martina heck

10.12.2015

Die Einfuhrumsatzsteuer und der Vorsteuerabzug

Der Bundesfinanzhof hatte darüber zu entscheiden, inwieweit der Betreiber eines Zolllagers zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt ist.

In dem entschiedenen Fall betrieb die Klägerin ein Zolllager Typ D, in dem sie Waren einer Schwestergesellschaft sowie Waren zweier anderer GmbHs einlagerte.

Das zuständige Hauptzollamt stellte Fehlmengen fest und setzte aufgrund einer Bestandsaufnahme Einfuhrumsatzsteuer fest. Grundlage für das Entstehen der Einfuhrumsatzsteuer war ein Entziehen von Nichtgemeinschaftsware aus der zollamtlichen Überwachung. Die Klägerin entrichtete die Einfuhrumsatzsteuer in Teilbeträgen und nahm im Umfang dieser Zahlungen den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG vor. Den Vorsteuerabzug beanstandete das beklagte Finanzamt, da der Klägerin nicht die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für den Vorsteuerabzug aus Einfuhrumsatzsteuer erforderliche Verfügungsmacht zugestanden habe, und erließ geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Weder der Einspruch nocjh die nachfolgende Klage beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht Finanzgericht hatten Erfolg.

Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Betreiber eines Zolllagers im Hinblick auf die ihm gegenüber gemäß Art. 203 Zollkodex i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG berechtigt sei, wenn er keine Verfügungsbefugnis an den eingeführten Waren hatte. Das Erfordernis einer Verfügungsmacht ergebe sich sowohl aus der nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG erforderlichen Einfuhr für das Unternehmen wie auch aus dem unionsrechtlichen Kriterium der Verwendung eingeführter Gegenstände für Zwecke der besteuerten Umsätze. Abweichendes ergebe sich weder aus den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG noch aus denen der Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL).

Mit ihrer Revision machte die Klägerin nun geltend, dass sie zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Es komme auf eine Einfuhr für das Unternehmen und für Zwecke besteuerter Umsätze an. Die Inanspruchnahme des Zolllagerinhabers aufgrund zollrechtlicher Verfehlungen erfolge für Zwecke seines Unternehmens. Der direkte Zusammenhang zum Unternehmen der Klägerin ergebe sich daraus, dass nur Unternehmer zum Betrieb eines Zolllagers berechtigt seien. Es handele sich daher um Kosten ihrer allgemeinen Unternehmenstätigkeit. Der Unternehmer dürfe durch die Umsatzsteuer nicht belastet werden. Dies ergebe sich zumindest aus dem Unionsrecht.

Der Bundesfinanzhof hat zunächst mit Beschluss vom 16.06.2015 das Ruhen des Verfahrens gemäß § 155 FGO i.V.m. § 251 S. 1 ZPO bis zu einer Entscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-187/14 DSV Road A/S angeordnet. Mit Urteil vom 25.06.2015 C-187/14 (EU:C:2015:421) hat der EuGH in dieser Rechtssache entschieden, dass Art. 168 Buchst. e MwStSystRL

einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den Abzug der vom Beförderer der betreffenden Waren, der nicht deren Einführer oder Eigentümer ist, sondern sie lediglich befördert und die Zollabfertigung ihres Versands im Rahmen seiner mehrwertsteuerpflichtigen Beförderungstätigkeit vorgenommen hat, geschuldeten Einfuhrumsatzsteuer ausschließt„.

Daraufhin hat der Bundesfinanzhof die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG konnte der Unternehmer „die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen in das Inland eingeführt worden sind“, als Vorsteuer abziehen. Seit 2004 bestand das Abzugsrecht des Unternehmers für „die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 eingeführt worden sind“.

