Urteil des AG Bernau vom 14.03.2017

AG Bernau: sachliche zuständigkeit, abrechnung, fälligkeit, heizöl, wiedereröffnung, rechnungsstellung, grundpreis, erbe, link, sammlung

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Gericht:
AG Bernau
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 C 1109/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 27 AVBFernwärmeV, § 315
BGB
Fernwärmelieferungsvertrag: Nachvollziehbarkeit und Fälligkeit
der Abrechnung bei Verwendung von Preisgleitklauseln
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn
nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Heizkosten für das Eigentumsobjekt
des Beklagten für die Abrechnungszeiträume 2005, 2006 und 2007 in Anspruch.
Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen, dass die Anlieger des Wohnparks
Zepernick, Am Mühlenberg, mit Fernwärme versorgt, in dem sich auch das
Eigentumsobjekt des Beklagten befindet. Die Eigentümer, so auch der Beklagte, zahlte
regelmäßig Vorauszahlungen, die bei Vorlage der Jahresabrechnung berücksichtigt
wurden. Ursprüngliche Vertragspartner waren auf Seiten der Klägerin, die Fa. ... (im
folgenden „...“). Die Klägerin und die Fa. ... schlossen am 29.7.2008 eine
Abtretungsvereinbarung. Auf Blatt 47 d.A. wird verwiesen. Auf Seiten des Beklagten war
weitere Vertragspartnerin die verstorbene Frau ... . Der Beklagte ist deren Alleinerbe.
Die Fa. ... belieferte den Beklagten mit Wärme. Dem Vertragsverhältnis liegt der
„Wärmelieferungsvertrag vom 23.3./18.3.2007“ zugrunde. Auf Blatt 5 ff. wird verwiesen.
Dem Wärmelieferungsvertrag ist beigefügt die Anlage 1. Auf Blatt 7 wird verwiesen.
Die ... erstellte am 20.2.2006 die Heizkostenabrechnung für den Zeitraum 1.1.2005 bis
31.12.2005. Es ergab sich ein Verbrauch von 2.339,22 €. Unter Berücksichtigung der
Vorauszahlungen von 1.560.- € ergab sich ein Rechnungsbetrag von 779,22 €. Auf Blatt
11 d.A. wird verwiesen. Die ... erstellte am 14.2.2007 die Heizkostenabrechnung für den
Zeitraum 1.1.2006 bis 31.12.2006. Es ergab sich ein Verbrauch von 2.842,39 €. Unter
Berücksichtigung der Vorauszahlungen von 1.560.- € ergab sich ein Rechnungsbetrag
von 1.282,39 €. Auf Blatt 12 d.A. wird verwiesen.
Die ... erstellte am 5.2.2008 die Heizkostenabrechnung für den Zeitraum 1.1.2007 bis
31.12.2007. Es ergab sich ein Verbrauch von 2.690,04 €. Unter Berücksichtigung der
Vorauszahlungen von 1.560.- € ergab sich ein Rechnungsbetrag von 1.130,04 €. Auf
Blatt 13 d. A. wird verwiesen. Für die Abrechnungsjahre 2003 und 2004 schlossen die
Parteien unter dem Aktenzeichen 11 C 528/04 einen gerichtlichen Vergleich vor dem
hiesigen Gericht. Auf Blatt 107 f. wird verwiesen.
Die Klägerin behauptet, die Abrechnungen seien nachvollziehbar.
Bei der Bezeichnung im Preisblatt vom 10.10.2004 unter Punkt B sei ihr ein
Übertragungsfehler unterlaufen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 3.191,65 € nebst Zinsen in Höhe
von je 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 1.4.2006 aus 779,22 €,
seit dem 1.4.2007 aus 1.282,39 € und seit dem 1.4.2008 aus 1.130,04 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Er ist ferner der Meinung, daß
die Heizkostenabrechnungen nicht nachvollziehbar seien. Die Preisveränderungen seien
entgegen der Erläuterungspflicht nicht erläutert worden. Zudem sei der Arbeitspreis
falsch ermittelt worden. Statt den Wert „Großhandelspreis für extra leichtes Heizöl ab
Lager bei Abnahme von mindestens 40 – 50 hl“, habe man den Erzeugerpreis für
leichtes Heizöl bei Lieferung in Tankkraftwagen an den Verbraucher 40 – 50 hl pro
Auftrag herangezogen. Zudem sei entgegen § 2 eine jährliche statt einer zweijährigen
Anpassung unzulässigerweise erfolgt. Den Abrechnungen seien Erläuterungen über die
eingestellten Preise nicht beigefügt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 24.2.2009 verwiesen.
