Urteil des AG Aachen vom 21.02.2002
AG Aachen: falsches gutachten, firma, markt, fahrzeug, anbieter, geschädigter, versicherungsnehmer, durchschnitt, schadenersatz, zahlungsverweigerung
Amtsgericht Aachen, 13 C 1/01
Datum:
21.02.2002
Gericht:
Amtsgericht Aachen
Spruchkörper:
Abteilung 13
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 C 1/01
Tenor:
I.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von
869,20 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 12.08.1999 zu bezahlen.
II.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Von den Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin 23 %, der Beklagte
77 %.
IV.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und der Beklagte
können jedoch jeweils die Vollstreckung gegen sich durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Ur-teils gegen
sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende
Partei je-weils Sicherheit in eben dieser Höhe leistet.
Streitwert: 1.124,84 Euro
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadenersatz, weil dieser als Sachverständiger
für den Unfallgegner ihres Versicherungsnehmers ein im Restwert falsches Gutachten
erstattet habe.
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Am 24.05.1999 ereignete sich ein Verkehrsunfall zwischen dem Versicherungsnehmer
der Klägerin und dem Unfallbeteiligten T, welcher in B wohnt, mit dessen Pkw VW Golf,
55 Kw, Erstzulassung 01.03.1986 mit einem Kilometerstand von 32.905 Kilometer. An
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dem Unfall war der Versicherungsnehmer der Klägerin alleine schuld. Der Unfallgegner
T hat den Beklagten mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, welches dieser
unter dem 27.05.1999 vorgelegt hat. Der Beklagte kommt dabei zu folgenden
Ergebnissen:
Reparaturkosten abzgl. eines
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Minderwertes von 1.000,00 DM 15.717,95 DM
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Wiederbeschaffungswert 15.800,00 DM
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Ummeldekosten 140,00 DM
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abzgl. Restwert 3.500,00 DM
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Totalschadenskosten 12.440,00 DM
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Der Unfallgegner T hat seinen beschädigten Pkw sodann zur Restwertangabe des
Beklagten, also zu einem Preis von 3.500,00 DM an das Autohaus B in B verkauft. Die
Klägerin hat deshalb den unfallbeteiligten T auf der Basis des Gutachtens des
Beklagten reguliert. Mit Schreiben vom 19.07.1999 hat sie den Beklagten zur Zahlung
der hier geltend gemachten Forderung aufgefordert. Der Beklagte hat dies aber mit
Schreiben vom 12.08.1999 verweigert.
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Die Klägerin trägt vor, die Restwertermittlung des Beklagten sei unrichtig. Vielmehr
müsse abzgl. einer Toleranz von einem Restwert von 5.700,00 DM ausgegangen
werden. Insoweit beruft sie sich auf in einem Ausdruck der Auto XXX GmbH enthaltene
Restwertgebote des Autohandels XYZ, B2 5.900,00 DM und des Kfz-Handel ###, B2,
über 5.700,00 DM. Diese Angebote seien auch zu berücksichtigen, da es zum einen
ohnehin hinsichtlich der Restwertaufkäufer keinen Sondermarkt mehr für Versicherer
gebe und zum anderen der von ihren Anbietern erwähnte Preis auch auf dem
allgemeinen Markt zu erzielen sei.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.200,00 DM nebst 5 % Zinsen
seit dem 06.08.1999 zu bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor, seine Restwertermittlung sei zutreffend gewesen. Er habe beim
überregionalen Autohaus B, der Firma G und einem anderen Autohändler in T2,
welchen er später als Firma L substantiiert hat, Restwertangebote eingeholt. Die sodann
gemachten Angaben hätten im Bereich von 3.500,00 DM gelegen.
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Die Anbieter XYZ und ### stünden dem allgemeinen Markt nicht zur Verfügung und
wären deshalb als professionelle Restwertaufkäufer nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes nicht zu berücksichtigen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens und eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen
XXX. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das bei der Akte befindliche
Gutachten verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist zu einem wesentlichen Teil begründet.
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Die Klägerin kann vom Beklagten aus positiver Vertragsverletzung des zwischen dem
unfallbeteiligten T und dem Beklagten geschlossenen Begutachtungsvertrages, welcher
insoweit Schutzwirkung für die Klägerin entfaltet, Zahlung von noch 869,20 Euro bzw.
