Urteil des AG Aachen vom 06.07.2007
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Amtsgericht Aachen, 11 C 125/07
Datum:
06.07.2007
Gericht:
Amtsgericht Aachen
Spruchkörper:
Einzelrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 C 125/07
Tenor:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen sie zur
Vollstreckung kommenden Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d
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Der Beklagte ist Eigentümer und Halter eines Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen
##000-##-. Dieses Fahrzeug ist bei der Klägerin haftpflichtversichert.
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Mit diesem Fahrzeug verursachte die Ehefrau des Beklagten am 30.10.2005 unter
erheblichen Alkoholeinfluss einen Verkehrsunfall, bei dem Sachschaden in Höhe von
über 10.000,00 EUR entstanden sein soll.
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Die Klägerin regulierte die an mehreren Fremdfahrzeugen entstandenen Schäden und
nahm zunächst bei der Ehefrau des Beklagten als mitversicherten Fahrer Regress
gemäß § 2 b AKB / § 6 VVG in Höhe von 5.000,00 EUR. Es besteht zwischen der
Klägerin und der Ehefrau des Beklagten insoweit eine Ratenzahlungsvereinbarung über
diesen Betrag.
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Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin nunmehr Regressansprüche gegen den
Beklagten als ihren Versicherungsnehmer geltend. Dieser saß an dem Unfalltag als
Beifahrer im versicherten Fahrzeug, das von seiner Ehefrau gesteuert wurde.
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Die Klägerin begründet ihren zweiten Regressanspruch gegen den Beklagten damit,
dass der Beklagte als Halter des Fahrzeuges und ihr Versicherungsnehmer zugelassen
habe, dass seine Ehefrau in erkennbarer angetrunkenen Zustand das Fahrzeug
steuerte.
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Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin berechtigt ist, den auf 5.000,00 EUR
begrenzten Regress nunmehr zum zweiten Mal geltend zu machen.
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Die Klägerin ist der Auffassung, es handele sich um zwei verschiedene
Obliegenheitsverletzungen, die nach der herrschenden Rechtsprechung auch getrennt
und doppelt regressiert werden könnten.
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Sie beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.000,00 EUR nebst Zinsen in
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Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 22.02.2006,
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10,00 EUR Mahnkosten und vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von
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250,15 EUR zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er bestreitet zunächst, schuldhaft zugelassen zu haben, dass seine Ehefrau das
Fahrzeug unter Alkoholeinfluss steuert. Er bestreitet, die Alkoholisierung seiner Ehefrau
bemerkt zu haben.
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Darüber hinaus bestreitet er die von der Klägerin behaupteten Zahlungen an die
Geschädigten des Unfallereignisses.
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Zur Rechtslage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Rückgriff von der Klägerin
wegen ein- und desselben Sachverhaltes nicht zwei Mal geltend gemacht werden
könne.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen
gewechselten Schriftsätze und den von ihnen zu den Akten gereichten Unterlagen
ergänzend Bezug genommen. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des
Unfallgeschehens wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten 50 Ds 211/06
Amtsgericht Aachen ergänzend verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist nicht begründet.
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Dem Versicherungsvertrag des Beklagten mit der Klägerin lagen die Allgemeinen
Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) zugrunde.
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Diese sehen einen Haftungsausschluss des Versicherers im Falle einer vereinbarten
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und zulässigen Obliegenheitsverletzung vor.
Dabei regelt § 2 b AKB die Einschränkung des Versicherungsschutzes im Falle der
Verletzung einer Obliegenheit
vor
e AKB wird der Versicherer in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung von der
Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Fahrer in Folge Genusses alkoholischer
Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher
zu führen. Grundlage für diese Klausel der AKB ist die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Ziffer
5 KfzPflVV. Dort heißt es: "Als Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles
können nur vereinbart werden die Verpflichtung ... das Fahrzeug nicht zu führen oder
führen zu lassen, wenn der Fahrer infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder
anderer berauschender Mittel dazu nicht sicher in der Lage ist."
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Zugleich bestimmt § 5 Abs. 3 KfzPflVV, dass bei der Verletzung einer derartigen
Obliegenheit die Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber dem
Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen auf den Betrag von höchstens
je 5.000,00 EUR beschränkt ist.
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Darüber hinaus regelt § 7 AKB die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers bzw. der
mitversicherten Personen
im
eingetreten ist. Gemäß § 7 I 2 AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu
tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich
sein kann. Wird eine solche Obliegen vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, so
bestimmt § 7 V Ziffer 1 AKB, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer
gegenüber von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, sofern die Verletzung Einfluss
auf die Feststellung des Versicherungsfalles und auf die Feststellung oder den Umfang,
der dem Versicherer obliegenden Leistung hatte. Bezüglich der Begrenzung der
Leistungsfreiheit (§ 7 V Ziffer 2 AKB) gilt hier § 6 KfzPflVV, wonach je nach Schwere der
Obliegenheitsverletzung die Leistungsfreiheit auf einen Betrag von 2.500,00 bzw.
