Urteil des AG Berlin-Mitte vom 15.03.2017

AG Berlin-Mitte: neues vorbringen, betriebskosten, mietvertrag, aufrechnung, vermieter, nebenkosten, vollstreckung, abrechnung, kaution, umlegung

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Gericht:
AG Berlin-Mitte
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 C 84/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 27 Abs 1 Anl 3 Nr 17 BVO 2 , §
19 Abs 2 S 1 WoFG, § 305c BGB,
§ 389 BGB, § 535 BGB
Formularmäßiger Wohnraummietvertrag: Umlegung sog.
Doormankosten auf die Mieter
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Kläger waren Mieter, die Beklagte Vermieterin einer ... in der ... in 10178 Berlin. Das
Mietverhältnis begann am 15.02.2003 und endete am 31.01.2005. Unter der Überschrift
"Miete und Nebenkosten" heißt es in § 3 Abs. 3 am Ende: "Es wird ausdrücklich
vereinbart, dass die Kosten für den Doorman-Service (Concierge/Bewachung) vom
Mieter getragen und im Rahmen der Nebenkosten vom Vermieter abgerechnet werden."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Mietvertrag vom 10.01.2003, Bl. 4 – 9 d.
A., Bezug genommen.
Die Zinsabrechnung über die von den Klägern hinterlegte Kaution vom 31.10.2005
erbrachte einen Rückzahlungsbetrag von 1.566,74 Euro (Bl. 10 d. A.). Nach Aufforderung
durch den Mieterverein vom 28.11.2005 (Bl. 11 d. A.) zahlte die Beklagte nur 537,25
Euro davon an die Kläger. In Bezug auf den Rest erklärte sie die Aufrechnung unter
anderem mit Nachzahlungsforderungen aus den Nebenkostenabrechnungen für die
Jahre 2003 und 2004. Die Abrechnung für das Jahr 2003 (Bl. 38, 39 d. A.) ergab eine
Nachforderung von 491,16 Euro, die für 2004 einen Betrag von 530,23 Euro zu Lasten
der Kläger.
Die Kläger sind der Ansicht, die Aufrechnung der Beklagten sei unwirksam. Eine
Nachzahlungsforderung aufgrund der Nebenkostenabrechnungen sei nicht gegeben, da
die Kosten für den Pförtnerdienst (523,47 Euro in 2003 und 547,70 Euro in 2004) nicht
von ihnen geschuldet seien. Diese Kosten könnten nicht auf die Mieter umgelegt werden.
Umlagefähig seien an sonstigen Kosten im Sinne der Anlage 3 zu § 27 II. BV
Doormankosten nur dann, wenn ihre Einführung aufgrund der konkreten Verhältnisse vor
Ort geboten und erforderlich sei. Das sei hier nicht der Fall. Insbesondere liege ein
Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit vor, wenn jährlich ca. 80.000,00 Euro für
den Pförtnerdienst auf die Mieter abgewälzt würden. Da es keine "sonstigen
Betriebskosten" seien, könnten sie auch nicht mittels ausdrücklicher Mietvertragsklausel
auf die Mieter umgelegt werden. Die Vereinbarung im Mietvertrag sei außerdem
unwirksam, weil es sich um eine versteckte Klausel im Sinne von § 305 c BGB handele
und die Mieter mit der Überbürdung von Doormankosten nicht rechnen mussten.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 1.029,49 Euro zuzüglich fünf
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Kautionsrückzahlungsanspruch sei durch Aufrechnung erloschen.
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Sie ist der Ansicht, der Kautionsrückzahlungsanspruch sei durch Aufrechnung erloschen.
Wegen der Einzelheiten der Aufrechnung wird auf den Schriftsatz vom 06.06.2006,
Seiten 2 bis 3 (Bl. 21, 22 d. A.), Bezug genommen.
Wegen des weiteren gegenseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Den Klägern steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf
Zahlung der restlichen Kaution in Höhe von 1.029,49 Euro zu. Der ursprünglich
gegebene Anspruch ist durch Aufrechnung mit den Rückständen aus den
Nebenkostenabrechnungen 2003 und 2004 und anderer Nebenforderungen gemäß §
389 BGB erloschen.
Entgegen der Ansicht der Kläger war ein Anspruch der Beklagten aus den
Nebenkostenabrechnungen 2003 und 2004 in Verbindung mit § 535 BGB und dem
Mietvertrag gegeben. Die Kosten für den Doorman-Dienst sind umlagefähig.
Die Parteien haben in § 3 Abs. 3 des Mietvertrags vom 10.01.2003 die Umlegung der
Doormankosten wirksam vereinbart. Grundsätzlich fallen bei Wohnraummietverträgen
die Kosten eines Pförtnerdienstes als sonstige Betriebskosten unter Nr. 17 der Anlage 3
zum § 27 II. BV und können vereinbart werden, wenn es sich um den in den Nummern 1
bis 16 genannten vergleichbare Kosten handelt, d. h. wenn sie durch den
bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen,
Einrichtungen und des Grundstücks dem Vermieter laufend entstehen (vgl. § 19 Abs. 2
Satz 1 WoFG). Kosten der Bewachung, die – wie hier – objektbezogen sind, dienen auch
der Bewirtschaftung des Grundstücks, wenn es dem Vermieter nicht vorrangig um den
Schutz seines Eigentums geht (vgl. Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8.
Auflage, § 556 Rn. 213). Bei einem Pförtnerdienst dürfte es in erster Linie darum gehen,
die Sicherheit der Mieter zu erhöhen, unerwünschte Personen von ihnen fernzuhalten
und ihren Besitz zu schützen. Dafür, das dies vorliegend anders wäre, d. h. die
Interessen des Vermieters im Vordergrund stünden, haben die Kläger nichts
vorgetragen. Vielmehr ist aufgrund der exklusiven Innenstadtwohnlage von einem im
ausschließlichen Interesse der Mieter eingerichteten Doorman-Service und damit
grundsätzlicher Umlegbarkeit auszugehen.
