Urteil des AG Berlin-Mitte vom 13.03.2017

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Gericht:
AG Berlin-Mitte
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 C 462/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 555 BGB
Vertragsstrafeversprechen im Wohnraummietvertrag:
Abgeltungsklausel für Laminatboden bei vorzeitiger Beendigung
des Mietverhältnisses
Tenor
1.
2.
3.
Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent
des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz von Kosten für in einer Mietwohnung
verlegten Laminatbodenbelag.
1.
a)
Die Klägerin als Vermieterin und die Beklagte als Mieterin schlossen unter dem 24.
November 2004 einen Mietvertrag über die Wohnung im Hause ..., 2. Obergeschoss
Mitte, ... (Anlage K 1).
In dieser Wohnung war bei Abschluss des vorerwähnten Vertrages ein
Teppichbodenbelag vorhanden. Die Klägerin verlegte in dieser Wohnung sodann
Laminatbodenbelag.
b)
Nach § 2 Ziffer 1.a. dieses Mietvertrages begann das Mietverhältnis am 01. Dezember
2004, lief auf unbestimmte Zeit und konnte unter Einhaltung der gesetzlichen
Kündigungsfrist von drei Monaten (die für beide Vertragsteile verbindlich sein sollte)
gekündigt werden.
c)
§ 23 Nummer 2 des Mietvertrages (Anlage K 1), der auch von der Beklagten
unterschrieben worden war, enthielt folgende Regelung:
d)
Das Mietverhältnis endete aufgrund der Einigung zwischen den Parteien des
Rechtsstreites zum Ablauf des 30. April 2006.
Die Klägerin vermietete die streitgegenständliche Wohnung ab dem 01. Mai 2006 an
eine neue Mieterin.
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e)
Mit Schreiben ihrer Hausverwaltung vom 02. Mai 2006 forderte die Klägerin die Beklagte
vergeblich auf, sich an den Kosten für die Laminatbodenverlegung mit einem Betrag
992,65 Euro (= (1.880,81 Euro : 36 Monate) x 19 Monate bis zum vorgesehenen
Vertragsablauf am 30. November 2007) zu beteiligen (Anlage K 3).
2.
Klägerin
Teppichbodenbelag in der streitbefangenen Wohnung befunden. Der Laminatbodenbelag
sei nur auf den (speziellen) Wunsch der Beklagten verlegt worden, wofür ihr Kosten in
Höhe von insgesamt 1.880,81 Euro entstanden seien. Sie ist des Weiteren der
Auffassung, dass die entsprechende "Abgeltungsregelung" in § 23 Nummer 2 (Satz 3)
des Mietvertrages (Anlage K 1) wirksam sei, insbesondere verstoße sie weder gegen §
573c Absatz 1 BGB noch gegen § 555 BGB.
Klägerin
die Beklagte wird verurteilt, an sie 992,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2006 zu zahlen.
Beklagte
die Klage abzuweisen.
Beklagte
Laminatbodenbelag zu versehen, weil sie – die Beklagte – die Wohnung ansonsten nicht
gemietet haben würde. Dabei sei nicht davon die Rede gewesen, dass sie – die Beklagte
– sich an den Kosten für den Laminatbodenbelag beteiligen soll. Die "Abgeltungsklausel"
in § 23 Nummer 2 (Satz 3) des Mietvertrages (Anlage K 1) sei erst in dessen schriftlicher
Fassung enthalten gewesen, der ihr erst eine Woche vor dem geplanten Einzugstermin
am 01. Dezember 2004 zugeleitet worden sei und die die Klägerin auch auf Nachfrage
nicht habe fallen lassen wollen. Der Zeuge P VON K, auf dessen Vermittlung hin sie auf
die streitgegenständliche Wohnung aufmerksam geworden sei, habe sie aber beruhigt
und ihr versprochen, wenn sie bei einem vorzeitigen Auszug einen Nachmieter stelle, der
die Mietvertragskonditionen unverändert übernehme, würde die vorgesehene
"Abstandzahlung" entfallen. Aufgrund dieser Zusage habe sie sich – auch zur
Vermeidung ihrer Obdachlosigkeit zum Zeitpunkt der Beendigung ihres alten
Mietvertrages am 30. November 2004 – entschlossen, den ihr so vorgelegten
Mietvertrag dann doch zu unterschreiben. Im Übrigen ist die Beklagte der Auffassung,
dass § 23 Nummer 2 (Satz 3) des Mietvertrages unwirksam sei, weil er eine
Verlängerung der ihr zustehenden gesetzlichen Kündigungsfrist von drei Monaten zu
ihrem Nachteil sowie ein unzulässiges Vertragsstrafeversprechen enthalte.
3.
Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie
das gerichtliche Protokoll vom 14. November 2006 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage war abzuweisen, weil sie unbegründet ist.
1.
