Urteil des AG Aachen vom 22.12.2009

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Amtsgericht Aachen, 111 C 334/09
Datum:
22.12.2009
Gericht:
Amtsgericht Aachen
Spruchkörper:
Einzelrichterabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
111 C 334/09
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Vollstreckung der Beklagten ab-wenden, indem er Sicherheit leistet in
Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag.
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Der Kläger meldete am 30.06.2008 einen Roller der Marke Piaggio Gilera Nexus mit der
Fahrzeugnummer #### 0000000000000 auf seinen Namen beim Straßenverkehrsamt B
an. Bis zum 30.06.2008 war ein Herr L als Halter des Fahrzeuges eingetragen. Dieser
hatte das Fahrzeug zuvor zu einem Kaufpreis in Höhe von 100,00 € an einen Herrn M
verkauft, der wiederum das Fahrzeug für 511,56 € über die Internetplattform ebay an
eine Frau C verkaufte. Ebenfalls am 30.06.2008 versicherte der Kläger dieses Fahrzeug
zu dem amtlichen Kennzeichen ##-##-00 bei der Beklagten. Hinsichtlich der
Einzelheiten des Versicherungsverhältnisses wird auf den Versicherungsschein der
Beklagten, Anlage K 4 zur Klageschrift vom 01.07.2009, Bezug genommen.
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Am 20.08.2008 erstattete der Kläger bei der Polizeibehörde in B Anzeige wegen
Diebstahls des Rollers.
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In seiner Schadensanzeige vom 25.08.2008 an die Beklagte gab der Kläger an, dass
das Fahrzeug nach dem Kauf keine Beschädigungen erlitten habe. Die Frage, ob er als
Fahrer oder Halter bereits früher von einer oder mehreren Fahrzeugentwendungen
betroffen gewesen sei, ließ der Kläger unbeantwortet.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.10.2008 forderte der Kläger die Beklagte auf, eine
gutachterliche Bewertung des Rollers vorzunehmen und vorab 3.800,00 € an ihn zu
zahlen.
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Der Kläger behauptet, er habe den streitgegenständlichen Roller am 28.06.2008 von
einem Herrn W aus L zu einem Preis in Höhe von 3.999,00 € erworben. Der Kaufvertrag
wies hierbei – dies ist zwischen den Parteien unstreitig- keine konkrete Anschrift des
Verkäufers W aus. Der Verkäufer habe ihm beim Verkauf die Unfallfreiheit des
Fahrzeuges zugesichert. Der Roller habe beim Erwerb keinerlei äußere
Beschädigungen aufgewiesen. Er habe den Roller am 19.08.2008 vor seinem Haus in
der F-straße 00 in B abgestellt, habe den Zündschlüssel abgezogen und sich
vergewissert, dass das Lenkradschloss eingerastet sei. Zusätzlich zu einer
vorhandenen elektronischen Wegfahrsperre habe er das Fahrzeug mit Kette und
Schloss gesichert. Daraufhin habe er sich zum Wohnsitz seiner Eltern zur Adresse G-
graben 00 in B begeben. Am Folgetag habe er sodann bemerkt, dass der Roller nicht
mehr vor dem Haus F-straße 00 stand.
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Der Kläger beantragt,
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1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, aus Anlass des Schadensfalls vom
20.08.2008, der Totalentwendung des Rollers der Marke Piaggio Gilera Nexus mit
dem amtlichen Kennzeichen ##-##-00, Fahrzeugnummer #### 0000000000000,
welcher im Eigentum des Klägers stand, Versicherungsschutz zu gewähren.
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2. Die Beklagte zu verurteilen, zur Feistellung des Klägers 390,92 € durch Zahlung
an Rechtsanwalt K nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (30.07.2009) zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, bei der klägerseits angegebenen Zulassung des Fahrzeuges handele es
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sich um eine bloße Papierzulassung. Das Fahrzeug habe bereits bei seinem
Vorbesitzer, Herrn F , einen Totalschaden aufgewiesen, über dessen Vorhandensein
sie Herr F auf Anfrage der Beklagten vom 24.09.2008 aufgeklärt habe.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere kommt dem Kläger ein hinreichendes Interesse
gemäß § 256 Abs. 1 ZPO an der geltend gemachten Feststellung der Einstandspflicht
der Beklagten dem Grunde nach zu. Der Kläger war insoweit bereits deshalb nicht auf
den Vorrang der Leistungsklage zu verweisen, da die grundsätzliche Subsidiarität der
Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage dann nicht anzuerkennen ist, wenn
dem Anspruchsteller – wie vorliegend – die Ermittlung des konkreten
Gegenstandswertes zur Bezifferung seiner Leistungsklage nur durch Einholung eines
kostenaufwendigen Sachverständigengutachtens möglich ist (BGH NJW 2000, 1256 ff.).
