Urteil des AG Aachen vom 25.10.2002

AG Aachen: unterhalt, irrtum, zwangsvollstreckung, stadt, urkunde, abänderungsklage, erfüllung, kondiktion, verpflichtungsgrund, vollstreckbarkeit

Amtsgericht Aachen, 21 F 218/02
Datum:
25.10.2002
Gericht:
Amtsgericht Aachen
Spruchkörper:
Abteilung 21
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 F 218/02
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 %
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Aus der Ehe der Parteien sind die Kinder
Kind 1 und Kind 2, jeweils geb. am 28.05.1997, hervorgegangen, die sich in der Obhut
der Beklagten befinden.
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Auf dem Hintergrund einer kontrovers geführten Korrespondenz über die Zahlung von
Kindes- und Ehegattenunterhalt, die in den seit dem 16.01.2002 anhängigen
Rechtsstreit AG Aachen 21 F 15/02 eingemündet ist, sind am 28.01.2002 Urkunden des
Stadtjugendamtes Aachen über die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung monatlichen
Unterhalts von 114 % des jeweiligen Regelbetrages nach den Altersstufen an die
gemeinschaftlichen Kinder Kind 1 und Kind 2 errichtet worden - Urkunden des
Stadtjugendamtes Aachen über die Verpflichtung zu Unterhaltsleistungen vom
28.01.2002 - Urkunden-Register-Nr. ##/#### und ##/####-.
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Auf Veranlassung des Klägers sind diese Verpflichtungserklärungen am 22.02.2002
urkundlich abgeändert worden, in dem der den gemeinschaftlichen Kindern Kind 1 und
Kind 2 geschuldete monatliche Unterhalt auf 39,30 Euro herabgesetzt worden ist
Urkunden des Stadtjugendamtes Aachen vom 22.02.2002 -Urkunden-Register-Nr.
##/#### und ##/#### -.
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In Ansehung der Titulierung des Kindesunterhalts durch die am 28.01.2002 errichteten
Jugendamtesurkunden haben die Parteien den Rechtsstreit AG Aachen 21 F 15/02 über
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Jugendamtesurkunden haben die Parteien den Rechtsstreit AG Aachen 21 F 15/02 über
die Zahlung von Kindesunterhalt in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt.
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Der Kläger wendet sich gegen die eingeleitete Zwangsvollstreckung aus den
Jugendamtsurkunden vom 28.01.2002 und bringt vor, diese seien durch Errichtung der
Abänderungsurkunden vom 22.02.2002 wirksam abgeändert worden. Damit sei den
Urkunden die Vollstreckbarkeit genommen worden.
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Der Verpflichtungsgrund sei zudem hinfällig geworden, nachdem der Kläger die
Verpflichtungserklärungen wegen Irrtums angefochten habe. Infolge des Wegfalls des
Verpflichtungsgrundes werde vielmehr für die Zeit vom 01 .02. bis 31 .05.2002
Kindesunterhalt, wie beziffert, gesetzlich geschuldet. Die Zwangsvollstreckung, die die
Beklagte, gestützt auf die Jugendamtesurkunden vom 28.01.2002 eingeleitet habe,
erfolge damit zu Unrecht, zumal der materiell geschuldete Unterhalt beglichen und die
Unterhaltsforderung damit erloschen sei.
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Der Kläger beantragt,
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die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Jugendamtes
der Stadt Aachen vom 28.01 .2002 (Geschäfts-Nr. ###/##) für unzulässig zu
erklären;
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die vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde des Jugendamtes der Stadt
Aachen vom 28.01.2002 (Geschäfts-Nr. ###/##) an ihn herauszugeben;
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hilfsweise
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die Urkunden zur Verpflichtung über Unterhaltsleistungen des Jugendamtes
Aachen -Urkunden-Register-Nr. ##/#### und ##/####-
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zu Gunsten von Kind 1 und Kind 2 ab dem 01 .02.2002 dahin abzuändern,
dass der Kläger:
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a)
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In der Zeit vom 01.02.2002 bis zum 31.05.2002 einen monatlichen Unterhalt
von 49,84 Euro und
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b)
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ab dem 01.06.2002 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 138,27 Euro
jeweils zum 1. eines Monats im voraus zu zahlen habe.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bringt vor, der Kläger sei unbeschadet der vorgenommenen einseitigen
Abänderung an die Urkunden vom 28.01 .2002 weiter rechtlich gebunden.
