Urteil des AG Bernau vom 27.05.2008

AG Bernau: wohnung, sittliche pflicht, auszug, bereicherung, trennung, einspruch, mietzins, mietvertrag, sorgerecht, lebenserfahrung

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Gericht:
AG Bernau
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 C 822/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 426 Abs 1 BGB, § 427 BGB, §
535 BGB, § 814 BGB
Wohnraummiete nichtehelicher Lebenspartner:
Ausgleichsanspruch des in der Wohnung verbleibenden Partners
nach Trennung
Tenor
1. Das Versäumnisurteil vom 27.05.2008 wird aufrechterhalten.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der
Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte aus Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch.
Die Parteien lebten in einer Lebensgemeinschaft. Sie haben einen gemeinsamen Sohn,
für den die Beklagte das alleinige Sorgerecht inne hat. Am 31.01.1998 schlossen die
Parteien einen gemeinsamen Mietvertrag über die Wohnung Fichtestrasse 3 in
Neuenhagen. Auf Blatt 15 ff. wird verwiesen. Sie kündigten den Mietvertrag zum
31.08.2004. Die Kaltmiete betrug 621,- € bzw. 620,90 € bei 86,25 qm und
mietvertraglich 2 Zimmern. Die Beklagte trennte sich von dem Kläger im Jahre 2003. Sie
verließ die Wohnung. Der Kläger zahlte den vollen Mietzins bis zum Mietende im August
2004.
Der Kläger wohnt nunmehr in einer 100 qm großen Wohnung und zahlt 574,00 € mit
Nebenkosten.
Die Beklagte hat vor dem Amtsgericht Bernau am 27.05.2008 ein Versäumnisurteil
gegen den Kläger erwirkt. Auf Blatt 119 wird verwiesen. Das Amtsgericht Bernau hat die
Klage abgewiesen.
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe für die Monate 2003, Dezember 2003, Februar
2004 und März 2004 lediglich 200,00 € auf die hälftige Kaltmiete gezahlt, im Übrigen
nicht.
Der Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil vom 27.05.2008 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.305,00 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 10.01.2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte behauptet, sie habe über die vom Kläger genannten Zahlungen den
hälftigen Mietzins bar bezahlt. Ferner habe sie weitere Ausgaben bestritten, die dem
Kläger anzurechnen seien. Sie erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit den verauslagten
Beträgen für die BVG-Umweltkarte sowie mit dem Wert von Möbeln, die sie während der
Partnerschaft angeschafft habe und die beim Kläger verblieben seien. Ferner wendet sie
Verjährung ein. Sie sei im November 2003 aus der Wohnung ausgezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist im Hinblick auf den erfolgreichen Wiedereinsetzungsantrag zulässig.
Auf Blatt 181 f. wird verwiesen.
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Der Einspruch ist aber unbegründet. Denn die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch aus Gesamtschuldnerausgleich gegen die Beklagte aus
§§ 426 Abs. 1 S. 1, 427 BGB.
Die Forderungen aus dem Jahre 2003 sind indes nicht verjährt.
Denn der Kläger hat am 27.12.2006, vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31.12.2006 nach
§§ 195, 199 BGB, einen Mahnbescheid beantragt. Auf den Aktenauszug nach § 696 Abs.
2 ZPO wird verwiesen. Allein die Beantragung des Mahnbescheides führte indes noch
nicht nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB zur Hemmung der Verjährung, sondern erst die
Zustellung. Jedoch konnte der Kläger grundsätzlich nach § 691 Abs. 2 ZPO die Wirkungen
der Hemmung bereits mit Einreichung des Mahnbescheidsantrages erzeugen. Die
spätere (als alsbaldige) Abgabe ist dabei unbeachtlich (Zöller-Vollkommer § 696 Randnr.
6).
Jedoch ist die Klage aus anderen Gründen unbegründet, so dass es auf die gegenteilig in
der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung des Gerichts zur Verjährung
nicht ankommt.
Grundsätzlich hat der nach Trennung in der Wohnung verbleibende Partner, hier der
Kläger, keinen Ausgleichsanspruch hinsichtlich der Mietzinsraten nach der Trennung (vgl.
OLG Brandenburg in NJW-RR 2007, 887 ff.; Paschke in WuM 2008, 59 f., 62). Es mag zwar
so sein, dass sich der Kläger um eine frühzeitige Auflösung des Mietverhältnisses beim
Vermieter kümmerte, wie sich dies aus der Vermieterbestätigung vom 27.04.2008 (Bl.
112) ergeben könnte. Hierauf stellte das OLG Brandenburg ebenfalls im letzten Absatz
seines Hinweisbeschlusses (NJW-RR 2007, 888) ab.