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Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger kann nicht gegenüber der Beklagten
die Feststellung ihrer Einstandspflicht hinsichtlich des Schadensfalles vom 19.08.2008
begehren. Ein solcher Anspruch auf Versicherungsschutz ergibt sich insbesondere nicht
aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag vom 30.06.2008.
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Der Kläger hat bereits die Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalles am
19.08.2008 nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Er hat lediglich pauschal
vorgetragen, er habe am 19.08.2008 seinen Roller vor seinem Haus abgestellt und
gesichert und sei sodann zum Wohnsitz seiner Eltern zu Fuß aufgebrochen. Am
20.08.2008 gegen 16:00 Uhr habe er sodann festgestellt, dass der Roller nicht mehr an
der ursprünglichen Stelle vorhanden gewesen sei. Er hat – trotz Hinweises der
Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 09.09.2009 – nicht konkret dargelegt, wann genau er
überhaupt den Roller vor seinem Haus abgestellt hat. Dies erscheint auch deshalb von
Bedeutung, da damit auch die tatsächliche Zeitspanne für den klägerseits behaupteten
Diebstahl näher einzugrenzen gewesen wäre.
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Darüber hinaus hat der Kläger auch hinsichtlich des Abstellens und Sicherns des
Fahrzeuges an der von ihm angegebenen Stelle sowie für das Fehlen des Fahrzeuges
am 20.08.2008 keinen konkreten Beweis angetreten. Nach den allgemeinen
Grundsätzen der Beweislastverteilung ist der Versicherungsnehmer darlegungs- und
beweispflichtig für das Entwenden des Fahrzeuges. Allerdings genügt hierzu im
Regelfall, dass er das vorgenannte Mindestmaß an Tatsachen darlegt und unter Beweis
stellt, um hieraus eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Entwendung des
Fahrzeuges zwischen diesen beiden Zeitpunkten zu begründen. Hinsichtlich des
Vorliegens dieser Grundtatsachen genügt aber nach ständiger höchstrichterlicher
Rechtsprechung auch, dass das Gericht auf der Grundlage der Würdigung des
gesamten Sachvortrages des Klägers feststellt, dass dieser Vortrag widerspruchsfrei
und ohne erkennbare Lücken dargelegt ist und insgesamt glaubhaft erscheint (vgl. BGH
VersR 1992, 867 ff.). Andernfalls wäre der Wert einer Diebstahlversicherung bereits
deshalb de facto erheblich geschmälert, da der Versicherungsnehmer auch für dieses
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Mindestmaß an Tatsachen – ebenso wie für die tatsächliche Entwendung des
Fahrzeuges selbst – immer dann keinen hinreichenden Beweis antreten könnte, wenn
er mit dem Fahrzeug alleine unterwegs gewesen wäre. Liegen hingegen konkrete
Umstände vor, die zumindest Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen
Sachvortrages begründen, kommt die vorgenannte Beweiserleichterung nicht in
Betracht (BGH VersR 1991, 917 ff.). So liegt unter Berücksichtigung des gesamten
Prozessvortrages der Parteien der Fall hier. Es erscheint nach Auffassung des
Gerichtes zunächst nicht nachvollziehbar, dass der Kläger – dies ist zwischen den
Parteien unstreitig - keinerlei Kenntnis über die Adresse des Verkäufers des von ihm
erworbenen Rollers besitzt. Dass ein Käufer eines Fahrzeuges zu einem Kaufpreis von
3.999,00 € den Verkäufer nicht namentlich benennen kann, widerspricht der
allgemeinen Lebenserfahrung bereits deshalb, weil ihm dann im Falle etwaiger
Gewährleistungsansprüche oder Ansprüche wegen arglistiger Täuschung keinerlei
Handhabe zur Verfügung stünde, um den insoweit ohne adäquaten wirtschaftlichen
Gegenwert gezahlten Kaufpreis wiederzuerlangen (vgl. OLG Düsseldorf vom
30.05.1995, zit. nach juris). Eine nachvollziehbare Erklärung, warum insoweit auch im
Kaufvertrag auf die Angabe der Adresse des Verkäufers verzichtet worden ist, hat der
Kläger trotz entsprechenden Hinweises der Beklagten nicht vorgebracht.
