Urteil des AG Aachen vom 26.01.2010

AG Aachen (öffentliches recht, staatsanwaltschaft, besuch, verteidigung, stpo, tag, zuständigkeit, subjektiv, antrag, verteidiger)

Amtsgericht Aachen, 621 Gs-901 Js 212/09-120/10
Datum:
26.01.2010
Gericht:
Amtsgericht Aachen
Spruchkörper:
Abteilung 621
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
621 Gs-901 Js 212/09-120/10
Schlagworte:
Besuchsgenehmigung für nicht mandatierten Rechtsanwalt
Normen:
StPO §§ 119 Abs. 4, 148, 148a
Leitsätze:
1. Ein von dem Untersuchungsgefangenen nicht mandatierter
Rechtsanwalt hat kein subjektiv-öffentliches Recht auf Erteilung einer
Besuchsgenehmigung.
2. Die Erteilung einer Besuchsgenehmigung hängt davon ab, ob der
Untersuchungsgefangene einen entsprechenden Besuchswunsch
geäußert hat oder ein solcher unterstellt werden kann.
3. Der Ermittlungsrichter ist nicht verpflichtet, bei einer
Mandatsanbahnung zu vermitteln und den Untersuchungsgefangenen
zu befragen, ob er den Besuch des Rechtsanwalts wünscht.
Tenor:
In dem Ermittlungsverfahren
wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels
wird festgestellt, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, Herrn
Rechtsanwalt T. eine Besuchserlaubnis zu verweigern, rechtmäßig ist.
G r ü n d e :
1
Gegen den Beschuldigten erging am 08.12.2009 wegen Verdachts des
gewerbsmäßigen Drogenhandels ein Untersuchungshaftbefehl (621 Gs 2049/09 c). Der
Beschuldigte wurde am 15.12.2009 festgenommen und dem Gericht am 16.12.2009 zur
Bekanntgabe des Haftbefehls vorgeführt. Im Vorführtermin bestellte sich Rechtsanwalt
G. zum Verteidiger des Beschuldigten und beantragte seine Beiordnung. Dem Antrag
wurde noch am selben Tag von dem Landgericht Aachen stattgegeben.
2
Mit Schriftsatz vom 30.12.2009 an die Staatsanwaltschaft Aachen bat Herr Rechtsanwalt
T. um die Erteilung einer Besuchserlaubnis "zwecks Mandatsanbahnung". Er fügte
3
hinzu, dass er den Beschuldigten bereits am 04.01.2010 in der Justizvollzugsanstalt
besuchen wolle.
Die Staatsanwaltschaft erwiderte hierauf unter dem 04.01.2009 wie folgt:
4
"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt T.,
5
Ihr vorbezeichnetes Faxschreiben ist hier am 30.12.2009, 14.39 Uhr, eingegangen
und wurde der Unterzeichnerin wegen der nachfolgenden Feiertage/Wochenende
erst heute, 04.01.2010, vorgelegt.
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Zur Bescheidung Ihres Antrages auf Erteilung einer Besuchserlaubnis zwecks
Mandatsanbahnung bitte ich um nähere Darlegung, auf wessen Veranlassung
das Mandatsanbahnungsgespräch stattfinden soll. Alsdann wird kurzfristig über
Ihren Antrag entschieden werden.
7
Hochachtungsvoll"
8
Noch am selben Tag antwortete Herr Rechtsanwalt T. auf dieses Schreiben wie folgt:
9
"Sehr geehrte Frau Staatsanwältin C.,
10
Ihr Faxschreiben vom 04.01.09 habe ich erhalten.
11
Mit allem Respekt weise ich Sie daraufhin, dass es Sie nichts angeht, wer mich
gebeten hat, die Verteidigung von Herrn P. zu übernehmen. Ich bitte Sie, mir eine
Besuchserlaubnis unverzüglich zu erteilen. Sollte ich die Besuchserlaubnis nicht
bis morgen früh, 10:00 Uhr erhalten haben, werde ich die dann erforderlichen
Schritte - auch gegen Sie - einleiten.
12
Mit vorzüglicher Hochachtung"
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Mit Schreiben vom 05.01.2010 lehnte die Staatsanwaltschaft die beantragte
Besuchserlaubnis ab. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen
in dem genannten Schreiben Bezug genommen (Bl. 1181 d.A.).
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Am 09.01.2010 teilte der Beschuldigte in einem selbst verfassten Schreiben mit, dass
Herr Rechtsanwalt C1. in Nettetal seine Verteidigung übernehmen werde.
