Urteil des AG Bernau vom 05.01.2008

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Gericht:
AG Bernau
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 C 447/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 543 Abs 1 BGB, § 546 BGB, §
569 Abs 2 BGB, § 573 BGB, §
985 BGB
Räumungsprozess gegen den Wohnraummieter: Verwertbarkeit
im Verfahrensverlauf vorgebrachter Gründe für eine
außerordentliche Kündigung
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 252,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 96,12 € seit dem 5.1.2008, 5.2.2008
sowie 5.3.2008 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn
nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert beträgt 3.036,48 €.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Räumung und Nebenkostenvorauszahlung in
Anspruch.
Die Klägerin ist seit dem Jahre 2006 Eigentümerin des streitgegenständlichen
Grundstücks mit Mieteinheit in der ...
Der Beklagte ist Mieter. Auf den Mietvertrag vom 16.9.2000 auf Blatt 4 ff. verwiesen.
Mit Schreiben vom 19.7.2007 kündigte die Klägerin dem Beklagten fristlos hilfsweise
ordentlich. Auf Blatt 15 f. wird verwiesen. Als Grund gab die Klägerin „Verstöße gegen die
Hausordnung“ sowie die mangelnde Mitteilung eines Wasserschadens bzw. der
Undichtigkeit unter der Mieterdusche an. Bereits am 21.5.2006 teilte die Klägerin dem
Beklagten mit, dass das Bad ständig unter Wasser zu stehen scheine und dass es unter
der darunter liegenden Wohnung regelmäßig zu Wasserschäden gekommen sei. Auf
Blatt 33 wird verwiesen. Desgleichen rügte die Klägerin mit Schreiben vom 21.7.2006
„Wasserschäden u.a.“. Auf Blatt 34 wird verwiesen.
Am 12.1.2007 und 26.4.2007 mahnte die Klägerin den Beklagten ab. Auf Blatt 17 ff. wird
verwiesen
Mit Schriftsatz vom 25.9.2008 (Bl. 29 ff.) verwies die Klägerin auf eine Internetseite des
Beklagten („www….de“). Bei dieser Internetseite können sich Interessierte gegenüber
Freunden und Bekannten aber auch ggfs. Fremden wie dies nunmehr auch z.B. bei dem
Portal „Facebook“ oder „meinVz“ üblich geworden ist, vorstellen. Dort ist der Eintrag
unter der Rubrik „was ich hasse“ verzeichnet:“ …und am meisten … miese kleine Ratte
an so einen Vermieter solltet ihr nicht geraten.“ Auf den Screenshot auf Blatt 45 wird
verwiesen. Die Seite ist seit 23.5.2008 „aktiv“.
In der mündlichen Verhandlung vom 13.1.2009 räumte der Geschäftsführer der Klägerin
ein, dass der Zeuge T. zur Entgegennahme von Mängelanzeigen berechtigt ist.
Die Klägerin behauptet, der Zeuge T. habe den Beklagten mehrfach auf den
Wasserschaden aufmerksam gemacht und ihn aufgefordert, es zu unterlassen, bis zur
Beseitigung des schadhaften Wasserabflusses zu duschen und den Vermieter über den
Schaden zu informieren. Der Beklagte habe jedoch erneut geduscht. Im übrigen habe
der Beklagte die Verstopfung herbeigeführt.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 1. das in der … in …, 2.
Obergeschoß links, bestehend aus 1 Zimmer mit Küche, Toilette, Dusche und Diele ( 30
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Obergeschoß links, bestehend aus 1 Zimmer mit Küche, Toilette, Dusche und Diele ( 30
qm) zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben; 2. an die Klägerin 384,48 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus je 96,12 € seit dem
5.12.2007, 5.1.2008, 5.2.2008 sowie 5.3.2008 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Meinung, dass die Kündigung vom 19.7.2007 unwirksam sei. Da
Abrechnungsreife eingetreten sei, könne die Klägerin für Dezember 2007 ohnehin keine
Vorauszahlungen mehr verlangen. Der Zeuge T. habe ihm mitgeteilt, dass er den
Schaden der Klägerin melden werde.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T. und B. Auf die
Sitzungsniederschrift vom 13.1.2009 auf Blatt 77 ff. wird verwiesen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen und die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zum Teil begründet, im übrigen nicht.
