Urteil des AG Berlin-Mitte vom 31.03.2006

AG Berlin-Mitte: reparaturkosten, kostenvoranschlag, verkehrsunfall, klagerücknahme, kennzeichen, akte, abrechnung, werkstatt, laie, mahnung

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Gericht:
AG Berlin-Mitte
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
114 C 3060/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 249 BGB, § 287 ZPO
Schadenersatz bei Verkehrsunfall: Höhe der Kostenpauschale
des Geschädigten
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 661,26 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31. März 2006 zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 22 % und die Beklagte zu 78
% zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Beweisaufnahme, welche die Beklagte
vollumfänglich zu tragen hat.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von Schadensersatz aufgrund eines
Verkehrsunfalls vom 8. Juli 2004 gegen 12.25 Uhr am Hardenbergplatz/Löwentor in
Berlin.
Der Kläger war Eigentümer des Fahrzeugs Ford Escort mit dem amtlichen Kennzeichen
xxx. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des weiteren unfallbeteiligten Fahrzeugs
Mercedes Benz mit dem amtlichen Kennzeichen xxx.
Zum Unfall kam es, als der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs
rückwärts aus einem Parkhafen ausparkte, das neben den geparkten Fahrzeugen
stehende Klägerfahrzeug übersah und mit diesem an dessen Front rechts kollidierte. Die
Haftung der Beklagten für die Folgen des Verkehrsunfalls ist dem Grunde nach
unstreitig.
Der Kläger beziffert den ihm unfallbedingt entstandenen Schaden auf Grundlage des
eingeholten Gutachtens xxx vom 2. September 2004 (TÜV) auf Reparaturkosten in Höhe
von 644,69 Euro brutto bzw. 556,00 Euro netto. Des Weiteren macht er die Kosten für
den Gutachter in Höhe von 85,26 Euro geltend. Mit der Klage hat er zunächst eine
Kostenpauschale in Höhe von 25,00 Euro sowie Nutzungsausfallentschädigung von
insgesamt 87,00 Euro gefordert. Unter anteiliger Rücknahme im Hinblick auf
Mehrwertsteuer, Kostenpauschale und Nutzungsausfallentschädigung beziffert der
Kläger seinen Anspruch nunmehr wie folgt:
Der Kläger behauptet, der mit der Klage geltend gemachte Schaden sei unfallbedingt.
Die für den Kostenvoranschlag angefallenen Kosten des Sachverständigen xxx seien
angemessen und seien zur Bezifferung des Schadens notwendig, zumal der Kläger -
unbestritten- durch die Beklagte selbst zur Vorlage eines solchen Kostenvoranschlages
aufgefordert worden sei.
Der Kläger hat zunächst eine Klageforderung in Höhe von 843,22 Euro nebst Zinsen
verfolgt. Unter anteiliger Klagerücknahme beantragt er nunmehr,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 661,26 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Juli 2004 zu zahlen.
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Die Beklage beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, dass durch den Vorfall das klägerische Fahrzeug beschädigt
worden sei und dass die im Gutachten xxx aufgeführten Positionen durch den
streitgegenständlichen Verkehrsunfall verursacht worden seien. So habe sich am
Beklagtenfahrzeug lediglich ein 1 Zentimeter langer schwarzer Lackaufrieb von der
vorderen Abschlepphülse des Klägerfahrzeugs befunden, der weg zu polieren gewesen
sei. Der Kläger mache Vorschäden geltend, was sich aufgrund des eingeholten DEKRA-
Gutachtens, Sachverständiger xxx vom 23. November 2004 ergebe. Ein Vorschaden im
rechten Bereich der Fahrzeugfront des Klägerfahrzeugs sei nur mangelhaft beseitigt
worden. Aufgrund des geringen Schadensbildes sei es nicht erforderlich gewesen, ein
Sachverständigengutachten anfertigen zu lassen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 26. Januar 2007, Blatt 43 der
Akte, durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen xxx.
Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 5. Juli
2007, Blatt 58 ff. der Akte, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässig Klage ist überwiegend begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Ersatz des ihm anlässlich des
streitgegenständlichen Verkehrsunfalls entstandenen Schadens gemäß §§ 7, 17 StVG;
823, 249 BGB; 3 PflVG.
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Geschädigte muss grundsätzlich beweisen, dass die von ihm als unfallursächlich
vorgebrachten Schäden tatsächlich vorhanden und auf den Unfall zurückzuführen sind
(KG, Urteil vom 2. Juli 2007 -12 U 114/06-).
Dieser Nachweis ist dem Kläger gelungen. Ausweislich des eingeholten
Sachverständigengutachtens xxx, gegen dessen Feststellungen keine der Parteien
Einwendungen erhebt, sind die geltend gemachten Schäden gemäß Gutachten xxx im
kausalen Zusammenhang mit dem Anstoß des Mercedes Benz der Beklagtenseite bei
dem streitgegenständlichen Unfallereignis entstanden. Aus Art und Lage der Schäden
hat der Sachverständige xxx die Kollisionsstellung der Fahrzeuge zueinander
rekonstruiert und daraufhin festgestellt, dass es zwar zu keinem direkten Kontakt des
Beklagtenfahrzeugs mit dem rechten Scheinwerfer des Klägerfahrzeugs gekommen ist,
jedoch wurde der Frontstoßfänger bei dem Anstoß nach hinten gegen den Scheinwerfer
gedrückt. Dadurch kann es zum Verbiegen der Scheinwerferhalterung gegen das
Kühlergitterblech gekommen sein, wodurch sich auch nachvollziehbar die Deformation
des Kühlergitterblechs im Bereich des Schlossträgers erklären lässt. Da das
Beklagtenfahrzeug im Heckbereich eine bauartbedingte Hohlstruktursteifigkeit aufweist,
ist es auch nicht zwingend erforderlich, dass dort anstoßbedingt erkennbare Lack- bzw.