Die Aufwendungen sind auch erforderlich.
Anders als in dem vom BGH im Beschluss vom 05.04.2005 (VIII ZR 78/04) behandelten
Fall sind hier keine neuen Betriebskosten im laufenden Mietverhältnis eingeführt worden,
sondern es ist von vornherein eine Umlage vereinbart worden, so dass nach Auffassung
des Gerichts davon auszugehen ist, dass die Parteien mit der ausdrücklichen
Vereinbarung etwaige Unklarheiten oder Zweifelsfragen ausräumen wollten. Zumindest
dürfte aber von einer Umkehr der Behauptungs- und Beweislast auszugehen sein. Denn
die Kläger als Mieter wussten von Beginn des Mietverhältnisses an, dass ein Doorman
vorhanden ist, und haben der Umlage der Kosten durch ihre Unterschrift unter dem
Mietvertrag zugestimmt. Warum die Kläger den Pförtnerdienst für nicht erforderlich bzw.
überflüssig halten, obwohl sie die Wohnung in Kenntnis des Vorhandenseins des
Doorman gemietet und außerdem ausdrücklich die Umlage im Vertrag vereinbart
haben, müssten sie schon konkreter vortragen. An einem substantiierten Vortrag hierzu
fehlt es.
Die Vereinbarung der Umlage im Mietvertrag ist wirksam. Die Klausel verstößt nicht
gegen § 305 c BGB, sie ist nicht überraschend. Das wäre der Fall, wenn sie nach den
Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so
ungewöhnlich wäre, dass die Kläger nicht damit zu rechnen brauchten.
Nach den Umständen konnten die Kläger mit der Umlage rechnen. Allein die Tatsache,
dass ein Pförtnerdienst vorhanden war, was den Klägern bei Abschluss des Mietvertrages
nicht verborgen geblieben sein dürfte, lässt schon den Schluss auf die Möglichkeit einer
Umlage der dafür entstehenden Kosten zu. Auch nach dem Erscheinungsbild des
Vertrages, insbesondere der systematischen Stellung der Klausel, ist nicht von
ungewöhnlichen Umständen auszugehen. Die Klausel befindet sich an der Stelle, an der
man sie erwarten würde, nämlich unter der Rubrik "Miete und Nebenkosten". Es war nicht
zu erwarten, dass der Posten gesondert in der Anlage, die den Wortlaut der Anlage 3 zu
§ 27 II. BV wiedergibt, aufgenommen ist. Dort sind nicht die im aktuellen Mietverhältnis
anfallenden Kosten genannt (dann wäre es in der Tat notwendig gewesen, auch die
Doormankosten ausdrücklich zu benennen), sondern es handelt sich lediglich um die
Wiedergabe des Gesetzeswortlauts – gewissermaßen als ein "Service" für den Mieter.
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Wiedergabe des Gesetzeswortlauts – gewissermaßen als ein "Service" für den Mieter.
Dass darin sich eine konkrete Zusatzvereinbarung befindet, war im Gegenteil gerade
nicht zu erwarten.
Die Tatsache, dass ein Pförtner/Concierge im Berliner Mietspiegel 2005 als
wohnwerterhöhendes Merkmal genannt ist, besagt nicht, dass ein Mieter davon
ausgehen kann, dass das Vorhandensein eines Pförtners ausschließlich bei der Höhe der
Nettokaltmiete Berücksichtigung findet, so dass die Nebenkostenklausel überraschend
wäre. Denn eine derartige Systematik im Zusammenhang mit der Orientierungshilfe
zum Mietspiegel ist nicht zwingend gegeben. Wäre dies der Fall, könnte ein Mieter auch
bei Vorliegen eines anderen wohnwerterhöhenden Merkmals immer erwarten, dass die
Betriebskosten für dieses Merkmal nicht umgelegt werden können (z. B. Aufzug,
moderne Entlüftung im Bad, Breitbandkabelanschluss).
Die Umlagefähigkeit der streitigen Kosten scheitert nicht daran, dass die Beklagte gegen
das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hätte. Zwar liegt hier kein Fall der Veränderung
von Betriebskosten vor, bei dem gemäß § 560 Abs. 5 BGB der Grundsatz der
Wirtschaftlichkeit zu beachten ist. Eine Kontrolle der Kosten kann aber analog dieser
Vorschrift auch bei der Frage erfolgen, ob bestimmte Betriebskosten umlagefähig sind
(vgl. Schmidt-Futterer a. a. O.). In Bezug auf eine Unwirtschaftlichkeit fehlt es hier an
substantiiertem Vortrag der Kläger. Diese hätten im Einzelnen darlegen müssen, woraus
sich die Unwirtschaftlichkeit ergibt (vgl. Schmidt-Futterer, § 560 Rn. 126). Allein der
Hinweis darauf, wie viel Geld im Jahr für den Pförtnerdienst bezahlt wird, reicht nicht aus.
Vielmehr hätten z. B. Kostenangebote anderer Firmen oder die Abrechnung eines
vergleichbaren Objektes mit Doorman eingereicht werden müssen, um den Einwand der
Unwirtschaftlichkeit zu untermauern.
Die von der Beklagten beantragte Schriftsatzfrist war nicht zu gewähren, da der
maßgebliche Schriftsatz der Kläger vom 14.06.2006 lediglich Rechtsausführungen und
kein neues Vorbringen enthält, § 283 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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