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Titelgläubiger seien überdies die gemeinschaftlichen Kinder, nicht aber die Beklagte.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nicht begründet.
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Weder die Vollstreckungsabwehrklage noch die hilfsweise erhobene Abände-
rungsklage greifen durch.
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Der Durchsetzung der Vollstreckungsgegenklage steht entgegen, dass den Urkunden
des Stadtjugendamtes Aachen vom 28.01.2002 -Urkunden-Register-Nr. ##/#### und
###/####- die Rechtswirksamkeit nur durch Erhebung einer Abänderungsklage, nicht
aber durch Errichtung von Abänderungsurkunden genommen werden kann, da es sich
bei diesen Urkunden um vollstreckbare Urkunden im Sinne des § 323 Abs. 4 BGB
handelt; vgl. BGH FRZ 1982, 915; 1984, 997; OLG Köln FRZ 2000, 905 ff.
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Deren Rechtswirksamkeit kann somit nicht durch eine Abänderungsurkunde beseitigt
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werden, so dass die Wirkung der urkundlichen Abänderung vom 22.02.2002, auf die der
Kläger sich beruft, ins Leere geht.
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Ebensowenig kommt der von dem Kläger geltend gemachte Erfüllungseinwand zum
Tragen, da von dem Kläger lediglich die Erfüllung der anerkannten materiellen
Unterhaltsschuld, mithin für die Zeit Februar bis Mai 2002 eines monatlichen
Kindesunterhaltes von jeweils 49,84 Euro und für die Zeit ab dem 01.06.2002 eines
monatlichen Kindesunterhaltes von jeweils 138,27 Euro angesprochen wird, nicht aber
die von den Titelgläubigern beigetriebene Unterhaltsforderung in Höhe des
Differenzbetrages bis 177,-- Euro, die somit erkennbar nicht erloschen ist.
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Auch durch die hilfsweise erhobene Abänderungsklage kann der Kläger die
Vollstreckung nicht abwenden, da er an die Urkunden des Stadtjugendamtes Aachen
vom 28.01.2002 weiter rechtlich gebunden ist. Eine Abänderung der urkundlichen
Verpflichtungserklärung unter Heranziehung der Grundsätze über den Wegfall der
Geschäftsgrundlage, die möglich wäre, wenn die zur Grundlage der urkundlichen
Verpflichtung gehörenden wirtschaftlichen Verhältnisse eine Änderung erfahren hätten
und daran anknüpfend für den Kläger ein Festhalten an die urkundliche Verpflichtung
nicht zugemutet werden könnte, kommt nicht zum Tragen, da die zur Grundlage der
urkundlichen Verpflichtung gehörenden wirtschaftlichen Verhältnisse eine Änderung
nicht erfahren haben.
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Die urkundlichen Verpflichtungserklärungen des Klägers vom 28.01.2002 können
schließlich nicht gemäß § 812 Abs. 2 BGB rückgängig gemacht werden, da ein Irrtum
des Klägers über die rechtliche Einordnung sowie die Bindungswirkungen der
Jugendamtsurkunden rechtlich unbeachtlich sind. Eine Kondiktion des
Schuldanerkenntnisses kann schließlich nicht auf einen Irrtum des Klägers über die zur
Grundlage gehörenden wirtschaftlichen Verhältnisse gestützt werden, da das Bestehen
einer Unterhaltsschuld außer Streit ist und die Verkennung wirtschaftlicher Positionen
sowie eine fehlerbehaftete Unterhaltsberechnung nicht als ein tragfähiger Irrtum
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aufgefasst werden kann.
Einer Beseitigung der Wirkungen der urkundlichen Verpflichtungserklärungen und den
damit abgegebenen deklaratorischen Schuldanerkenntnissen steht schließlich
entgegen, dass der Kläger durch Errichtung der Jugendamtesurkunden ersichtlich den
Streit oder die Unsicherheit über den Inhalt des zwischen ihm und den
gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern bestehenden Rechtsverhältnisses beenden
und eine klare Rechtslage schaffen wollte; vgl. Paland, § 780 Rd.-Ziff. 13 m.w.N.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Ziff. 11, 711 Satz 1 ZPO.
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Streitwert: 4.248,-- Euro.
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Ss
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