1.700,00 DM verlangen.
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Zu entscheiden war die Frage, ob das Gutachten des Beklagten eine zutreffende
Restwertermittlung enthält, oder ob der Beklagte hier Fehler begangen hat, welche zu
einem Schaden bei der Klägerin geführt haben.
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Ausgangspunkt der hier zu treffenden Entscheidung sind die grundlegenden Urteile des
Bundesgerichtshofes NJW 1992, S. 903 ff. , NJW 1993, S.1849 ff. und NJW 2000, S.
800 ff. Nach den Ausführungen des BGH ist hinsichtlich der Ermittlung des erzielbaren
Restwertes auf die individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des in einem
Unfall Geschädigten und die gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten abzustellen.
Deshalb kann der Geschädigte grundsätzlich nicht auf einen Restwerterlös verwiesen
werden, welcher erst durch Eröffnung eines Sondermarktes spezieller
Restwertaufkäufer realisierbar ist. Vielmehr ist auf den allgemeinen Markt abzustellen.
Aus diesen Ausführungen des BGH ergibt sich zugleich, dass angesichts der
begrenzten Möglichkeiten eines Verkehrsunfallgeschädigten lediglich auf den
regionalen Markt abzustellen ist und sich ein Geschädigter deshalb nicht auf
überregionale Anbieter verweisen lassen muss. Dies deckt sich mit der Entscheidung
des Landgerichts Aachen im Berufungsurteil vom 30.06.2000, 5 S 365/98.
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Konkret folgt aus diesen Ausführungen, dass durch einen Unfallgeschädigten bei der
Restwertermittlung also der regionale Markt unter Einschaltung spezieller
Restwertaufkäufer, die allgemein zugänglich sind, berücksichtigt werden muss. Dies
entspricht dem von der Rechtsprechung allgemein aufgestellten Erfordernis, dass dem
Geschädigten nur solche Aufwendungen ersetzt werden können, die eine wirtschaftliche
vernünftig handelnde Person gemacht hätte.
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Ausgehend von diesem Ansatzpunkt hat der vom Gericht beauftragte Sachverständige
XXX u.a. das Restwertangebot der Autogalerie #x#, C, über einen Betrag von 6.500,00
DM ermittelt. Der Sachverständige führt hierzu aus, dass die von ihm in diesem
Zusammenhang kontaktierten Firmen entweder den Gelben Seiten oder dem
Kleinanzeigenmarkt Aachener Zeitungen Rubrik Automarktankäufe entnommen sind.
Bei der Autogalerie #x# handelt es sich also um einen regionalen und allgemein
zugänglichen Restwertaufkäufer. Weitere Angebote gingen ein durch die Firma K, B2
über 5.800,00 DM, den Abschleppdienst x#x, X3, über 5.000,00 DM, die Firma X2
GmbH, B, über 4.500,00 DM, die Firma H, B2, über 3.500,00 DM, die Firma D, B2, über
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3.000,00 DM sowie die Firma X GmbH, I, über 5.000,00 DM und die Firma V, O, über
5.500,00 DM. Der Sachverständige hat außerdem auch die Auto XYZ GmbH in seine
Ermittlungen einbezogen und hier 7 Gebote zum Preis von 6.850,00 DM bis 5.200,00
DM ermittelt.
Allgemein hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass angesichts des
Fahrzeuges des Geschädigten T eine große Preisspanne zu erwarten war, da es sich
um ein reparables Fahrzeug guter Marktgängigkeit in mittlerem Fahrzeugalter mit
gängiger Fahrzeugausstattung, Motorisierung und Lackierung und der Möglichkeit zur
kostengünstigen Reparatur mit Gebrauchteilen handelte. Deshalb geht das Gericht
davon aus, daß für das Fahrzeug des Geschädigten T ein Restwert von 6.500,00 DM
auch zu erzielen war.
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Daß der Beklagte diesen erzielbaren Restwert nicht ermittelt hat, geschah auch
schuldhaft.