5.000,00 EUR begrenzt ist.
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Die zitierten Bestimmungen zeigen, dass der Versicherer im Versicherungsfalle dann
Rückgriff bei dem Versicherungsnehmer nehmen kann, wenn dieser den
Versicherungsfall durch grob fahrlässige Verletzung einer Obliegenheit herbeigeführt
hat, aber auch dann, wenn im Anschluss an den Versicherungsfall die Aufklärung
seines Hergangs und/oder mit ihm die Ermittlung des Umfangs der Haftung des
Versicherers erschwert oder vereitelt wird. Schon die Trennung, die die §§ 5 und 6
KfzPflVV vornehmen, zeigt, dass zwei völlig verschiedene Tatbestände mit zwei sich
daraus ergebenden Rechtsfolgen geregelt werden. Dementsprechend ist, wenn
Obliegenheitsverletzungen "vor" und "im" Versicherungsfalle gegeben sind, eine
zweifache Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers nicht ausgeschlossen (so
auch BGH, Urteil vom 14.09.2005, Aktenzeichen: IV ZR 216/04; OLG Schleswig, Urteil
vom 30.10.2002, Aktenzeichen: 9 U 150/01, abgedruckt in VersR 2003, Seite 637 ff. mit
zahlreichen weiteren Nachweisen; anders: OLG Nürnberg, Urteil vom 27.07.2000,
Aktenzeichen: 8 U , abgedruckt in VersR 2001, Seite 231 ff.).
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Diese Ansicht rechtfertigt sich dadurch, dass der Versicherer mit beiden Klauseln
unterschiedliche Interessen wahren will. Die Regelung in § 2 b Abs. 1 AKB soll schon
den Eintritt des Versicherungsfalles verhindern, in dem sie besonders gefahrenträchtige
Verhaltensweisen sanktioniert und das versicherte Risiko dadurch begrenzt (BGH
a.a.O.). Bei § 7 I Ziffer 2 AKB steht hingegen das Aufklärungsinteresse des Versicherers
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im Vordergrund, der gesicherte Feststellungen zum Versicherungsfall treffen möchte
und bestrebt ist, den Schaden und damit seine Einstandspflicht möglichst gering zu
halten (BGH a.a.O.).
Ein solcher Fall, wie er in den drei vorzitierten Urteilen entschieden worden ist, liegt
aber hier nicht vor. Beide Verhaltensweisen, die des Beklagten als
Versicherungsnehmers und seiner Ehefrau als mitversicherter Person sind
Obliegenheitsverletzungen, die vor dem Eintritt des Versicherungsfalles gelegen sind
und damit der Sanktion des § 2 b Ziffer 1 e AKB unterliegen. Es liegt also hier nicht der
Fall der Obliegenheitsverletzungen mit zwei Schutzrichtungen vor, sondern eine
Kumulation von zwei Obliegenheitsverletzungen mit gleicher Schutzrichtung. Das
Interesse des Versicherers geht im Falle des § 2 b Ziffer 1 e AKB dahin, dass vor Eintritt
eines Versicherungsfalles nicht bereits eine Gefahrerhöhung dadurch eintritt, dass das
Kraftfahrzeug von einem Fahrer gelenkt wird, der infolge des Genusses alkoholischer
oder anderer berauschender Getränke nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu
führen, weil sich hierdurch die Wahrscheinlichkeit eines Versicherungsfalles zweifellos
erhöht. Die Möglichkeit des Gefahreneintritts wird aber nicht dadurch erhöht, verstärkt
oder verändert, dass neben dem Tatbestand des Fahrens unter Alkoholeinfluss der
Beklagte als Versicherungsnehmer gegen diese Trunkenheitsfahrt nichts unternommen
hat.
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Es handelt sich also um
eine
mit gleicher Schutzfunktion für den Versicherer, an der lediglich zwei versicherte
Personen beteiligt waren. Dies rechtfertigt nach Auffassung des Gerichts nicht, § 2 b
Ziffer 2 AKB, § 5 Abs. 3 KfzPflVV zweifach anzuwenden und damit den maximalen
Betrag der Leistungsfreiheit doppelt zu berechnen.
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Unstreitig ist, dass die Ehefrau des Beklagten als mitversicherte Person bereits gemäß §
2 b AKB in Anspruch genommen worden ist und ihre Verpflichtung zur Zahlung
anerkannt hat. Daneben ist für eine weitere Inanspruchnahme des Beklagten als
Versicherungsnehmers aus der gleichen Vorschrift kein Raum.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11 und
711 ZPO.
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Becker
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