Jedoch ist auf die weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg abzustellen. In dem vom
OLG Brandenburg zu entscheidenden Fall handelte es sich zwar im Gegensatz um die
Parteien um getrennte Eheleute. Das ist aber bezogen auf das Mietverhältnis
unerheblich. Die Grundsätze gelten entsprechend, wenn - wie hier - beide Parteien
Vertragspartner des Mietvertrages waren (vgl. Paschke in WuM 2008, 59 ff., 61, 62).
Grundsätzlich muss nämlich der verbleibende Partner bei Auszug des anderen nach
gesellschaftlichen Grundsätzen diesen im Innenverhältnis von der Belastung mit den
Mietzinsansprüchen des Vermieters freistellen (Paschke aaO.). Etwas anderes gilt nur
dann, wenn die Alleinnutzung sich aus Sicht des verbleibenden Partners als eine Art der
aufgedrängten Bereicherung darstellt. Insoweit trägt der allein nutzende Partner für das
tatbestandliche Vorliegen einer aufgedrängten Bereicherung die vollständige
Darlegungs- und Beweislast. Hierzu fehlt es indes an ausreichendem Vorbringen des
Klägers. Erforderlich wäre ein mit nachvollziehbarem Tatsachenstoff unterlegtes
Vorbringen dergestalt, dass die Wohnung für den Kläger allein zu groß bzw. zu teuer war
und er deshalb kein Interesse am Behalt der Wohnung hatte (OLG Brandenburg aaO.).
Unabhängig vom mangelnden Vortrag des Klägers ergibt sich, dass der Kläger nach
Auszug aus der gemeinsamen Wohnung in eine sogar noch größere Wohnung (100 qm)
und teuere Wohnung (Bruttomiete: 814,00 €) einzog, so dass mit dem OLG Brandenburg
eine aufgedrängte Bereicherung gerade nicht anzunehmen ist. Die Mietkostensituation
hat sich für den Kläger nach Auszug aus der ehemals gemeinsamen Wohnung eher
verschlechtert.
Soweit der Kläger bestreitet, dass die Beklagte im November 2003 aus der
gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist und deshalb zur hälftigen Kostentragung
verpflichtet ist, greift dieser Einwand nicht. Auch wenn die Beklagte einen Schlüssel für
die ehemals gemeinsame Wohnung hatte, ändert dies nichts an dem Auszug aus der
Wohnung durch die Beklagte. Auch der Kläger räumt ja ein, dass die Beklagte dort nicht
mehr nächtigte. Zudem hätte der Kläger den Schlüssel von der Beklagten
herausverlangen können. Dies tat er offenbar nicht. Ferner ist zu berücksichtigen, dass
die Parteien einen gemeinsamen Sohn haben, der zeitweise - unstreitig - beim Kläger
verblieb. Da die Beklagte das alleinige Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn und
damit das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht hat, ist es nicht abwegig, dass sie - im
geduldeten Einverständnis mit dem Kläger- den Wohnungsschlüssel behält, da ihr Sohn
des öfteren auch über Nacht beim Kläger verblieb. Das gelegentliche Übernachten des
gemeinsamen Sohnes führt trotz des alleinigen Sorgerechts der Beklagten nicht zu ihrer
hälftigen Mietzinszahlungspflicht. Denn dadurch hat der Kläger seine eigene sittliche
Pflicht gegenüber seinem leiblichen Kind bzw. seine familienrechtlichen Pflichten, eher
Rechte, erbracht.
Soweit der Kläger meint, der Verbleib der Möbel der Beklagte begründe eine
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Soweit der Kläger meint, der Verbleib der Möbel der Beklagte begründe eine
entgeltpflichtige Mitbenutzung, greift auch dieser Einwand nicht. Denn es ist nicht
vorgetragen, welche Möbel dies sind. Möglicherweise waren dies - nach der allgemeinen
Lebenserfahrung - Möbel, die der Kläger zwingend mitnutzen musste und wollte, selbst
als die Beklagte ausgezogen war. Sofern der Kläger auf die verbliebenen persönlichen
Sachen (Kleidung) rekurriert, kann dies für eine entgeltpflichtige Mitnutzung ebenfalls
nicht herhalten. Denn der Kläger teilt nicht mit, in welchem Umfang diese Sachen bei
ihm verblieben. Es ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung jedenfalls nicht davon
auszugehen, dass der Mietgebrauch dadurch eingeschränkt war. Aus der
nachpartnerschaftlichen Sorgepflicht des Klägers gegenüber der Beklagten, wird man
annehmen können, dass er gewisse persönliche Gegenstände der Beklagten hat
aufbewahren müssen, ohne sie damit an den Mietkosten beteiligten zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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