Die Klägerin hat nach Schluß der mündlichen Verhandlung einen weiteren Klagantrag
gestellt. Auf Blatt 99 wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klagerweiterung im Schriftsatz vom 23.9.2009 ist unzulässig. Bei der
Klagerweiterung (bezogen auf die weiteren Rechnungen vom 5.2.2009, Blatt 100 und
102) handelt es sich um einen Sachantrag (Zöller-Greger § 282 Randnr. 2 a). Neue
Sachanträge fallen zwar nicht unter § 296 a ZPO, sind aber gleichwohl unzulässig, wenn
wie hier die mündliche Verhandlung bereits geschlossen war. Denn sie müssen
spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden (vgl. Zöller-Greger §
296 a Randnr. 2 a). Die mündliche Verhandlung war jedoch bereits geschlossen. Zwar
kann das Gericht die mündliche Verhandlung nach § 156 ZPO wieder eröffnen. Um eine
Verzögerung des Verfahrens zu vermeiden, wird es dies jedoch nur ausnahmsweise tun
(Zöller aaO.). Das Gericht hat keinen Anlaß zur Wiedereröffnung. Die Rechnungen vom
5.2.2009 waren der Klägerin als Ausstellerin bereits seit dem 5.2.2009 bekannt. Es ist
nun nicht ersichtlich, warum sie diese nicht bereits am 24.2.2009 in der mündlichen
Verhandlung bei der Antragstellung hätte berücksichtigen können.
Aus dem Schriftsatznachlaß für die Klägerin vom 24.2.2009 war nun nicht der Klägerin
eröffnet, die Klage zu erweitern, sondern auf den Schriftsatz vom 20.2.2009 und den
Erörterungen im Termin Stellung zu nehmen.
Zudem wäre die Klage vor dem Amtsgericht Bernau durch die Klagerweiterung um
2.338,29 € mit der bisherigen Forderung von 3.191,65 € deshalb unzulässig, weil die
sachliche Zuständigkeit wegen Überschreitens der Zuständigkeitssumme von 5.000.- €
(Gesamtforderung: 5.529,94 €) nach § 23 Nr. 1 GVG nicht gegeben wäre. Für eine dann
unzulässige Klage dürfte nun eine Wiedereröffnung der Verhandlung nur zur
Arbeitsvermeidung (Verweisung ohne Sachentscheidung an das Landgericht) beim
Amtsgericht nicht geeignet sein.
Eine streitwertunabhängige Zuständigkeit des Amtsgerichts ergibt sich auch nicht etwa
aus § 23 Nr. 2 a GVG. Denn die pp. ist nicht Vermieterin, die über Heizkosten abrechnet,
sondern Geschäftsbesorger. Dieses Vertragsverhältnis hat keinerlei Bezug zur
Wohnraummiete, wie dies aber § 23 Nr. 2 a GVG verlangt.
Auf die Frage, ob die Klägerin bezogen auf die Abrechnung vom 5.2.2009 aktivlegitimiert
ist, weil die Abtretung vom 29.7.2008 sich auf diese Rechnung nicht bezieht, braucht
angesichts des Vorstehenden nicht eingegangen werden.
Die Klage über den rechtshängigen Betrag von 3.191,65 € ist z.Zt. unbegründet. Die
Klägerin kann von dem Beklagten die Zahlung des Saldos aus den Jahresabrechnungen
2005, 2006 und 2007 aus § 675 BGB zur Zeit nicht beanspruchen.
Allerdings ist die Klägerin aktivlegitimiert. Zwar ist der „Wärmelieferungsvertrag“ nicht
zwischen den Parteien zustande gekommen. Allerdings ist der Beklagte unstreitig Erbe
der weiteren (verstorbenen) Vertragspartnerin Frau ... und die Klägerin ist
Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Vertragspartnerin, der Fa. ... Denn die Fa. ... hat
der Klägerin mit „Abtretungsvereinbarung“ vom 29.7.2008, vor Rechtshängigkeit der
Klage, die Forderungen gegen den Beklagten aus den Betriebskostenabrechnungen vom
20.2.2006, 14.2.2007 und 5.2.2008 abgetreten. Auf Blatt 47 wird verwiesen. Dass die
Abtretungsvereinbarung nicht wirksam sein sollte, ist nicht ersichtlich.