Der Klägerin steht ein in der Hauptsache geltend gemachter Zahlungsanspruch gegen
die Beklagte (in Höhe von 992,65 Euro) unter keinem rechtlichen Aspekt zu.
a)
Ein solcher folgt insbesondere nicht aus § 23 Nummer 2 Satz 3 des Mietvertrages vom
24. November 2004 (Anlage K 1) in Verbindung mit § 311 Absatz 1 BGB.
Die in diesem Teil des Mietvertrages enthaltene "Abgeltungsklausel", wonach die
Beklagte als Mieterin an die Klägerin als Vermieterin einen Anteil an den Kosten der
Laminatbodenverlegung zu tragen hat, wenn das Mietverhältnis "auf ihren Wunsch" vor
Ablauf von drei Jahren endet, ist nämlich als selbständiges Vertragsstrafeversprechen
der Beklagten an die Klägerin anzusehen und nach § 555 BGB unwirksam.
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(1)
Eine Vereinbarung, durch die sich der Vermieter eine Vertragsstrafe vom Mieter
versprechen lässt, ist unwirksam (§ 555 BGB).
So liegt es hier:
(a)
§ 555 BGB will den Mieter von Wohnraum vor zusätzlichen Belastungen schützen, die ihn
gegenüber dem Vermieter zur Einhaltung eines bestimmten Verhaltens durch
entsprechende Nachteile anhalten sollen, unter Anderem von gesetzlichen oder
vertraglich übernommenen Pflichten (vergleiche
, ZMR 1990, 270 mit weiteren Nachweisen; , in: Schmidt-Futterer,
Mietrecht, 8. Auflage (2003), § 555, Randnummer 4 mit weiteren Nachweisen;
, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Auflage (2006), § 555,
Randnummer 1).
(b)
Die streitbefangene Klausel in § 23 Nummer 2 Satz 3 des Mietvertrages (Anlage K 1)
selbständiges Strafversprechen
Beklagten zugunsten der Klägerin im Sinne des § 343 Absatz 2 BGB dar, das auch unter
§ 555 BGB fällt.
(aa)
Mit einem selbständigen Strafversprechen verspricht der Schuldner dem Gläubiger eine
Zahlung für den Fall, dass er eine Handlung vornimmt, ohne dass dem Gläubiger eine
durchsetzbare Handlungs- oder Unterlassungsverpflichtung zusteht (vergleiche
, NJW 1982, 759; , in: Schmidt-Futterer, am angegebenen Ort, §
555, Randnummer 3; , in: Palandt, am angegebenen Ort, Vorbemerkung vor
§ 339, Randnummer 4 mit weiteren Nachweisen).
(bb)
So liegt es hier: Unabhängig davon, ob es rechtlich zulässig beziehungsweise wirksam
war, die (zunächst in § 2 Ziffer 1a. des Mietvertrages) auf unbestimmte Zeit laufende
Vertragsdauer in § 23 Nummer 2 Satz 2 des Mietvertrages auf mindestens drei Jahre
festzulegen, hatte die Klägerin ohne die "Abgeltungsklausel" in § 23 Nummer 2 Satz 3
des Mietvertrages keinen Anspruch gegen die Beklagte, sich (vor Ablauf dieser
Mindestdauer) an den Laminatverlegekosten zu beteiligen: Denn die Ausstattung mit
diesem Bodenbelag war schlichtweg der von der Klägerin geschuldete vertragliche
Zustand der Mietsache (§ 535 Absatz 1 Satz 2 (in Verbindung mit § 549 Absatz 1) BGB).
Dann aber ist die Beklagte wegen § 23 Nummer 2 Satz 3 des Mietvertrages bei
(vorzeitiger) ordentlicher Kündigung des Mietvertrages durch sie mit Wirkung vor Ablauf
von drei Jahren seit Mietbeginn neben der dadurch keineswegs entfallenden
Mietzahlungsverpflichtung bis zum Ende dieser drei Jahre (§ 542 Absatz 2 (in Verbindung
mit § 549 Absatz 1) BGB) auch noch mit den hier gegenständlichen
Laminatverlegekosten belastet – und somit mehr, als sie der Klägerin nach dem Gesetz
schuldet. Dies gilt nach § 23 Nummer 2 Satz 3 des Mietvertrages selbst dann, wenn –
Einigung
der immerhin auch die Zustimmung ("Wunsch") der Beklagten als Mieterin im Sinne von
§§ 23 Nummer 2 Satz 3 des Mietvertrages; 311 Absatz 1 BGB gehört – vor Ablauf von
drei Jahren seit Mietbeginn beendet und die Wohnung im unmittelbaren Anschluss von
der Klägerin wieder anderweitig vermietet wird. Wäre § 23 Nummer 2 Satz 3 des
Mietvertrages wirksam, würde die Beklagte der Klägerin deren wohnwerterhöhende
Investition selbst dann (anteilig) finanzieren, wenn die Klägerin von dem Nachfolgemieter
wegen dieser Ausstattung eine höhere Miete verlangen kann. Dies verstößt aber auch
gegen das gesetzliche Leitbild aus § 535 Absatz 1 (in Verbindung mit § 549 Absatz 1)
Vermieter
Zustand und dessen Aufrechterhaltung während der Mietzeit verantwortlich ist – was von
dem Gesetzgeber durch die gegenüber dem bisherigen Wortlaut unangetasteten
Fassung durch das Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 (Bundesgesetzblatt I
2001, 1149 ff.) noch bestärkt worden ist (§ 307 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Nummer 1
BGB).
