Urteil des AG Aachen vom 23.06.2005

AG Aachen: kündigung, agb, vertragsschluss, mahnkosten, lieferung, umkehrschluss, dispositionsfreiheit, unterliegen, vollstreckbarkeit, reduktion

Amtsgericht Aachen, 84 C 2/05
Datum:
23.06.2005
Gericht:
Amtsgericht Aachen
Spruchkörper:
Abt. 84
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
84 C 2/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin betreibt unter der Adresse O-Straße in I ein Fitnessstudio. Am 12.09.2003
schlossen die Parteien einen Fitnessvertrag mit einer Laufzeit von 24 Monaten. Beginn
der vereinbarten Abbuchungen sollte der 10.11.2003 sein. Vereinbart war eine 14-
tägliche Miete in Höhe von 18,00 €. Zudem war die im Vertragsformular vorgesehene
Bearbeitungsgebühr handschriftlich durchgestrichen. Neben dem durchgestrichenen
Text "Bearbeitungsgebühr" war ein Betrag in Höhe von 49,50 € aufgedruckt. Über dem
vorgenannten Text "Bearbeitungsgebühr" sah der Vordruck eine zum 15.05. eines jeden
Jahres zu zahlende Trainingspauschale vor. Insoweit wurden keine Durchstreichungen
vorgenommen.
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In dem vorformulierten und von den Parteien verwendeten Vertragsformular finden sich
auf der Vorderseite des Vertrages u.a. folgende Bestimmungen:
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Abs. 1, Satz 2 – 4 lauten: "Die Geltungsdauer für diese Vereinbarung gilt zunächst für
den angegebenen Zeitraum und kann bis 6 Wochen vor Ablauf dieser Frist gekündigt
werden. Als Beginndatum des Abos gilt der Beginn der vereinbarten Abbuchungen.
Sofern hiermit ein späterer Vertragsbeginn vereinbart wurde, führt dies nicht zu einem
zwischenzeitlichen Recht auf Kündigung."
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Abs. 2 lautet: "Verträge ohne feste Laufzeit können stets unter Einhaltung einer 6-
Wochenfrist zum Monatsende gekündigt werden."
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Mit Schreiben vom 13.09.2003 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er den am
12.09.2003 geschlossenen Mietvertrag storniere. Mit Schreiben vom 21.10.2004 forderte
die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 04.11.2004 zur Zahlung von
1.175,50 € auf.
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Sie ist der Ansicht, der Vertrag sei nicht wirksam gekündigt worden. Aus diesem Grunde
stünden ihr noch 52 Beiträge zu 18,00 € bis zum Vertragsende, mithin 936,00 € zu,
sowie 2 Trainingspauschalen in einer Gesamthöhe von 99,00 €. Zudem habe der
Beklagte die der Klägerin entstandenen Mahnkosten in Höhe von 10,00 € sowie die
hälftigen außergerichtlich entstandenen Anwaltsgebühren in Höhe von 75,25 € zu
zahlen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.035,00 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2004 sowie
Mahnkosten in Höhe von 10,00 € und hälftige außergerichtliche
Anwaltsgebühren in Höhe von 75,25 € zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Ansicht, das Vertragsverhältnis sei durch sein Schreiben vom 13.09.2003
wirksam gekündigt worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, insbesondere die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und
deren Anlagen, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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A)
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus dem zwischen den Parteien am 12.09.2003
geschlossenen Fitnessvertrag keinen Anspruch auf Zahlung gemäß § 535 Abs. 2 BGB.
Der Beklagte nämlich hat den vorgenannten Vertrag mit Schreiben vom 13.09.2003
unter Einhaltung einer 6-Wochenfrist nach Absatz 2 der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Klägerin wirksam zum 31.10.2003 gekündigt. Zu diesem
Zeitpunkt waren Zahlungen aus dem Vertragsverhältnis zugleich (noch) nicht fällig.
Abbuchungsbeginn war nämlich erst der 10.11.2003. Eine Trainingspauschale sollte
zudem erstmals am 15.05.2004 fällig sein.
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I)
Vertrages erklärt. Aus seinem Schreiben folgt nämlich, dass er sich von dem Vertrag
lösen und diesen stornieren wollte. Es war als Erklärung der Kündigung des Vertrages
zum nächstmöglichen Zeitpunkt auszulegen. Kündigungserklärungen sind als einseitige
empfangsbedürftige Willenserklärungen der Auslegung zugänglich. Dabei ist anerkannt,
dass das Wort "Kündigung" in einer solchen Erklärung nicht enthalten sein muss.
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dass das Wort "Kündigung" in einer solchen Erklärung nicht enthalten sein muss.
Ausreichend ist vielmehr, dass sich aus der Erklärung ergibt, dass der Kündigende den
Vertrag beenden will. Dies war vorliegend der Fall. Der Beklagte erklärte, er wolle den
Vertrag stornieren.