Materialbeschädigungen entstanden sind. Anzeichen für reparierte bzw. teilweise oder
mangelhaft reparierte Vorschäden im Frontbereich des Ford Escort hat der
Sachverständige xxx auch bei seiner Besichtigung nicht erkennen können. Von einem
unsachgemäß reparierten Vorschaden im Schadensbereich ist daher nicht auszugehen.
Das Gericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen xxx
an.
Danach ergibt sich, dass die klägerseits geltend gemachten Schäden sämtlichst
unfallbedingt sind. Der Kläger kann Reparaturkosten in Höhe von 556,00 Euro netto,
Gutachterkosten in Höhe von 85,26 Euro sowie eine Kostenpauschale in Höhe von 20,00
Euro, insgesamt 661,26 Euro, mit Erfolg gegenüber der Beklagten geltend machen.
Der Kläger hat auch Anspruch auf die Kosten des Sachverständigengutachtens in Höhe
von 85,26 Euro.
Vorliegend wurde tatsächlich kein Kostenvoranschlag, sondern ein
Sachverständigengutachten des Sachverständigen xxx, beschäftigt offensichtlich beim
TÜV, eingeholt.
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Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden
unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden
Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des
Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Für die Frage der
Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des
Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Demnach kommt es darauf
an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen
Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten
erachten durfte. Der später ermittelte Schadensumfang kann hierfür ein Gesichtspunkt
sein, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass dem Geschädigten zum maßgeblichen
Beurteilungszeitraum der Begutachtung die Höhe des Schadens gerade nicht bekannt
ist (vgl. BGH, NJW 2005, 356).
Im vorliegenden Fall bewegen sich die für das Klägerfahrzeug entstehenden
Reparaturkosten von 556,00 Euro netto bzw. 644,96 Euro brutto durchaus in einem
Bereich, bei dem von einem Bagatellschaden noch ausgegangen werden kann. Indes
durfte der Kläger insbesondere auf Grundlage des Schreibens der Beklagen vom 24.
August 2004 davon ausgehen, dass ihm zur Schadensermittlung erforderliche Kosten
ersetzt werden würden. Mit diesem Schreiben wird der Kläger aufgefordert,
Schadensfotos einzureichen, die hierfür anfallenden Kosten würden übernommen. In
einem weiteren Absatz des Schreibens wird zur Übersendung eines
Kostenvoranschlages aufgefordert. Wird vom Empfängerhorizont des Klägers
ausgegangen, dann durfte dieser annehmen, dass ihm Schadensermittlungskosten
ersetzt würden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger in irgendeiner Weise eine
erhebliche Erfahrung bei der Abrechnung von Unfallschäden nach einem Verkehrsunfall
hätte. Ein Laie in diesen Dingen wird aber nicht zwischen Kosten eines
Kostenvoranschlages, die regelmäßig bei Reparatur von der Werkstatt verrechnet
werden, und den Kosten eines Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die
Erstattungsfähigkeit differenzieren. Dies gilt zumal dann, wenn die Kosten des
Gutachtens gering ausfallen, mit der Höhe der Kosten für einen Kostenvoranschlag also
vergleichbar sind. Im Übrigen kommt hinzu, dass die Einholung des Gutachtens für den
Kläger offensichtlich erforderlich war, schließlich streiten die Parteien im hiesigen
Rechtsstreit genau darüber, ob dem Kläger unfallbedingte Schäden entstanden sind.
Der Zinsanspruch ist begründet gemäß §§ 286, 288, 247 BGB. Dem Kläger waren
lediglich Rechtshängigkeitszinsen zuzusprechen. Eine verzugsbegründende Mahnung ist
nicht ersichtlich. Zinsen gemäß § 849 BGB fallen nicht an. Die Vorschrift legt fest, dass
dann, wenn bei Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer
Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, Zinsen auf den zu ersetzenden Betrag von
dem Zeitpunkt an verlangt werden können, welcher der Bestimmung des Wertes
zugrunde gelegt wird. Im vorliegenden Fall macht der Kläger aber keinen
Schadensersatzanspruch im Hinblick auf eine endgültig verbleibende Einbuße an
Substanz und Nutzbarkeit der Sache geltend, sondern er rechnet auf
Reparaturkostenbasis ab.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3, 708 Nr.
11, 711 ZPO. Es war vorliegend sachgerecht, der Beklagten ausnahmsweise die vollen
Kosten der Beweisaufnahme aufzuerlegen, da sie insoweit vollumfänglich unterlegen ist.
Der Kläger unterliegt nur im Hinblick auf einen Teil des geltend gemachten
Zinsanspruchs und im Hinblick auf die anteilige Klagerücknahme. Die Rücknahme
erfolgte vor der Beweiserhebung, so dass es nicht sachgerecht ist, den Kläger an den
Kosten derselben zu beteiligen.
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