Betriebskostenvorauszahlung
Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der Betriebskostenvorauszahlungen für das Jahr
2008 aus dem Mietvertrag. Abrechnungsreife ist für die Monate Januar bis März 2008
noch nicht eingetreten. Einwände gegen die Vorauszahlungspflicht macht der Beklagte
nicht.
Soweit die Klägerin indes Betriebskostenvorauszahlung für Dezember 2007 verlangt, ist
nunmehr Abrechnungsreife eingetreten. Dann kann die Klägerin Betriebskosten als
Vorauszahlung nicht mehr verlangen, weil zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen
Verhandlung für die Betriebskosten aus dem Jahre 2007 bereits Abrechnungsreife nach §
556 Abs.3 BGB eingetreten ist. Denn nach § 556 Abs.3 BGB können rückständige
Vorauszahlungen nicht mehr verlangt werden können (Geldmacher in DWW 1997, 7;
Bub/Treier III Randnr. 46). Zwar gilt dieser Grundsatz nur für die Betriebskosten, nicht für
sonstige Nebenkosten (Bub/Treier aaO.). Denn insbesondere bei Heizkosten können im
Einzelfall Schwierigkeiten bei der Abrechnung bestehen, etwa wenn der Vermieter auf die
Zuarbeit von Wärmemessungen angewiesen ist. Dass solche Schwierigkeiten bestehen,
ist nicht ersichtlich.
Räumung
Die Klägerin hat keinen Räumungsanspruch aus §§ 546, 985 BGB.
Die Kündigung der Klägerin vom 19.7.2008 (Bl.15) hat das Mietverhältnis zwischen den
Parteien weder fristlos noch zur Zeit ordentlich beendigt.
Ein außerordentlicher Kündigungsgrund lag nicht vor. Aus der Beweisaufnahme hat sich
ergeben, dass der Beklagte den Wasserschaden im Bad der Wohnung dem hierzu
„Empfangsberechtigten“, dem Zeugen T., zwar nicht meldete, diesem jedoch der
Schaden aus eigener Anschauung zur Kenntnis gelangt ist. Denn er wohnt als
Hausmeister unter der Wohnung des Beklagten und entdeckte den Wasserschaden.
Angesicht dieses Umstandes, dass nämlich demjenigen, dem Mängel gemeldet werden
dürfen, wie der Geschäftsführer der Klägerin … in der mündlichen Verhandlung
einräumte, der Mangel bereits bekannt war, bedurfte es einer gesonderten Mitteilung
durch den Beklagten dann nicht mehr. Der Zeuge T. hatte dem Beklagten jedenfalls
belegbar nicht bestimmte Vorsichtsmaßnahmen nahegelegt, wie z.B. nicht mehr zu
duschen. Dies ganz unabhängig davon, dass dies überhaupt eine zulässige
Vorsichtsmaßnahme gewesen wäre. Denn zum einen ergab sich aus der Überprüfung
durch den Zeugen T. nun nicht, ob das Duschen Ursache für den Wasserschaden war.
Denn bei einer Begehung konnte der Zeuge T. nichts finden. Alles war trocken. Zum
anderen konnte die Klägerin dem Beklagten -außer für einen kurzen Zeitraum- nicht
ohne Zurverfügungstellung einer Abhilfemöglichkeit das Duschen für einen längeren
Zeitraum untersagen. Denn dem Beklagten mußte es weiter möglich sein, seinen Körper
zu reinigen.