15
Mit Schriftsatz vom 13.01.2010 beantragte Herr Rechtsanwalt T. gegen die Versagung
der Besuchserlaubnis durch die Staatsanwaltschaft die gerichtliche Entscheidung.
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Nach Überprüfung ist festzustellen, dass die Staatsanwaltschaft nicht verpflichtet war,
Herrn Rechtsanwalt T. eine Besuchserlaubnis zu erteilen, und ihre ablehnende
Entscheidung vom 05.01.2010 somit als rechtmäßig zu werten ist.
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Der Beschuldigte hat sich im Vorführtermin am 15.12.2009 damit einverstanden erklärt,
dass die Zuständigkeit für die Genehmigung von Besuchen auf die Staatsanwaltschaft
übertragen wird. Entsprechend der ab 01.01.2010 geltenden neuen Gesetzeslage
wurde die diesbezügliche Zuständigkeit mit Beschluss vom 08.01.2010 – 621 Gs 21/10 -
nochmals auf die Staatsanwaltschaft übertragen (§ 119 Abs. 2 Satz 2 StPO).
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Der von Herrn Rechtsanwalt T. gewünschte Besuch bedurfte, was dieser auch nicht
verkennt, ungeachtet seines Status als Organ der Rechtspflege der Genehmigung.
Ausgenommen von der Genehmigungspflicht sind gemäß § 119 Abs. 4 StPO in
Verbindung mit §§ 148, 148a StPO nur Besuche seitens des Verteidigers. Der
ungehinderte schriftliche und mündliche Verkehr zwischen dem Verteidiger und dem
Beschuldigten gehört nämlich zu den unabdingbaren Voraussetzungen einer freien
Verteidigung. Über eine ihm von dem Beschuldigten erteilte Strafprozessvollmacht
verfügt Herr Rechtsanwalt T. bis zum heutigen Tag jedoch nicht. Mandatiert worden sind
bislang nur die Herren Rechtsanwälte G. und C1.
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Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Besuchserlaubnis zu erteilen ist, ist in
der Strafprozessordnung nicht geregelt. Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Erteilung
einer Besuchserlaubnis besteht weder für Rechtsanwälte noch für sonstige Personen.
Abzustellen ist deshalb letztlich darauf, ob der Beschuldigte selbst den Besuch wünscht.
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Ein entsprechender Besuchswunsch kann unterstellt werden, wenn sich nahe
Angehörige des Inhaftierten melden und eine Besuchsgenehmigung beantragen.
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Nicht anders dürfte die Situation zu beurteilen sein, wenn ein Rechtsanwalt glaubhaft
versichert, er sei von Angehörigen mit der Übernahme der Verteidigung beauftragt
worden.
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Lehnt der Rechtsanwalt es hingegen unter Berufung auf die anwaltliche Schweigepflicht
ab, den ihm erteilten Besuchsauftrag offen zu legen, kann ein Besuchsinteresse des
Beschuldigten nicht ohne weiteres unterstellt werden. Es ist nämlich nicht selten zu
beobachten, dass Rechtsanwälte insbesondere in Fällen, die öffentliches Aufsehen
erregt haben, eine Besuchserlaubnis beantragen, obwohl sie weder von dem
Beschuldigten noch von dessen Angehörigen um einen Besuch gebeten worden sind.
Es läge nicht im Interesse des Beschuldigten, derartigen Anträgen wahllos
stattzugeben. Auch sind weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft verpflichtet, bei
derartigen von Rechtsanwälten intendierten Mandatsanbahnungen vermittelnd tätig zu
werden, indem sie z.B. den Beschuldigten um Mitteilung bitten, ob er einen Besuch des
antragstellenden Rechtsanwalts wünscht. Vielmehr ist es allein Sache des
Rechtsanwalts, den Beschuldigten anzuschreiben und ihm seine Dienste anzubieten.
Erklärt sich der Beschuldigte hierauf mit einem Besuch des Rechtsanwalts
einverstanden, steht der Erteilung einer Besuchsgenehmigung nichts mehr im Wege.
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So liegt der Fall hier. Wenn Herr Rechtsanwalt T. meint, es gehe die Staatsanwaltschaft
nichts an, wer ihn gebeten hat, die Verteidigung des Beschuldigten zu übernehmen,
kann er von der Staatsanwaltschaft weder eine Besuchserlaubnis noch eine
anderweitige Mitwirkung bei der Mandatsanbahnung beanspruchen.
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Aachen, 26.01.2010
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Amtsgericht, Abt. 621
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Gehlen
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Richter am Amtsgericht
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