Urteil des AG Aachen vom 22.11.2007

AG Aachen: gas, widerrufsrecht, rücksendung, willenserklärung, fernabsatzvertrag, unternehmer, ware, vollstreckung, rückabwicklung, wasser

Amtsgericht Aachen, 112 C 124/07
Datum:
22.11.2007
Gericht:
Amtsgericht Aachen
Spruchkörper:
112. Abteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
112 C 124/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger als Verbraucher unterzeichnete eine "Vertragsvereinbarung KombiSTA
Strom & Gas" der Beklagten als Unternehmerin am 20. Januar 2007, danach sollte eine
besondere vertragliche Vereinbarung über die Strom und Gas mit einer Vertragslaufzeit
von einem Jahr, beginnend mit dem 1. März 2007 zustande kommen. Hinsichtlich der
weiteren Einzelheiten wird auf den Formularvertrag der Beklagten, Blatt 4 der Akte,
Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 27.01.2007, das per Fax an die Beklagte übermittelt wurde, widerrief
der Kläger seine Willenserklärung vom 20. Januar 2007 gemäß §§ 312 d, 355 BGB und
erklärte, er nehme das Angebot der Beklagten nicht an, so dass die bisherigen
Vertragsbedingungen fortgelten würden.
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Diesem Schreiben widersprach die Beklagte mit Schreiben vom 21. Februar 2007, in
dem sie darauf verwies, dass die Widerrufsvorschriften von Fernabsatzverträgen für
dieses Vertragsverhältnis nicht anwendbar.
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Der Kläger wechselte zum 1. April 2007 zu dem Anbieter G- GmbH in C. bezüglich der
Stromversorgung und zu T- GmbH in N. für die
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Gasversorgung. Der Strompreis für ein Jahr im Voraus in Höhe von 913,02 € wurde
bereits am 21.2.2007 von dem Konto des Klägers abgebucht.
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Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Widerrufsrecht gemäß § 312 d Abs. 1 BGB zu.
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag hinsichtlich der Strom- und
Gaslieferung sei als Fernabsatzvertrag gemäß § 312 b BGB einzuordnen. Der Ge- und
Verbrauch einer Sache würde keinen generellen Rücktrittsausschluss nach § 312 d
Abs. 4 Nr. 1 BGB begründen, denn das Risiko des Ge- und Verbrauchs der Sache sei
für den Fernabsatz typisch und vom Gesetzgeber dem Unternehmer zugewiesen. § 312
d Abs. 4 Nr. 1 BGB solle nur die Fälle erfassen, in denen die Rückabwicklung des
Vertrages für den Unternehmer ausnahmsweise unzumutbar sei. Dies sei jedoch bei
dem Verbrauch von Strom und Gas nicht gegeben, weil den Interessen des
Unternehmers durch die Wertersatzpflicht des Verbrauchers gemäß § 346 Abs. 2 S. 1
Nr. 2 BGB hinreichend Rechnung getragen sei.
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Der Kläger beantragt,
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1. festzustellen, dass er seine auf Abschluss der Vertragsvereinbarung KombiSTA
Strom & Gas gerichtete Willenserklärung vom 20.01.2007 gegenüber der
Beklagten wirksam widerrufen hat.
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 229,30 € zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger steht kein Widerrufsrecht hinsichtlich der am
getroffenen Vertragsvereinbarung zu. Ein Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 1 S. 1 BGB
sei nicht gegeben, weil es sich bei dem Vertrag nicht um einen Fernabsatzvertrag
handele. Überdies sei ein mögliches Widerrufsrecht gemäß § 321d Abs. 4 Nr. 1 BGB
ausgeschlossen, weil es sich bei der Lieferung von Strom und Gas um Waren handele,
die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet seien.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Dem Kläger steht ein Anspruch auf Feststellung, dass er seine auf Abschluss der
Vertragsvereinbarung KombiSTA Strom & Gas gerichtete Willenserklärung vom
20.01.2007 gegenüber der Beklagten widerrufen hat, nicht zu.
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Die mit dem Kläger geschlossene Vereinbarung über die Strom und Gaslieferung
KombiSTA ist wirksam zustandegekommen, weil der Kläger den Vertrag nicht
widerrufen konnte.
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1. Ein Widerrufsrecht des Klägers ergibt sich nicht aus §§ 355, 505 BGB. Es handelt
sich um keinen Ratenlieferungsvertrag nach § 505 BGB. Eine wiederkehrende
Verpflichtung zum Erwerb oder Bezug von Sachen im Sinne des § 505 Nr. 3 BGB ist
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nicht gegeben, weil die Versorgungsverträge für Strom, Gas und Wasser
leitungsgebunden sind (vgl. Palandt-Putzo, BGB 66. Aufl., § 505 Rn.8).
2. Der Kläger konnte den Vertrag auch nicht gemäß § 312 d Abs. 1 BGB widerrufen.
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Ob der Vertrag der Parteien als Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312 b BGB
einzuordnen ist, kann dahinstehen, denn ein mögliches Widerrufsrecht des Klägers ist
jedenfalls gemäß § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB ausgeschlossen.
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Nach § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB sollen vom Widerrufsrecht solche Waren ausgenommen
werden, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind.
Nicht zur Rücksendung geeignet sind Waren, die danach nicht mehr körperlich mit der
gelieferten Ware vollauf identisch sind (Jauernig-Stadler, § 312 d. Rn. 29). So gehört
auch der Verbrauch bei verbrauchbaren Sachen zur Beschaffenheit, denn eine
Rücksendung ist in diesen Fällen aufgrund des Verbrauchs nicht möglich
(Bamberger/Roth-Schmidt-Räntsch, BGB, 2. Aufl. 2007= BeckOK-BGB, § 312 d Rn. 37).
Strom und Gas werden unmittelbar nach ihrem Bezug verbraucht, indem sie zum
Beispiel in Wärme umgewandelt werden. Eine Rücksendung dieser Waren ist
unmöglich.
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Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass der Ge- und Verbrauch einer Sache keinen
generellen Rücktrittausschluss begründet, ist anzumerken, dass dies sich nach dem
Sinn und Zweck des Gesetzes nur auf Waren beziehen kann, bei denen der Verbrauch
gerade nicht Beschaffenheitskriterium der Sache ist. Denn in diesen Fällen ist die
Sache grundsätzlich zur Rücksendung geeignet, sie kann nur lediglich aufgrund des
umständehalber vorgenommenen Verbrauchs nicht zurückgesendet werden. In den
anderen Fällen, in denen der Verbrauch bereits Beschaffenheitskriterium der Ware ist,
widerspricht eine generelle Zulassung des Widerrufsrechts dem Wortlaut des § 312 d
Nr. 4 BGB. Insoweit reicht der Verweis auf die Intention des Gesetzes für eine weitere
Anwendung des Widerrufsrechts entgegen dem Wortlaut in den Fällen des Verbrauchs
der Sache nicht aus.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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Streitwert: 2.000,- €
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Brantin
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