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Diese Ermittlungen des Sachverständigen zeigen nämlich, dass die drei vom Beklagten
eingeholten Restwertangebote nicht ausreichten, um ein zuverlässiges Gutachten zur
Restwerthöhe abzugeben. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob, wie auch
vom 40. Verkehrsgerichtstag 2002 in Goslar formuliert, grundsätzlich die Einholung von
drei Restwertangeboten durch einen Sachverständigen ausreicht. Auch dem Beklagten
war nach seiner Gutachtenerstellung deutlich, dass das Fahrzeug des
Unfallgeschädigten die vom Sachverständigen XXX erwähnten Kriterien für eine große
Spannbreite im Restwert aufweisen. Der Beklagte hätte deshalb weitere Angebote
einholen müssen, wobei er insbesondere auch allgemein zugängliche, regionale
Restwertaufkäufer in seine Ermittlungen hätte einbeziehen müssen. Da er dies nicht
getan hat, konnte er keinen der Anbieter erreichen, die nach den Ermittlungen des
Sachverständigen XXX auf dem allgemein zugänglichen regionalen Markt bereit
gewesen wären, bis zu 6.500,00 DM für den Restwert des Fahrzeuges zu bezahlen.
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Entgegen den Bedenken des Beklagten sieht das Gericht auch keinen Anlass daran, an
den Ermittlungen des Sachverständigen XXX zu zweifeln. Das Gericht verkennt nicht,
dass der Sachverständige XXX notgedrungen gezwungen war, im Herbst 2000
Restwertangebote bezogen auf Mai 1999 einzuholen. Nur bei der Bezugnahme auf den
Unfallmonat Mai 1999 kann das Gutachten des Beklagten, welches sich ja ebenfalls auf
diesen Zeitpunkt bezieht, überprüft werden. Selbstverständlich war den
Restwertanbietern durch diese Bezugnahme klar, dass sie ein fiktives Angebot
abgeben. Dies führt jedoch nicht zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit ihrer
Angebote. Vielmehr zeigen die Angebote der Restwertaufkäufer XYZ und ###, welche
sich mit ihren Angeboten aus dem Unfallzeitpunkt decken, dass sich sämtliche
Restwertangebote etwa im gleichen Rahmen bewegen. Der Sachverständige XXX sah
auch keinen Anlass, hier entsprechende Korrekturen oder Einschränkungen
vorzunehmen. Das Gericht folgt deshalb den im Gutachten aufgeführten Werten.
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Bei der Berechnung des der Klägerin entstandenen Schadens kann nach Auffassung
des Gerichts nicht vom Durchschnitt der vom Sachverständigen XXX ermittelten
relevanten Angebote ausgegangen werden, da auch ein vernünftig handelnder
Geschädigter sein Fahrzeug nicht zum Durchschnitt der ihm gemachten Angebote
verkauft hätte, sondern zum höchsten Angebot. Zu berücksichtigen ist allerdings auch,
dass das Fahrzeug des unfallgeschädigten T derart beschaffen war, dass im Restwert
eine hohe Bandbreite zu erwarten war. Deshalb ist nach Auffassung des Gerichts vom
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höchsten Restwertangebot, von welchem nicht zuverlässig angenommen werden kann,
dass dieses unbedingt durch einen sorgfältig handelnden Sachverständigen ermittelt
wird, ein Sicherheitsabschlag von gemäß § 287 ZPO geschätzten 20 % vorzunehmen.
Das Gericht hat bei der Bestimmung dieses Sicherheitsabschlages insbesondere die
oben zitierten Kriterien berücksichtigt, welche die sich dann auch realisierende
Bandbreite der Restwertangebote verursacht haben.
Da die Klägerin aufgrund eines Restwertbetrages von 3.500,00 DM regulieren musste,
in Wirklichkeit aber von einem Restwert von 80 % von 6.500,00 DM, also 5.200,00 DM
auszugehen ist, ist der Beklagte verpflichtet, einen Schadenersatz in Höhe von 1.700,00
DM zu bezahlen.
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Der Zinsausspruch ergibt sich aus §§ 284, 288 BGB. Der Beklagte war nach seiner
Zahlungsverweigerung in Verzug. Die Klägerin hat ihren Zinsantrag, soweit er über §
288 BGB alte Fassung lag, nicht begründet. Deshalb konnten ihr lediglich die zum
damaligen Zeitpunkt geltenden 4 % Verzugszinsen zugesprochen werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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XX#XX
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