Urteil des AG Aachen vom 04.03.2008

AG Aachen: wichtiger grund, fristlose kündigung, widerklage, anwaltskosten, seminar, interessenabwägung, form, dienstleistung, veranstaltung, einfluss

Amtsgericht Aachen, 81 C 479/07
Datum:
04.03.2008
Gericht:
Amtsgericht Aachen
Spruchkörper:
81. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
81 C 479/07
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.585,87 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
23.10.2007, Zug um Zug gegen Übergabe eines Seminargutscheins,
zuzüglich außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 106,45 Euro
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 12.12.2007 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zur
Vollstreckung kommenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Der Beklagte, selbständiger Maurermeister, buchte am 27.08.2007 ausweislich der aus
Bl. 5 ersichtlichen Anmeldung bei der Klägerin die Teilnahme an einem
Grundlagenseminar für die Wochenenden 12. bis 23.09. und 27. bis 29.09.2007 zu
einem Gesamtpreis von 2.378,81 €. Unter dem 28.08.2007 übersandte die Klägerin dem
Beklagten die aus Bl. 6 ersichtliche Seminarbestätigung und Rechnung, wobei eine
Zahlung des Seminarpreises in 3 Raten à 792,94 €, zahlbar jeweils zum 31.08., 14.09.
und 28.09.2007, zugestanden wurde. Bei Nichteinhaltung dieser Termine sollte das
"übliche Zahlungsziel" gelten, nämlich Zahlung des Gesamtbetrages bis zum
07.09.2007. Am 03.09.2007 teilte die Ehefrau des Beklagten der Klägerin mit, dass der
Beklagten erkrankt sei. Die Klägerin mahnte unter dem 12.09.2007 (Bl. 22) den fälligen
Betrag an. Mit Telefax vom 12.09.2007 (Bl. 23) teilte die Ehefrau des Beklagten mit,
dass dieser an einem Nierenversagen leide und der Vertrag krankheitsbedingt storniert
werden solle. Die Klägerin setzte daraufhin mit Schreiben vom 13.09.2007 (Bl. 7)
bezüglich der Gesamtsumme eine Zahlungsfrist bis zum 20.09.2007, und stellte
zugleich bei Zahlungseingang zum vorgenannten Zeitpunkt die Bewilligung eines 12
Monate gültigen Gutscheins zum Besuch eines Grundlagenseminars nach Wahl in
Aussicht. Mit Eingang 20.09.2007 überwies die Ehefrau des Beklagten sodann einen
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Aussicht. Mit Eingang 20.09.2007 überwies die Ehefrau des Beklagten sodann einen
Teilbetrag von 792,94 €. Mit Anwaltsschreiben vom 21.09.2007 (Bl. 30) erklärte der
Beklagte die fristlose Kündigung des Vertrages, verbunden mit der Aufforderung, die
geleistete Teilzahlung, abzüglich einer Aufwendungsersatzpauschale von 200,-- €, an
ihn zurück zu erstatten.
Die Klägerin macht mit der Klage den restlichen Seminarpreis geltend. Sie meint, der
Beklagte sei zur Zahlung des Gesamtbetrages verpflichtet.
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Sie beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.585,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2007, Zug um Zug
gegen Übergabe eines Seminargutscheins, zuzüglich außergerichtlicher
Anwaltskosten von 106,45 € zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Widerklagend beantragt er,
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die Klägerin bzw. Widerbeklagte zu verurteilen, an ihn 592.94 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2007,
sowie 272,87 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Der Beklagte meint, die ausweislich der ärztlichen Bescheinigung Bl. 47 belegte
schwere Erkrankung stelle einen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne von § 628
Abs. 2 BGB dar. Ferner sei es dem Beklagten aufgrund der haltlosen und schweren
Beschuldigungen im Schreiben der Klägerin vom 13.09.2007 nicht zumutbar, bei der
Klägerin ein Seminar zu einem späteren Zeitpunkt zu besuchen. Er müsse in diesem
Fall damit rechnen, dass man ihn schikanieren und nach Möglichkeit "durchfallen"
lasse.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen
auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien einschließlich den zu den Akten
gereichten Unterlagen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf
Zahlung des vereinbarten Entgelts, Zug um Zug gegen die von der Klägerin
angebotenen Erteilung des im Klageantrag näher bezeichneten Gutscheins aus § 611
Abs. 1 BGB.