Soweit dem Vorbringen der Klägerin im Prozeß weitere Kündigungsgründe zu entnehmen
sind, sind diese nicht geeignet eine außerordentliche Kündigung zu begründen. Denn
zwar mögen diese Gründe grundsätzlich (bei den bösen Beleidigungen im Internet, vgl.
Bl. 65 ist dies unzweifelhaft der Fall) zu einer fristlosen Kündigung berechtigen. Bei einer
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Bl. 65 ist dies unzweifelhaft der Fall) zu einer fristlosen Kündigung berechtigen. Bei einer
Kündigung von Wohnraum ist die Angabe der Kündigungsgrundes erforderlich und
Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. Palandt-Weidenkaff § 543 Randnr. 52; § 569 Randnr. 23;
Ehlert in Bamberger/Roth § 543 Randnr.52, dagegen wohl Erman-Jendrek, BGB, 12.
Auflage, § 573 Randnr. 33 unter fälschlichen Hinweis auf OLG Zweibrücken in ZMR 1981,
112). Auf diese Kündigungsgründe beruft sich die Klägerin aber bei ihrer Kündigung vom
15.7.2007 (Bl. 15) nicht.
Soweit die Klägerin auf „zahlreiche Verstöße gegen die Hausordnung“ in der
Kündigungserklärung vom 19.7.2007 verweist, reichen diese unkonkrete Verstöße nicht
aus, das Begründungserfordernis auszufüllen. Zwar dürfen an die Begründung keine zu
hohen Anforderungen und übertriebenen formalistischen Anforderungen gestellt werden
(vgl. Palandt aaO., § 569 Randnr.23), Es ist aber dennoch erforderlich, dass der wichtige
Grund durch Angabe der Tatsachen so ausführlich bezeichnet ist, dass er identifiziert
und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Der Kündigungsempfänger muß
damit den Vorwurf und seine Verteidigungsmöglichkeiten prüfen können (Palandt aaO.).
Dies ist aber bei einem Vorwurf „zahlreiche Verstöße gegen die Hausordnung“ nicht der
Fall. Soweit man auf das Schreiben vom 12.1.2007 (Bl. 17) als einen der zahlreichen
Verstöße abstellen wollte, kann dieses Verhalten nicht für eine Kündigung im Juli 2007
herhalten. Denn wer monatelang mit der fristlosen Kündigung abwartet, leidet offenbar
nicht unter der Vertragsverletzung (Ehlert in Bamberger/Roth § 543 Randnr. 54). Das
gleiche gilt für das Verhalten aus dem Schreiben vom 26.4.2007 (Bl. 18). Eine Kündigung
nach ca. 3 Monaten ist zu spät, unabhängig davon, dass der Kündigungsgrund nicht
konkret genug im Kündigungsschreiben angegeben ist. Soweit die Klägerin auf Vorfälle
aus dem Jahre 2006 verweist, gilt auch hier, dass eine Kündigung wegen Zeitablaufs
hierauf nicht (mehr) gestützt werden kann. Bei dem möglichen (außerordentlichen)
Kündigungsgrund „Beleidigung im Internet“ greift das Argument des Zeitablaufs nicht
ganz. Denn offenbar ist die Seite des Beklagten erst seit Mai 2008 „aktiv“. Hierbei
handelt es sich um einen nachträglich entstandenen Kündigungsgrund nach § 543 Abs.1
BGB (vgl. hierzu Palandt-Weidenkaff § 573 Randnr. 51 ff., Erman § 573 Randnr. 34,
Blank/Börstinghaus, Miete, Auflage 2000, § 564 Randnr. 30, Ehlert aaO. § 573 Randnr.
133). Die Zulassung nachträglich entstandener Gründe dürfte gesichert sein (vgl.