II)
und 3 der auf der Vorderseite des Vertrages abgedruckten allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Klägerin ausgeschlossen. Die vorgenannten AGB der
Klägerin, wonach der Vertrag eine Geltungsdauer von zunächst 24 Monaten seit Beginn
der vereinbarten Abbuchungen hat und zugleich eine Kündigung während des
vorangehenden Zeitraumes zwischen Vertragsschluss (vorliegend: 12.09.2003) und
dem Beginn der Abbuchungen (vorliegend: 10.11.2003) ausgeschlossen ist, sind
nämlich nach den §§ 306 Abs. 1, 309 Nr. 9 a) BGB unwirksam.
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Dass mit diesen Bestimmungen das ordentliche Kündigungsrecht für den vereinbarten
Zeitraum ausgeschlossen werden sollte, ergibt sich dabei insbesondere aus einem
Umkehrschluss aus Abs. 2 der auf der Vorderseite des Vertrages abgedruckten
Geschäftsbedingungen, der nur bei einem Vertrag ohne feste Laufzeit eine ordentliche
Kündigungsmöglichkeit einräumt.
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Nach dem vorliegend anzuwendenen § 309 Nr. 9 a) BGB sind Klauseln, die den
Vertragspartner bei Vertragsverhältnissen, die die regelmäßige Lieferung von Waren
oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den
Verwender zum Gegenstand haben, länger als zwei Jahre binden, unwirksam. Auf
Fitnessverträge ist diese Bestimmung analog anwendbar (BGH, NJW 1997, 739).
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Der Vertrag hatte auch eine längere Laufzeit als 24 Monate. Denn ausweislich des
vorgelegten Vertrages sollte Vertragsbeginn des 24- Monats-Abos der Beginn der
monatlichen Abbuchungen, also der 10.11.2003, sein. Der Vertrag selbst wurde
zugleich am 12.09.2003 geschlossen. In diesen Fällen ist nach der Rechtsprechung des
BGH für die Beurteilung des Eintritts der Bindungsdauer nicht von dem Beginn der
wechselseitigen Leistungspflichten, sondern bereits von dem Vertragsschluss
auszugehen (BGH, BGHZ 122, 63). Ein Vertrag bindet die Vertragspartner nämlich ab
seinem Abschluss und nicht erst ab dem Zeitpunkt, in dem die gegenseitigen
Leistungspflichten aufgenommen werden. Sinn und Zweck des Klauselverbotes in §
309 Nr.9 a) BGB ist es denn auch, eine übermäßig lange Bindung des Kunden, die
seine Dispositionsfreiheit beeinträchtigt, zu verhindern. Eine Bindung des Kunden tritt
aber bereits mit Abschluss des Vertrages ein und nicht erst mit Beginn der vereinbarten
Abbuchungen (vgl. BGH, BGHZ 122, 63).
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Die in dem Vertrag aufgenommenen Klauseln unterliegen als vorformulierte
Vertragsbedingungen auch der Nachprüfung am Maßstab der §§ 305 ff. BGB. Entgegen
der Rechtsansicht der Klägerin steht der Annahme allgemeiner Geschäftsbedingungen
insbesondere nicht entgegen, dass das Vertragsformular unterschiedliche Laufzeiten
("Das Selection Abo 24 Monate", Kurzabo 12 M." usw.) vorsieht und die Laufzeit durch
Ankreuzen des jeweils vorgesehenen Kästchens ausgewählt werden kann. Denn auch
wenn der Kunde zwischen mehreren vorformulierten Regelungen wählen kann, handelt
es sich um AGB (vgl. nur Heinrichs, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., § 305 Rn. 12 m.w.N.).
Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie vorliegend der Fall – zwischen verschiedenen
Vertragslaufzeiten gewählt werden kann (BGH, NJW 1996, 1676, NJW-RR 1997, 1000).
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III)
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vorliegend vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung.
Da die gegen § 309 Nr. 9 a) BGB verstoßenden Klauseln wegen des Verbotes der
geltungserhaltenden Reduktion nicht auf das noch zulässige Maß reduziert werden
können, waren sie im Ganzen unwirksam (BGH, BGHZ 122, 63). Diese Folge ergibt sich
aus dem Schutzzweck der § 305 ff. BGB, da die Rechtsordnung die Verwendung von
verbotswidrigen ABG nicht insofern risikolos machen und fördern darf, als dass sie die
verbotswidrige Klausel auf das noch zulässige Maß reduziert. Die insofern entstehende
Lücke war im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen (Heinrichs,
a.a.O., § 309 Rn. 88 und § 306 Rn. 7). Eine Kündigung war danach mit 6-wöchiger Frist
zum Monatsende hin möglich. Da die Laufzeitbestimmung unwirksam war, war der
Vertrag nämlich so zu behandeln, als sei keine Laufzeit vereinbart worden, mithin der
Vertrag auf unbestimmte Laufzeit abgeschlossen. Dann aber sehen die insoweit
wirksamen Geschäftsbedingungen der Klägerin die vorgenannte
Kündigungsmöglichkeit von 6 Wochen zum Monatsende vor, von der der Beklagte
wirksam Gebrauch gemacht hat.
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B)
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz, 1. Halbsatz ZPO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11. 711 ZPO.
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Streitwert:
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Dr. N
29
Richter
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