Urteil des AG Aachen vom 31.10.2006

AG Aachen: heizöl, widerklage, aufrechnung, verschulden, schmerzensgeld, tankanlage, vollstreckbarkeit, pumpe, austritt, einzelrichter

Amtsgericht Aachen, 10 C 160/06
Datum:
31.10.2006
Gericht:
Amtsgericht Aachen
Spruchkörper:
Einzelrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 C 160/06
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.856,58 € zuzüglich Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem
24. 2. 2006 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits sowie die außergerichtlichen Kosten der
Klägerin hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
voll-streckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Beklagte, ein niedergelassener Arzt, bestellte bei der Klägerin für seine
Praxisräume in I Heizöl, welches ihm am 17. 1. 2005 geliefert wurde. Hierbei kam es zu
einem Austritt von Öl. Die Parteien streiten über die Verantwortlichkeit hierfür sowie über
die sich hieraus ergebenen Konsequenzen.
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Die Klägerin meint, ihrem eingesetzten Mitarbeiter, dem Zeugen W Verpflichtungen, sei
kein Fehlverhalten vorzuwerfen. Der Beklagte habe deshalb das erworbene Heizöl auch
zu bezahlen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.856,58 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 24. 2. 2006 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Ansicht, der Ölaustritt sei von dem Zeugen W zu verantworten. Deshalb sei die
Klägerin ihrerseits verpflichtet, ihm verschiedene Schadensersatzforderungen
auszugleichen, mit welchen er teilweise gegen die Klageforderung die Aufrechnung
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erkläre und welche er im restlichen Umfang im Weg der Widerklage geltend mache
(Spezifizierung: Bl. 24 ff d. A.).
Widerklagend beantragt der Beklagte,
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die Klägerin zu verurteilen, an ihn 539,58 € sowie ein
angemessenes Schmerzensgeld, jeweils nebst 5 %-Punkte
Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. 5. 2005, zu zahlen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Das Gericht hat im Termin vom 22. 8. 2005 Beweis erhoben. Hinsichtlich des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 146 ff. d. A.)
verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
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Dem Kläger steht gegen den Beklagten der mit der Klage geltend gemachte
Kaufpreisanspruch zu, und zwar aus § 433 BGB. Der Beklagte hat unstreitig bei der
Klägerin 4.677 Liter Heizöl zum Preis von 1.856,58 € erworben (Bl. 44 d. A.).
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Diese Forderung ist nicht durch die erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen
erloschen. Diese Gegenforderungen bestehen nämlich nicht. Der Beklagte kann von der
Klägerin weder materiellen noch immateriellen Schadensersatz verlangen, da sie an
den von ihm reklamierten Schäden kein Verschulden trifft (§ 280 BGB).
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Die Beweisaufnahme hat insbesondere kein gemäß § 278 BGB der Klägerin
anzurechnendes Fehlverhalten ihres Auslieferungsfahrers, des Zeugen W
Verpflichtungen, erbracht. Dieser hatte, nachdem er das Freigabesignal des von ihm
angeschlossenen Grenzwertgebers der Öltanks des Beklagten wahrgenommen hatte,
mit dem Befüllen dieser Tanks begonnen. Dabei hat er sich durchgehend entweder im
Keller bei den Tanks oder bei dem Tankwagen auf der Straße aufgehalten, um den
ordnungsgemäßen Verlauf des Tankvorgangs zu überprüfen. Die Behauptung des
Beklagten, der Zeuge W Verpflichtungen habe sich während des Tankvorgangs längere
Zeit mit Passanten unterhalten und damit das eigentliche Betankungsgeschehen aus
den Augen verloren, ist durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. Die insoweit
von dem Beklagten selbst benannten Zeuginnen S und W1 konnten zu diesem
Gesichtspunkt keine Angaben machen. Demgegenüber bekundete der Zeuge W
Verpflichtungen glaubhaft, er habe lediglich kurz mit einem Passanten gesprochen, der
ihn nach dem aktuellen Heizölpreis gefragt habe. Insgesamt ist der Zeuge W
Verpflichtungen deshalb mit seinen nahezu ungebrochenen Kontrollgängen zum Tank
bzw. zum Tankwagen seinen Sorgfaltspflichten als Heizölauslieferer nachgekommen
(vgl. OLG Zweibrücken SVR 2004, 279; LG Detmold SVR 2006, 33).
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Nachdem die beklagtenseits bestellten 3.000 Liter Heizöl beanstandungsfrei in die
Tanks geflossen waren, bat der Beklagte darum, die offensichtlich erst zu ¾ gefüllten
Anlagen weiter zu füllen. Bei diesem zweiten Füllvorgang kam es dann zum Überlaufen
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der Tanks, welches der Zeuge W Verpflichtungen, wie er glaubhaft bekundete,
unmittelbar – und damit sorgfaltsgerecht - nach seiner entsprechenden Feststellung
durch Abschalten der Pumpe am Tankwagen abbrach.
Ursache für dieses Austreten von Heizöl war, dass der Grenzwertgeber der Tankanlage
der Beklagten zwar bei Beginn des Füllvorgangs "die Freigabe erteilte", aber dennoch
nicht richtig funktionierte; er wies eine zu geringe Aufheizzeit auf und schaltete deshalb
den Überlauf zu spät ab. Dies ist unstreitig und wird auch von dem Sachverständigen
Dipl.-Biol. C bestätigt, dessen vorgerichtliches Gutachten von dem Beklagten selbst
eingebracht worden ist (Bl. 26 ff. d. A.). Der Sachverständige C empfahl dem Beklagten
in seinem Gutachten daher ausdrücklich einen Austausch des defekten
Grenzwertgebers (Bl. 43 d. A.).
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Entgegen der Ansicht des Beklagten durfte sich der Zeuge W Verpflichtungen darauf
verlassen, dass der einmal aktivierte Grenzwertgeber auch korrekt funktioniert. Jegliche
darüberhinaus gehenden Anforderungen würden dem Zeugen W W Verpflichtungen
auferlegen, welche er vor Ort gar nicht erfüllen kann (vgl. OLG Köln NJW-RR 1994,
1510; LG Detmold SVR 2006, 33).
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Damit bleibt es dabei, dass dem Zeugen W Verpflichtungen bezüglich des streitigen
Ölaustritts kein schuldhaftes Fehlverhalten vorgeworfen werden kann.
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Im Übrigen kommen Schadensersatzansprüche des Beklagten aus den
Gefährdungshaftungsnormen der § 7 Abs. 1 StVG (vgl. hierzu OLG Frankfurt/Main SVR
2006, 340) bzw. § 2 HaftpflichtG (vgl. hierzu OLG Köln a. a. O.) mangels Vorliegens der
Tatbestandsvoraussetzungen nicht in Betracht.
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Damit bedürfen die einzelnen Schadensersatzpositionen des Beklagten keiner näheren
Prüfung mehr.
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Die klägerische Zinsforderung ist gerechtfertigt nach §§ 286, 288 BGB.
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Die Widerklage ist aus den vorgenannten Gründen als nicht begründet abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die
Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Streitwert: 3.395,96 € (§ 45 Abs. 1 GKG; Schmerzensgeldforderung: 1.000 €).
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Dr. Quarch
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