Der Saldo aus den Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2005 bis 2007 ist zur Zeit nicht
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Der Saldo aus den Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2005 bis 2007 ist zur Zeit nicht
fällig. Voraussetzung einer die Fälligkeit begründenden Abrechnung ist nach § 27 der
AVBFernwärmeV, welche gemäß Punkt 5 des Wärmelieferungsvertrages anwendbar sind,
nämlich, dass die Heizkostenabrechnungen gedanklich und rechnerisch für einen Laien
nachvollziehbar sein muß und den vereinbarten Abrechnungsmodi entsprechen. Dies
hatte das Landgericht Frankfurt/Oder bereits in seinem Beschluß vom 5.12.2005 Az: 6 a
S 145/05 ausgeführt. Das Amtsgericht hatte hierauf ausdrücklich in seinen Hinweisen in
der mündlichen Verhandlung vom 24.2.2009 hingewiesen. Der Kunde muß in der Lage
sein, den Anspruch des Wärmeversorgungsunternehmens nachzuprüfen. Deshalb muß
das Fernwärmeversorgungsunternehmen, wenn es aufgrund von Preisgleitklauseln
andere als die ursprünglich vereinbarten Grund-, Arbeits- und Messpreise ansetzt, deren
Zustandekommen auch erklären. Im Übrigen ergibt sich dieses Erfordernis auch aus der
ausdrücklichen Abrede in den Preisbestimmungen (Nr.3 auf Blatt 7): „Der Faktor und der
sich daraus ergebende Preis wird dem Abnehmer mit der Abrechnung für den jeweiligen
Abrechnungszeitraum bekanntgegeben.“ In den dem Gericht vorgelegten Abrechnungen
steht aber nichts weiter als die jeweils von der Fa. ... geforderten Grund-, Arbeits- und
Messpreise, und das sind nicht die vertraglich vereinbarten. Bereits in dem Verfahren 6 a
S 145/05 verwendete die seinerzeitige Klägerin, die FA. ..., die hier vorgelegten
Rechnungsarten. Sie hätte also spätestens seit Kenntnis des Beschlusses vom
17.5.2005 in der Sache 6 a S 145/05 auf eine transparente Rechnungsstellung für die
Zukunft umstellen können. Dies wäre zeitlich für die streitgegenständlichen Zeiträume
(Rechnungsdaten 2006 und Folgejahre) ohne weiteres möglich gewesen.
Die Heizkostenabrechnungen sind fehlerhaft:
Nach § 2 Nr.2 des Wärmelieferungsvertrages beginnt das Abrechnungsjahr am 1.1.
eines Jahres und endet am 31.12. des folgenden Jahres ( 2 –Jahreszeitraum). Trotz
dieser Regelung rechnet die Klägerin indes in den Heizkostenabrechnungen je für die
Zeit vom 1.1. bis 31.12. des Jahres, nicht des Folgejahres, ab (1 – Jahreszeitraum). Nach
§ 24 Abs.1 AVBF ist es nicht zulässig, dass der Versorgungsträger einseitig den Stichtag
für die Preisanpassung ändert. Vorliegend hatten die Parteien nämlich den Stichtag für
die Preisanpassung auf den 31.12. des Folgejahres festgelegt, gleichwohl hat die
Klägerin eine jährliche Preisanpassung vorgenommen, wie sich aus den
unterschiedlichen Preisen in den Jahresabrechnungen ergibt.
Die Nachvollziehbarkeit ergibt sich unabhängig von den vorstehenden Moniter nicht
aufgrund der mit Schriftsatz vom 23.3.2009 eingereichten „Preisgleitung“ als Anlage zur
Heizkostenabrechnung. Der Beklagte hat nämlich bestritten, dass den Abrechnungen
Erläuterungen beigefügt waren (Schriftsatz vom 8.1.2009 (Bl.30). Wenn die Klägerin
nunmehr vorträgt, dem Beklagten seien die Preisgleitung (Anlage 1 zur
Heizkostenabrechnung) beigefügt worden, ist dieser Vortrag nach dem zulässigen
Bestreiten des Beklagten bereits ohne Beweisantritt geblieben, unabhängig von der
Frage, ob dieser Vortrag nicht bereits verspätet ist.
