm
begünstigte Dritte zurückfließen (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 55. Auflage, § 266
Randnr. 21; BGH St 50, 299, 313 f.). Das kick-back ist strafrechtlich unter § 266 StGB,
ggfs. § 263 StGB zu subsumieren (BGH St 50,299 f.; a.A.: Bensmann in StV 2005, 276).
Der Begriff des „kick-back“ ist jedoch kein eindeutig feststehender juristischer terminus
technicus. Es handelt sich - wohl in Anlehnung an den Fußballsport - um eine
Bezeichnung für ein Verhalten, bei dem der Empfänger einer geldwerten Leistung im
Rahmen einer Geschäftsbeziehung einen Teil davon an einen Dritten „zurückspielt“, also
eine „Rückvergütungsvereinbarung“.
Die zivilrechtlichen Probleme betreffen verschiedene Rechtsgebiete, u.a. die
Rückvergütungen von Dentalhandelsgesellschaften an Zahnärzte. So werden zum
Beispiel immer wieder Vereinbarungen zwischen Finanzdienstleistern und Brokern
geschlossen, auf Grund derer der Broker dem Finanzdienstleister - bisweilen überhöhte -
Gebühren in Rechnung stellt und ihm einen Teil davon zukommen lässt. Dabei betrifft die
Diskussion der Gewährung solcher Innenprovisionen oder anderer Vorteile vor allem
zivilrechtliche, aber auch strafrechtliche und steuerrechtliche Fragen.Die Vereinbarung
sog. kick-back-Zahlungen ist in der Wirtschaft verbreitet. Zuweilen wird eine kick-back-
Zahlung dadurch refinanziert, dass der Zuwendende seine Kalkulation um den
Zahlungsbetrag erhöht und dem Treugeber des Zahlungsempfängers ein um die
Zahlung erhöhtes Entgelt in Rechnung stellt.
Es ist unerheblich, ob der Beklagte dem Kläger androhte, wenn es keine relevanten
Skonti gebe, werde Frau D. ihre Aufträge vom Labor des Klägers abziehen. Der Beklagte
ist wie er selbst mitteilte in der Branche bewandert, er weiß mit welchem „Geschmack“
der Begriff „kick-back“ belegt ist. Wenn er diesen Ausdruck gegenüber dem ebenfalls in
der Branche bewanderten Kläger im konkreten Bezug auf die Vertragsbeziehungen
verwendet, muß er hinnehmen, dass der Kläger nicht nur empört reagiert, sondern auch
ihn eines strafbaren Tuns bezichtigt. Dem Beklagten muß aufgrund der
Korruptionsbekämpfung in der EU und der Schäden, die durch Korruption den
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Korruptionsbekämpfung in der EU und der Schäden, die durch Korruption den
Binnenwirtschaften entstehen, bekannt sein, dass der Begriff „kick-back“ nicht
missverständlich verwendet werden darf. Die Rechtsordnung gebietet es auch aus
Persönlichkeitsschutzgründen grundsätzlich nicht, dass die Wahrheit nicht gesagt
werden darf. Eine Beleidigungstendenz bei den wahren Äußerungen des Klägers ist ganz
und gar nicht zu entnehmen.
Die Anträge zu a („Erpressung“) und g („Leumund“) sind unbegründet.
Bei a („Erpressung“) überwiegt das Persönlichkeitsrecht des Beklagten, denn selbst
nach eigenem Vortrag des Klägers ist das Verhalten des Beklagten anlässlich des
Gesprächs am 3.9.2008 nicht als (versuchte) „Erpressung“ im Sinne von § 253 StGB zu
verstehen. Denn es bedarf für die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 253 StGB der
Gewalt bzw. der Drohung mit einem empfindlichen Übel. Der Beklagte hat den Kläger in
jedem Falle nicht mit Gewalt zu einer Handlung zwingen wollen. Aber auch die Drohung
mit einem empfindlichen Übel ist nicht gegeben. Zum einen trägt der Kläger schon nicht
vor, welches empfindliche Übel der Beklagten angedroht haben soll. Der Kläger hatte ja
lediglich den „Eindruck“, dass der Verlust der Aufträge durch die Zahnärztin D. dann
anstehe, wenn er der Forderung des Beklagten nicht nachkomme. Geäußert hat der
Beklagte dies aber nach eigener Einlassung des Klägers nicht. Zudem ist fraglich, ob der
Verlust von Aufträgen im Sinne von § 253 StGB ein „empfindliches Übel“ ist (siehe
jedoch Fischer aaO. § 253 Randnr. 7 a). Zwar ergibt sich aus der eidesstattlichen
Versicherung der Zeugin J., dass der Beklagte möglicherweise den Verlust der Aufträge
in Verbindung mit dem „ordentlichen“ Angebot verband. Auf Blatt 14 wird verwiesen.
Dies ist aber nicht der Vortrag des Klägers. Zudem dürfte eine existentielle Abhängigkeit
des Bedrohten, des Klägers, nicht gegeben sein (Fischer aaO.).
Der Antrag zu g ist ebenfalls unbegründet. Denn die vom Kläger getätigten Äußerungen
sind objektiv tatsächlich geeignet den Ruf und Leumund des Beklagten als
Geschäftsmann zu diskreditieren. Das muß der Beklagte auch sagen dürfen. Selbst bei
wahrer Behauptung der Anstiftung zu strafbaren Handlungen in Form des „Kick-back“
durch den Beklagten – wie hier -, führt dies zwangsläufig dazu, dass der Leumund und
Ruf des Beklagten diskreditiert wird. Dass der Beklagte sich dies letztlich selbst
anzulasten hat, ändert nichts daran, dass der Beklagte muß sagen dürfen, dass die
(wahre) Behauptung seinen Ruf und Leumund diskreditiert.
Die Vorwegnahme der Hauptsache ist im einstweiligen Verfügungsverfahren nur
ausnahmsweise zulässig, nämlich dann, wenn der Gläubiger ein ordentliches Verfahren
nicht abwarten kann, ohne unverhältnismäßig großen, gar irreparablen Schaden zu
erleiden hat (Thomas-Putzo § 940 Randnr. 6). An die Glaubhaftmachung sind dabei
strenge Anforderungen zu stellen (Thomas-Putzo aaO.). Das Gericht musste die
Glaubhaftmachung des Klägers dabei schon gar nicht berücksichtigen, weil der Beklagte
ja eingeräumt hat, dass er zwar nicht den eigentlich unverfänglicheren vom Kläger
behaupteten Ausdruck „Skonto“ benutzt hat, sondern den eindeutig strafrechtlich
relevant belegten Ausdruck des „kick-back“. Daher konnte das Gericht im einstweiligen
Verfügungsverfahren ausnahmsweise deutlich die Verbote aussprechen und nicht auf
das Hauptsacheverfahren verweisen. Zudem ist im Hinblick auf die Ähnlichkeit zur
verbotenen Eigenmacht und der schweren persönlichen und wirtschaftlichen Schäden,
die dem Verfügungskläger durch die Behauptungen im Geschäftsleben drohen,
ausnahmsweise eine Vorwegnahme der Hauptsache zulässig (vgl Palandt-Thomas, Einf.
Vor § 823 Randnr. 39).
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr.6, 11, 711 ZPO.
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