Dies erscheint unabhängig von der klägerseits durch Zeugenbeweis unter Beweis
gestellten Frage, ob der Kläger tatsächlich im Besitz eines – zumindest äußerlich –
fahrtüchtigen Rollers gewesen ist, deshalb von entscheidender Bedeutung, weil
mangels konkreter Benennung des Verkäufers für die Beklagte keine Möglichkeit
besteht, die klägerseits behauptete Zusicherung der Unfallfreiheit des Fahrzeuges beim
Erwerb noch die Höhe des gezahlten Kaufpreises zu überprüfen und gegebenenfalls mit
eigenem Sachvortrag zu widerlegen. Die fehlende Benennung eines Zeugen zu dem
eigenen Erwerb des Rollers wiegt nach Auffassung des Gerichtes dabei umso
schwerer, als die Beklagte das Vorliegen eines vorherigen wirtschaftlichen
Totalschadens des Fahrzeuges unter Vorlage eines entsprechenden
Sachverständigengutachtens detailliert dargelegt hat. Der Kläger hat zwar die Angaben
des Herrn F gegenüber der Beklagten und das entsprechende Schadensgutachten mit
Schriftsatz vom 24.11.2009 erstmals bestritten. Die beklagtenseits dargelegten
Erwerbsvorgänge zwischen Herrn F und Herrn M sowie zwischen Herrn M und Frau C
sowie insbesondere die dabei zugrunde gelegten Kaufpreise von 100,00 € bzw. 511,56
€, die nicht mit einem unbeschädigten Fahrzeug nachvollziehbar zu erklären sind, hat er
hingegen gerade nicht – auch nicht mit Schriftsatz vom 24.11.2009 - bestritten.
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Darüber hinaus hat der Kläger auch keine Quittung für den von ihm gezahlten Kaufpreis
vorgelegt. Des Weiteren hat der Kläger auch trotz ausdrücklichen Hinweises der
Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 09.09.2009 und 10.11.2009 zwar eingeräumt, bei
seiner Schadensanzeige die Frage zu den früheren Fahrzeugentwendungen nicht
beantwortet zu haben, ohne jedoch dieses Versäumnis nunmehr nachzuholen. Er ist
vielmehr weiterhin die Beantwortung dieser Frage insgesamt schuldig geblieben. Vor
diesem Hintergrund vermag das Gericht insbesondere mangels weiteren Vortrages des
Klägers zu den Gründen dieser Auslassung der ansonsten vollständig ausgefüllten
Schadensanzeige nicht zu erkennen, ob diese Auslassung lediglich auf einer
Nachlässigkeit des Klägers beruhte. Dies begründet nach Auffassung des Gerichtes
deshalb weitere Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Sachvortrages, da –
dies ist in der Rechtsprechung insgesamt anerkannt – etwaige Unredlichkeiten, die in
einem Zusammenhang mit einem früher gemeldeten Diebstahl stehen, einer
Ersatzpflicht des Versicherers entgegen stehen können (vgl. BGH MDR 1996, 471 ff.
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m.w.N.).
Insgesamt ist das Gericht aufgrund der vorgenannten einzelnen Auffälligkeiten der
Überzeugung, dass dem Kläger eine Beweiserleichterung hinsichtlich des äußeren Bild
des von ihm behaupteten Diebstahls nicht anzuerkennen ist. Dementsprechend war
auch dem klägerseits in der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2009 gestellten Antrag
auf informatorische Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO nicht nachzugehen (vgl.
OLG Düsseldorf a.a.O.). Auch ein Antrag auf Vernehmung des Klägers als Partei gemäß
§ 448 ZPO kam mangels Vorliegens eines hinreichenden Anfangsbeweises nicht in
Betracht. Darüber hinaus musste das Gericht den Kläger auch nicht auf die
vorgenannten Auffälligkeiten seiner Sachverhaltsdarlegung gemäß § 139 Abs. 2 ZPO
hinweisen, da bereits die Beklagte sowohl mit Schriftsatz vom 09.09.2009 als auch mit
Schriftsatz vom 10.11.2009 umfangreich auf diese Diskrepanzen hingewiesen hatte.
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Die erhobene Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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Streitwert: 3.800 €
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Dr. Botterweck
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