Selbst wenn der Klägerin ein Beweis trotz des fehlenden Beweisantritts gelungen wäre
und die „Preisgleitung“ als Anlage 1 zur Heizkostenabrechnung 2005 beigefügt gewesen
wäre, ergibt sich hieraus keine Nachvollziehbarkeit. Es wären zwar die in der Abrechnung
2005 genannten Werte für den Grund-, Arbeits- und Messpreis in der Höhe von 4,57 €,
58,53 € und 121,04 € mitgeteilt worden. Der Rechenweg wie die Fa. ... dort hin kommt,
ist jedenfalls für einen Laien nicht nachvollziehbar. Selbst wenn man den Wert von 4,36 €
bei dem Grundpreis als alten Preis akzeptieren würde (obwohl nicht erläutert), ergibt sich
aus dem in der Anlage 1 (Bl. 104) dargelegten Rechenweg 4,36 (M:Mo) x 0,3 + (L:Lo) x
0,7) = 4,57 € der Betrag wie unten stehend erläutert nicht, sondern 4,534 €, gerundet
4,53 €. Bereits die Rechenformel ist schon eine Zumutung für einen Laien.
Aber auch aus der Erläuterung im Schriftsatz vom 23.3.2009, welche dem
Rechnungsempfänger ja bei der Rechnungsstellung nicht mitgeteilt wird, ist nicht
nachvollziehbar: (1,08 x 0,3) ergibt 0,324 nicht 0,33 auch dann nicht wenn man rundet.
Denn bis 4 wird nach rechnerischen Grundsätzen abgerundet, d.h. die Fa. ... hätte einen
Wert von 0,32 statt 0,33 ansetzen müssen. Die weitere Berechnung nach dem 3.
Spiegelstrich im SS vom 23.3.2009 ist rechnerisch in Ordnung, gleichwohl schwer
nachzuvollziehen.
4,534 €,
4,578 €.
Da bereits der Grundpreis 2005 falsch berechnet ist, sind die weiteren Abrechnungen
2006 und 2007, weil sie auf diesem Preis „aufbauen“, ebenfalls zur Zeit fehlerhaft.
Der Arbeitspreis von 58,53 €/Mwh soll sich nach der Formel D : DO ergeben. Dabei ist
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Der Arbeitspreis von 58,53 €/Mwh soll sich nach der Formel D : DO ergeben. Dabei ist
„D“ Heizöl nach der letzten Indexveröffentlichung mit dem Wert 39,18 und „Do“ 31,52
zum 31.12.2003. Dies ergibt indes nicht den Wert 58,53 €. Denn es ist unter
Zugrundelegung des Vorjahreswertes von 47,08 € wie folgt zu rechnen: 47,08 x ( 39,18 :
31,52)= 58,521, gerundet 58,52, nicht 58,5 3 €
Auch der Messpreis ist nicht nachvollziehbar. Nach der Formel der Fa. ... wäre der alte
Messpreis von 115,42 zugrunde zu legen. Die Formel lautet 115,42 x (1,08 x 0,3 + (1,03
120,61 €,
Selbst wenn man die dritte Stelle hinter dem Komma rundet, ergibt sich das Ergebnis
von 121,04 nicht. Überdies hätte die Fa. ... in diesem Fall Mitteilung machen müssen,
dass die dritte Stelle hinter dem Komma wegfällt oder gerundet werden muß.
Jedenfalls führen die vorstehenden Abweichungen zur mangelnden Fälligkeit der
Heizkostenabrechnungen. Es ist nun nicht vom Gericht zu erwarten, dass es aufgrund
der hier rechnerisch richtig ermittelten Werte für die Klägerin die Abrechnungen erstellt,
zumal ja noch streitig ist, ob die Fa. ... ihrer Erläuterungspflicht mit Übergabe der
Anlagen überhaupt nachgekommen ist (siehe oben).
Auf die weiteren Einwände des Beklagten muß angesichts des Vorstehenden nicht weiter
eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
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