martina heck

20.04.2016

Wasserschäden am Wohnhaus, Zivilprozesskosten und die außergewöhnlichen Belastungen

Als außergeöhnliche Belastungen in der Steuererklärung absetzbar können auch Zivilprozesskosten zur Abwehr von Wasserschäden am Wohnhaus sein, wenn der Eigentümer ohne den Zivilprozess Gefahr laufen würde, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

In einem aktuell vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall war der Kläger Eigentümer eines bebauten Grundstücks, welches unweit eines Flusses liegt. Der Fluss wird zum Betrieb einer Turbine regelmäßig auf eine Höhe von 75,76 m.ü.NN angestaut. Dadurch tritt Wasser in die Kelleranlagen im Gebäude des Klägers ein. Der Turbinenbetreiber berief sich darauf, dass er aufgrund eines alten Rechts zum Anstauen befugt sei.

Ein Sachverständigengutachten, das im Rahmen eines beim Landgericht durchgeführten selbständigen Beweisverfahrens eingeholt worden war, kam zu dem Ergebnis, dass das Eindringen des Flusswassers vermieden werden könnte, wenn die Anstauhöhe geringer wäre. Ansonsten sei ein Wassereintritt „nur unter größten Schwierigkeiten“ zu verhindern und dies auch nur „mit Kosten, welche mit Sicherheit außerhalb jeder Wirtschaftlichkeit stünden“.

Auf Grundlage dieses Gutachtens erhob der Kläger gegen den Turbinenbetreiber vor dem Landgericht Klage mit dem Ziel, es zu unterlassen, den Fluss über eine Höhe von 74,71 m.ü.NN aufzustauen. Der Kläger bestritt, dass dem Turbinenbetreiber ein entsprechendes Recht zustehe, es fehle insoweit an einer Eintragung im Wasserbuch.

Die dem Kläger für diesen Rechtsstreit entstandenen Kosten (Verfahrensgebühr, Gutachtenkosten, Rechtsanwaltsgebühren) in Höhe von insgesamt 7.195,42 EUR machte er im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastungen geltend.

Das Finanzamt lehnte die steuerliche Berücksichtigung der Kosten ab, das Niedersächsische Finanzgericht gab der hiergegen gerichtetet Klage statt.

Auf die Revision des Finanzamtes hat der Bundesfinanzhof die Entscheidung ds Finanzgerichts nun aufgehoben, da keine ausreichenden Feststellungen erfolgt seien, welche Folgen die Untrlassung ds Zivilprozesses gehabt hätte.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.

Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit. Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war. Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Allgemeinen bei einem Zivilprozess. Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen.

Dagegen nahm der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 12.05.2011 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Auffassung hat auch das Niedersächsische Finanzgericht dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.

Der Bundesfinanzhof hält an seiner in dem Urteil vom 12.05.2011 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18.06.2015 entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil 12.05.2011 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück.

Nach diesen Maßstäben sei auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.

Das Finanzgericht ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, wobei der Bundesfinanzhof nicht in der Sache selbst entscheiden konnte, da er auf Grundlage der bisherigen Feststellungen insbesondere nicht entscheiden konnte, ob der Kläger ohne die mit dem Zivilprozess verfolgte Abwehr weiterer aufstaubedingter Hochwasserschäden an seinem Wohnhaus Gefahr gelaufen wäre, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Das wäre insbesondere der Fall, wenn der Kläger durch das Aufstauen des Flusses Gefahr liefe, sein Wohnhaus nicht mehr weiter zu Wohnzwecken nutzen zu können. Denn das Wohnen betrifft grundsätzlich einen existenziell wichtigen Bereich, es gehört zum verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum. Dementsprechend haben sowohl die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als auch die Finanzverwaltung immer schon bei Verlust von Hausrat und Kleidung aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses die Voraussetzungen des § 33 EStG bejaht und insbesondere nicht grundsätzlich zwischen dem Verlust lebensnotwendiger Bedarfsgegenstände einerseits und einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des ebenfalls lebensnotwendigen privaten Wohnens andererseits unterschieden. Eine solche schwerwiegende Beeinträchtigung des lebensnotwendigen privaten Wohnens und eine damit einhergehende existenzielle Betroffenheit ist allerdings nicht schon mit jedem beliebigen Schaden an dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Haus des Steuerpflichtigen gegeben. Eine solche existenzielle Betroffenheit liegt vielmehr nur dann vor, wenn die Nutzung des Wohnhauses zu eigenen Wohnzwecken ernsthaft in Frage gestellt ist.

Das Niedersächsische Finanzgericht hat bisher keine Feststellungen zum Umfang der durch das Aufstauen des Flusses bewirkten Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit des Hauses getroffen. Sollte das Finanzgericht danach zu der Würdigung gelangen, dass der Kläger in seiner Wohnsituation durch das Aufstauen des Flusses im vorgenannten Sinne gravierend beeinträchtigt ist, ist ein solcher existenziell wichtiger Bereich berührt, so der Bundesfinanzhof. Dann kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen. In solchen Fällen erwachsen die Prozesskosten zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.01.2016 – VI R 40/13