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG beruht unionsrechtlich zunächst auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG und ab 2007 auf Art. 168 Buchst. e MwStSystRL. Durch den Übergang von der Richtlinie 77/388/EWG zur MwStSystRL ist es nicht zu inhaltlichen Änderungen gekommen. Unionsrechtlich besteht danach das Abzugsrecht des Steuerpflichtigen (Unternehmers), für „die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat geschuldet wird oder entrichtet worden ist“, soweit „die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden“.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG voraus, dass dem Unternehmer die Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand zusteht. Daran fehlt es z.B., wenn ein ausländischer Unternehmer einem inländischen Unternehmer einen Gegenstand zur Nutzung überlässt, ohne ihm die Verfügungsmacht an dem Gegenstand zu verschaffen. Hieran hat sich durch die in 2004 in Kraft getretene Neuregelung nichts geändert. Sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage kommt es auf eine Einfuhr für das Unternehmen des Abzugsberechtigten an.

Der Bundesfinanzhof hält an seiner ständigen Rechtsprechung – unter Aufgabe der im Urteil vom 23.09.2004 geäußerten Zweifel – auch unter Berücksichtigung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Vorgaben fest.

Zum Unionsrecht hat der EuGH im Urteil DSV Road A/S (EU:C:2015:421) entschieden, dass Art. 168 Buchst. e MwStSystRL einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den Abzug der vom Beförderer (der betreffenden Waren, der nicht deren Einführer oder Eigentümer ist, sondern sie lediglich befördert und die Zollabfertigung ihres Versands im Rahmen seiner mehrwertsteuerpflichtigen Beförderungstätigkeit vorgenommen hat) geschuldeten Einfuhrumsatzsteuer ausschließt.

Zur Begründung weist der EuGH in Rz 49 f. seines Urteils DSV Road A/S (EU:C:2015:421) darauf hin, dass nach dem Wortlaut von Art. 168 Buchst. e MwStSystRL ein Recht auf Vorsteuerabzug nur besteht, soweit die eingeführten Gegenstände für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet werden. Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung zum Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen entrichteten Mehrwertsteuer sei diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn die Kosten der Eingangsleistungen Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen fänden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefere oder erbringe. Daher bestehe kein Abzugsrecht nach Art. 168 Buchst. e MwStSystRL, wenn der Wert der beförderten Waren nicht zu den Kosten gehöre, die in die von einem Beförderer, dessen Tätigkeit sich auf die entgeltliche Beförderung dieser Waren beschränke, in Rechnung gestellten Preise einflössen.

Dementsprechend verneint der EuGH das Abzugsrecht des Beförderers, der Nichtgemeinschaftsware in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren befördert, wobei er die sich aus diesem Verfahren ergebenden Verpflichtungen verletzt und deshalb in Bezug auf die von ihm beförderte Ware für Zoll und Einfuhrumsatzsteuer in Anspruch genommen wird.

Die EuGH-Rechtsprechung gibt keinen Anlass, auf das Auslegungsmerkmal der Verfügungsmacht zu verzichten. Es ist lediglich unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils DSV Road A/S (EU:C:2015:421) dahingehend zu präzisieren, dass die für den Vorsteuerabzug aus Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG maßgebliche Einfuhr für das Unternehmen des Abzugsberechtigten dann vorliegt, wenn die Einfuhrumsatzsteuer Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen findet, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefert bzw. erbringt.

Im Streitfall gehört die Einfuhrumsatzsteuer nicht zu den Kostenelementen der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin als Betreiberin eines Zolllagers. Für sie gilt dasselbe wie für den Beförderer eingeführter Gegenstände, für den der EuGH im Urteil DSV Road A/S (EU:C:2015:421) den Vorsteuerabzug aus der Einfuhrumsatzsteuer verneint. Wie sich aus Rz 18 und 48 dieses EuGH-Urteils ergibt, genügt es für eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus Einfuhrumsatzsteuer als „Einführer“ nicht, dass die Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt wird. Die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer gegenüber der Klägerin macht diese daher nicht zum Einführer.

Gegenteiliges ergibt sich unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils DSV Road A/S (EU:C:2015:421) auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Weiterbelastung von Kosten durch den Beförderer oder Lagerhalter an den jeweiligen Auftraggeber.

Allein das Entstehen der Einfuhrumsatzsteuer reicht für einen Vorsteuerabzug nach dem EuGH-Urteil DSV Road A/S (EU:C:2015:421) gerade nicht aus.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2015 – V R 68/14