Palandt aaO.). In Betracht kommt der Fall, dass Kündigungsgründe anstatt einer hier
vorliegenden unwirksamen Kündigung (siehe oben) eine neue nach § 568 BGB
formgerechte Kündigung rechtfertigen. Allerdings greift dies nicht bei der hier
gegebenen außerordentlichen Kündigung wegen nachträglich entstandener
Kündigungsgründe (vgl. Blank aaO.). Hier hätte es einer neuer (gemäß § 568 BGB)
formgerechten Kündigungserklärung bedurft. Es ist nun nicht etwa das Vorbringen im
Schriftsatz vom 25.9.2008 so auszulegen, dass dort eine neue formgerechte
Kündigungserklärung zu entnehmen ist. Vielmehr stützt die Klägerin die bereits erfolgte
außerordentliche Kündigung auf weitere (z.T. neue) Gründe, wie sich aus der
Formulierung „ausweislich dieser Gesamtschau..die fristlose Kündigung des Beklagten
(richtig: der Klägerin) mithin wirksam ist“. Zudem hatte das Gericht über seine
Hinweispflicht nach § 139 ZPO hinaus auf diesem Kündigungsgrund auch in den
mündlichen Verhandlungen immer wieder hingewiesen und keinen Zweifel gelassen,
dass es diesen Kündigungsgrund, wenn er denn geltend gemacht würde, als begründet
ansehen würde. Wenn nun die Klägerin diesen Grund nicht zu einem Kündigungsgrund
erhebt, will sie das offenbar nicht.
Das Kündigungsschreiben vom 19.7.2007 konnte das Mietverhältnis aber auch als
ordentliche Kündigung nach § 573 BGB nicht zum Erlöschen bringen. In jedem Fall bei
der ordentlichen Kündigung ist die Angabe des Kündigungsgrundes
Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. Palandt-Weidenkaff § 573 Randnr. 47 f. und § 573 Abs.3
S.1, Erman aaO. § 573 Randnr.33, Ehlert in Bamberger/Roth § 573 Randnr. 124). Die
Klägerin kann als Kündigungsgrund gemäß § 573 Abs.2 Nr.1 BGB daher ebenfalls nur die
mangelnde Mitteilung des Wasserschadens vorbringen. Wie bereits ausgeführt, ist dem
Beklagten diesbezüglich aber kein Vorwurf zu machen. Zwar hätte die Klägerin u.U.
gemäß § 573 Abs.3 S.2 BGB andere (auch neue) Gründe nachschieben können. In
Betracht kommt als neuer Grund (vgl. Palandt § 573 Randnr. 51, Ehlert aaO. Randnr.
133) der „Internetauftritt“ des Beklagten mit den bösen Beleidigungen des Vermieters
… mit „mieser Ratte“. Dies hat sie aber trotz des (mittelbaren) Hinweises des Gerichts
im Beschluß vom 28.10.2008 nicht getan. Trotz der vielen Hinweise des Gerichts auch in
den mündlichen Verhandlungen, dass der Internetauftritt des Beklagten absolut
inakzeptabel ist und zu einer sofortigen Kündigung führen dürfte, hat die Klägerin diesen
Kündigungsgrund nicht zu einer fristgerechten Kündigung erhoben. Zudem hätte es
zumindest einer Erklärung der Klägerin bedurft, dass sie den Räumungsanspruch auch
hierauf stützt (Blank aaO.), unabhängig davon, dass zum Teil abgelehnt wird, dass
wirksame Kündigungsgründe nachträglich von Anfang an unwirksame Kündigungsgründe
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wirksame Kündigungsgründe nachträglich von Anfang an unwirksame Kündigungsgründe
ersetzen können (vgl. Erman aaO., § 573 Randnr. 34, Ehlert aaO. Randnr.134).
Selbst wenn man das Vorbringen im Schriftsatz vom 25.9.2008 als konkludente neue
Kündigung ansehen wollte (vgl. Erman aaO. Randnr. 34 a.E., wäre die Kündigungsfrist
von 9 Monaten (nach dem 25.9.2008) zum Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung am 13.1.2009 noch nicht abgelaufen.
Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286 ff. BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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