martina heck

24.03.2016

Das Arbeitszeitkonto für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH stösst beim Bundesfinanzhof nicht auf Gegenliebe

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass es mit dem Aufgabenbild eines GmbH-Geschäftsführers nicht vereinbar ist, dass er durch die Führung eines Arbeitszeitkontos auf seine unmittelbare Entlohnung zu Gunsten später zu vergütender Freizeit verzichtet.

In dem entschiedenen Fall hatte der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH mit dieser vereinbart, dass ein Teil seines Gehalts auf ein „Investmentkonto“ abgeführt werden konnte, das für den Geschäftsführer bei einer Bank eingerichtet wurde. Mit dem Guthaben sollte ein vorgezogener Ruhestand oder die Altersversorgung des Geschäftsführers finanziert werden. Die GmbH zahlte monatlich 4.000 € auf das Investmentkonto ein. Die GmbH bildete in Höhe dieser Zahlungen eine einkommensmindernde Rückstellung für ein „Zeitwertkonto“. Lohnsteuer wurde insoweit nicht einbehalten. Der Geschäftsführer erhielt nur noch ein entsprechend gemindertes lohnsteuerpflichtiges Gehalt.

Der Bundesfinanzhof folgte dem nicht, da eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) vorliege, die das Einkommen der GmbH nicht mindert. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde mit einem Fremdgeschäftsführer kein Arbeitszeit- oder Zeitwertkonto vereinbaren.

Unter einer vGA im des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.

Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahe stehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt. Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen.

Vor diesem Hintergrund liegt in der im Streitfall in Rede stehenden einkommensmindernden Bildung von Rückstellungen im Rahmen der „Vereinbarung zur Ansammlung von Wertguthaben auf Zeitwertkonten“ nach Auffassung des Bundesfinanzhofs eine vGA vor.

Dabei mag dahinstehen, ob der Vereinbarung die steuerliche Anerkennung aufgrund des Fehlens eines für eine veränderte Gehaltsvereinbarung erforderlichen Gesellschafterbeschlusses nach § 46 Nr. 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu versagen ist.

Dies kann offen bleiben, da die im Streitfall getroffene Vereinbarung über die Ansammlung von Wertguthaben im Rahmen eines Zeitwertkontos nicht dem entspricht, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter mit einem Fremdgeschäftsführer vereinbaren würde.

Der Geschäftsführer muss sich regelmäßig in besonderem Maße mit den Interessen und Belangen der von ihm geleiteten Gesellschaft identifizieren. Er besitzt für die GmbH eine „Allzuständigkeit“ und damit eine Gesamtverantwortung, wenn er – wie im Streitfall – deren alleiniger Geschäftsführer ist. Es kommt deshalb weniger darauf an, dass der Geschäftsführer eine bestimmte Stundenzahl pro Arbeitstag für die Gesellschaft leistet. Vielmehr bestimmt der Geschäftsführer regelmäßig seine Arbeitszeit selbst. Dies bedeutet auch, dass er – abgegolten durch die Gesamtausstattung – die notwendigen Arbeiten auch dann erledigen muss, wenn dies einen Einsatz außerhalb der üblichen Arbeitszeiten oder über diese hinaus erfordert.

Mit diesem Aufgabenbild verträgt sich eine Vereinbarung, in der auf die unmittelbare Entlohnung zu Gunsten von späterer (vergüteter) Freizeit verzichtet wird, nicht, sie entspräche – zeitversetzt – der mit der Organstellung unvereinbaren Abgeltung von Überstunden.
Dies gilt auch für die im Streitfall gewählte Form eines entgeltumwandlungsbasierten Arbeitszeitkontos. Zwar erfolgt hierbei die Gutschrift während der Ansparphase nicht unmittelbar in Zeiteinheiten, sondern in Form eines Wertguthabens. Letztlich wird aber auch hier durch laufenden Gehaltsverzicht Freizeit – in Form der Freistellungsphase – erkauft. Dies gilt umso mehr, als die im Streitfall gewählte Freistellungsvereinbarung dem Geschäftsführer nicht nur die vollständige Freistellung, sondern auch den teilweisen Ausstieg aus der aktiven Arbeitsphase erlaubt. Auch dies ist mit der Organstellung nicht vereinbar.

Die daraus abzuleitende Folge – das Vorliegen einer vGA – scheitert auch nicht an dem Fehlen einer hierfür erforderlichen Vermögensminderung.