Dazu kommt, dass diese Klausel ganz am Ende des sehr umfangreichen und von der
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Dazu kommt, dass diese Klausel ganz am Ende des sehr umfangreichen und von der
Klägerin gestellten Vertragswerkes unter der lapidaren Überschrift "Sonstige
Vereinbarungen" steht. Mit einer solchen "Abgeltungsklausel" brauchte die Beklagte an
dieser Stelle aber wegen der überraschenden Wirkung nicht (mehr) zu rechnen (§ 305c
Absatz 1 BGB)) – zumal eine solche bei der Regelung der Mietzeit in § 2 oder in § 13 bei
"Gebrauch und der Pflege der Mieträume, Schönheitsreparaturen" zu erwarten gewesen
wäre. Desgleichen war auch widersprüchlich und somit intransparent (§ 307 Absatz 1
§ 2 Ziffer 1.a.
unbestimmte
krassen
Gegensatz
drei Jahre
(2)
Diese Auffassung des Gerichtes wird auch nicht durch die Einwendungen der Klägerin
geändert.
Zum Einen handelt es sich bei § 23 Nummer 2 Satz 3 des Mietvertrages (Anlage K 1)
nicht
Satz 2 BGB, sondern – wie bereits gezeigt (siehe oben, Ziffer II. 1. a) (1) (b)) – um ein
selbständiges
(in: GE 2003, 594) kann ihr auch nicht behilflich sein, weil
selbständigen
Absatz 2 BGB weder erwähnt, geschweige denn – wie hier – geprüft hat, ob sie dem
Anwendungsbereich des § 555 BGB unterfällt.
Zum Anderen ist es für die rechtliche Beurteilung, ob § 23 Nummer 2 Satz 3 des
Mietvertrages (Anlage K 1) gemäß § 555 BGB unwirksam ist, auch unerheblich, ob der
Laminatbodenbelag nur auf den Wunsch der Beklagten und trotz eines angeblich
ordnungsgemäßen Teppichbodenbelages in der streitbefangenen Wohnung verlegt
worden ist: Denn auf wessen Initiative hin letztendlich die "Gegen"-Leistung – wie die
Klägerin die Laminatverlegung zutreffend bezeichnet – vereinbart worden ist, deren
wirtschaftliche Amortisation durch das selbständige Vertragsstrafeversprechen im
Ergebnis abgesichert werden soll (§ 343 Absatz 2 BGB), ist nicht relevant.
Schließlich ist es ebenfalls ohne Belang, ob diese Klausel nach der – unsubstanziierten –
Behauptung der Klägerin (im Sinne des § 305 Absatz 1 Satz 3 BGB) "ausgehandelt"
worden ist oder nicht, weil sich deren Unwirksamkeit eben nicht (ausschließlich) nach den
§§ 307 ff. BGB bemisst, sondern nach § 555 BGB, der nach seinem Wortlaut auch für
Individualvereinbarungen gilt.
b)
Des Weiteren kann die Klägerin von der Beklagten auch nicht Zahlung aus §§ 812 Absatz
1 Satz 1, 1. Fall; 818 Absatz 2 BGB verlangen.
(1)
Wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur
Herausgabe verpflichtet (§ 812 Absatz 1 Satz 1, 1. Fall BGB). Ist dem Empfänger die
Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich, so hat er dessen
Wert zu ersetzen (§ 818 Absatz 2 BGB).
(2)
Dies ist hier aber nicht der Fall: Die Klägerin hat der Beklagten in § 23 Nummer 2 Satz 1
des Mietvertrages (Anlage K 1) versprochen, Laminatbodenbelag in der
streitbefangenen Wohnung zu verlegen – folglich mit Rechtsgrund im Sinne des § 812
Absatz 1 Satz 1, 1. Fall BGB. Im Übrigen stand diese Wohnung auch in ihrem Eigentum
und nicht in demjenigen der Beklagten.
c)
Andere Anspruchsgrundlagen, die der Klägerin in der Hauptsache zum Erfolg verhelfen
könnten, sind nicht ersichtlich.
2.
Der geltend gemachte Zinsanspruch steht der Klägerin ebenfalls nicht zu, weil ihr gegen
die Beklagte ein entsprechender Geldzahlungsanspruch in der Hauptsache im Sinne der
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die Beklagte ein entsprechender Geldzahlungsanspruch in der Hauptsache im Sinne der
§§ 288 Absatz 1 Satz 1; 291 Satz 1 BGB nicht zur Seite steht (siehe oben, Ziffer II. 1.).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 Satz 1, 1. Halbsatz ZPO, diejenige zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nummer 11, 2. Fall; 711 (in
Verbindung mit § 511 Absatz 2 Nummer 1 ZPO).
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