martina heck

09.03.2016

Kein Mitverschulden des gebissenen Geschädigten durch Zustimmung zum Ableinen eines Hundes

Das Landgericht Köln hat die Berufung gegen ein Urteil des Amtsgericht Bergheim zurückgewiesen, mit dem einer Arbeitgeberin  Ersatz des ihr durch die Entgeltfortzahlung für ihren durch einen Hundebiss arbeitsunfähigen Mitarbeiter entstandenen Schaden zugesprochen wurde.

Im Streit stand, ob der beklagte Hundehalter in vollem Umfange für die Verletzungen und damit die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, der ebenfalls einen Hund führte, haftet.

Die Haftung des Beklagten folgt hier aus § 833 BGB, wonach der Tierhalter verpflichtet ist, dem Verletzten den – etwa aus einer Körper- oder Gesundheitsverletzung – entstandenen Schaden zu ersetzen. Im Sinne des § 833 S. 1 BGB ist ein Schaden durch ein Tier verursacht, wenn sich die durch die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens hervorgerufene Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum verwirklicht hat. Bei mitwirkender Verursachung des Schadens durch die vom eigenen Tier des Geschädigten ausgehende Tiergefahr muss sich der Geschädigte seine eigene Tierhalterhaftung entsprechend § 254 BGB anrechnen lassen.

Haben bei der Schadensentstehung dem Geschädigten zuzurechnende Umstände mitgewirkt, so ist ihm dies als Mitverantwortlichem entgegenzuhalten. Bei zwei beteiligten Tieren verschiedener Halter bestimmt sich die Ersatzpflicht nach dem Gewicht, mit dem die Tiergefahr beider Tiere im Verhältnis zueinander wirksam geworden ist. Entscheidend ist, in welchem Maße das in den Tieren jeweils verkörperte Gefahrenpotential konkret auf die Schädigung eingewirkt hat. Tritt ein mitwirkendes Verursachen und Verschulden des Verletzten hinzu, so ist eine Abwägung zwischen dem Maß der Verursachung und des Verschuldens des Geschädigten und den Auswirkungen der Tiergefahr vorzunehmen.

In dem konkreten Fall bedeutete dies folgendes:

Die tierspezifische Gefahr des vom Geschädigten geführten Hundes hat sich hier nicht ausgewirkt, denn der Jack-Russell-Terrier des Geschädigten hat – abgesehen von seiner Anwesenheit – unstreitig keinen Beitrag zu diesem Geschehen geleistet.

Ein berücksichtigungsfähiges Mitverschulden des Geschädigten nach § 254 BGB war ebenfalls nicht feststellbar.

Dabei war von der klägerischen Beweislast unter Anwendung des Beweismaßes des § 286 ZPO auszugehen. Bei der Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO muss sich der Richter mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandersetzen; er ist dabei lediglich an die Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und – ausnahmsweise – an etwaige vorhandene Beweisregeln gebunden; im übrigen darf er die im  Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten. Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat der Richter nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es allerdings nicht erforderlich, auf jedes einzelne Detail des Parteivorbringens ausführlich einzugehen. Es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat.

Es kann dahinstehen, ob die Kontaktaufnahme der Tierhalter vor dem Ableinen der Hunde unstreitig ist, denn es obliegt allein dem jeweiligen Tierhalter zu beurteilen, wie der von ihm geführte Hund im Falle eines Ableinens reagieren wird. Deshalb ist selbst bei unterstellter Zustimmung des Geschädigten zum Ableinen der Hunde, eine Sorgfaltspflichtverletzung des Geschädigten nicht feststellbar.

Zur Höhe stellte das Landgericht fest, dass grundsätzlich ein Abzug ersparter berufsbedingter Aufwendungen des Geschädigten auch im Rahmen des § 6 EFZG in Betracht kommt, da es sich um einen Anspruchsübergang handelt, weshalb der Arbeitgeber nicht mehr erhalten kann, als der geschädigte Arbeitnehmer selbst. Hier ist die Behauptung solcher Aufwendung in Höhe von 10 % indes zu pauschal und auch im Übrigen hier nicht schätzbar, § 287 ZPO. Zwar werden vielfach nach Leitlinien pauschale Abzüge – z.B. von 5% des Einkommens – anerkannt. Der Abzug einer solchen Pauschale ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn überhaupt berufsbedingte Aufwendungen konkret angeführt sind oder jedenfalls entsprechende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Geschädigte überhaupt berufsbedingte Aufwendungen gehabt hat. Anhaltspunkte hierfür gab es nicht.

Landgericht Köln, Urteil vom 21.10.2015 – 13 S 79/15