Bei der Frage, ob eine Minderung des Unterschiedsbetrags nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG vorliegt, ist auf den einzelnen Geschäftsvorfall abzustellen. Die Vermögensminderung liegt in der Einzahlung der Kapitalbeträge auf das Investmentkonto und in dem entsprechenden durch den Ausweis als Betriebsaufwand ausgelösten Vermögensabgang.

Dass die Klägerin gleichzeitig das an den Geschäftsführer zu zahlende laufende Gehalt um diesen Betrag gemindert hat, ändert daran nichts. So fehlt es – spiegelbildlich zur Vereinbarung über die Einzahlung auf das Investmentkonto – bereits an einer hinreichend bestimmten Abrede über die Verringerung des laufenden Gehalts. Eine „Neutralisierung“ des aus der Bildung der Rückstellung folgenden Aufwands durch einen – insbesondere der Höhe nach – nicht eindeutig bestimmten Verzicht auf einen Teil des laufenden Gehalts und den damit verringerten Gehaltsaufwand scheidet aufgrund der wechselseitigen gesellschaftlichen Veranlassung aus.

Der jeweilige Geschäftsvorfall unterfällt der jeweiligen körperschaftsteuerlichen Folge, nicht der Saldo aus der Vermögensminderung – hier: die durch das Gesellschaftsverhältnis bedingte Zahlung auf das Investmentkonto – und der fehlenden Vermögensminderung – hier: der geminderte Aufwand für das laufende Gehalt -. Beide Vorfälle sind vielmehr auseinander zu halten und steuerrechtlich eigenständig zu behandeln.

Die Argumentation des Finanzgerichts ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht darin zu folgen, dass ein einheitlicher, denklogisch nicht trennbarer Geschäftsvorfall vorliegt. Bei beherrschenden Gesellschaftern kann nur dann von gegenseitig zu verrechnenden Vermögensvorteilen ausgegangen werden, wenn sie – woran es im Streitfall fehlt – auf einer im Voraus getroffenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung beruhen. Jedem Gesellschafter – insbesondere jedem beherrschenden Gesellschafter – steht es frei, seiner Gesellschaft Vorteile aller Art als verlorenen Gesellschafterzuschuss zuzuführen. Vor diesem Hintergrund lässt die Verringerung des monatlich ausgezahlten Gehalts keinen Schluss darüber zu, ob dieser Vorgang im Rahmen der für eine vGA erforderlichen Vermögensminderung zu berücksichtigen ist oder aber als verlorener Gesellschafterzuschuss gewährt wird. Fehlt es an einer von vornherein abgeschlossenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung, hätten Gesellschafter und Gesellschaft es jeweils in der Hand, sich im Nachhinein für die günstigere Gestaltung zu entscheiden.

Anders als das Finanzgericht Saarland meint, gilt dies auch vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 28.04.2010. Zwar fehlte es in jener Sachkonstellation an einer Minderung des Unterschiedsbetrags nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, soweit eine Pensionsrückstellung gegenläufig aufgelöst wurde. Zum einen war jedoch – anders als im Streitfall – die außerbilanzielle Hinzurechnung der als vGA zu beurteilenden Zuführungen zur Pensionsrückstellung in der Anwartschaftsphase unterblieben und konnte aufgrund der Bestandskraft der entsprechenden Steuerbescheide nicht nachgeholt werden. Zum anderen betraf die Entscheidung eine Abfindungszahlung, der – im Gegensatz zur Minderung des laufenden Gehalts im Streitfall – gerade die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis fehlte.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesfinanzhofs  vom 28.01.2004. In jener Entscheidung wurden zwar ersparte Aufwendungen in Form von fiktiven Arbeitgeberbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt. Doch betraf dies nur die Situation, in der die Angemessenheit von Rückstellungen zu beurteilen war, die für eine für Fälle der dauernden Berufs- und Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts vorgesehene Invaliditätsrente gebildet wurden, und damit die fehlende Anwartschaft auf eine gesetzliche Rentenversicherung ersetzt wurde. So verhält es sich im Streitfall, in dem es sich nicht um Ersparnisse aus der Ersetzung einer gesetzlichen Rente handelt, sondern um eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste fehlende Vermögensminderung, jedoch nicht.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.11.2015 – I R 26/15