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Der zwischen den Parteien unstreitig geschlossene Seminarvertrag (Dienstvertrag) ist
nicht durch die Kündigung des Beklagten bzw. seiner Ehefrau vom 12.09.2007 bzw.
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21.09.2007 beendet worden. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB lag
nicht vor.
Störungen, die ihre Ursache im eigenen Risikobereich haben, begründen grundsätzlich
keinen wichtigen Grund im kündungsrechtlichen Sinne (vgl. Palandt-Heinrichs, 62.
Auflage, § 314, Rn. 11). So unverschuldet und unerfreulich die – hinreichend dargelegte
- Erkrankung des Beklagten für diesen auch sein mochte bzw. sein mag, so stellt sie
doch einen Umstand dar, der allein aus seiner eigenen Risikosphäre herrührt und der
Klägerin nicht angelastet werden kann. Auch bei anderen Vertragsverhältnissen
entbindet die persönliche Verhinderung des Nutzungsberechtigten diesen nicht von der
Entrichtung des vereinbarten Entgelts (z. B. Mietvertrag, § 537 BGB). Auch eine im
Sinne von § 626 Abs. 1 vorzunehmende Interessenabwägung führt zu keinem für den
Beklagten günstigeren Ergebnis. Daran wäre allenfalls zu denken, wenn es sich um ein
langfristiges Dauerschuldverhältnis handeln würde und der Beklagte ohne eine
Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung Monat um Monat für ihn sinnlose Beiträge
entrichten müsste. Hier handelt es sich jedoch um eine auf zwei Termine beschränkte
Veranstaltung. Hinzu kommt, dass die Klägerin in Form des angebotenen Gutscheins
von sich aus bereit ist, die an sich für einen bestimmten Zeitpunkt gebuchte
Dienstleistung nachzuholen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt daher für den
Beklagten – abgesehen von den Beeinträchtigungen, die eine Erkrankung dieser Art
üblicherweise mit sich bringt, auf welche jedoch die Klägerin auch bzw. erst recht
keinen Einfluss hat – nicht vor.
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Eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung bzw. Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses
im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Klägerin
vom 13.09.2007. Der Beklagtenseite ist zwar zuzugeben, dass der Duktus dieses
Schreibens sowie die darin enthaltenen Vorwürfe für einen eine Geschäftsbeziehung
unter Fremden betreffenden Brief zumindest grenzwertig sind. Jedoch erfolgten diese
Ausführungen allesamt im Zuge der Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen der
Klägerin, so dass sich das Schreiben trotz der zum Teil ungewöhnlichen
Formulierungen um einen sachlichen Kern bewegt. Dass die persönliche Lust und
Bereitschaft des Beklagten, vor diesem Hintergrund zu einem späteren Zeitpunkt das
gebuchte Seminar nachzuholen, durch das Schreiben gedämpft wird, ist zwar
nachvollziehbar. Gleichwohl stellt es für sich genommen keinen außerordentlichen
Kündigungsgrund dar; und bei der Befürchtung des Beklagten, bei der Schulung
"schikaniert" oder gar "durchfallen" gelassen zu werden, handelt es sich in dieser
Tragweite letztendlich doch um ein vages Szenario.
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Entsprechend ist die Widerklage unbegründet. Aufgrund des Bestehens eines
wirksamen Vertragsverhältnisses besteht kein Rückforderungsanspruch nach § 812
Abs. 1 S. 1 BGB.
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Die Nebenforderungen der Klägerin sind begründet aus den §§ 280, 286, 288 BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.
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Streitwert: 2.178,81 €
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Dr. Dallemand-Purrer
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Richterin am Amtsgericht
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