martina heck

08.06.2015

Ausführen eines Hunderudels aus Gefälligkeit und die Verkehrssicherungspflichten

Mit der Frage der Haftung einer Person, die mehrere (fremde) Hunde ausführt, hat sich das Oberlandesgericht Hamm als Berufungsinstanz beschäftigt.

Die Beklagte führte drei angeleinte Hunde aus, neben ihrem eigenen Schäferhund aus Gefälligkeit einen Boxermischling und den Cane Corso eines Bekannten. Der Cane Corso sprang die Klägerin überraschend an, als die Klägerin die Beklagte mit den Hunden passieren wollte. Die Klägerin erlitt Schürfwunden und unter ihrem Auge eine kleinere blutende Ges ichtsverletzung, die unter Narbenbildung verheilte.

Das Oberlandesgericht Hamm ist in seienr Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verkehrssicherungspflicht desjenigen, der lediglich aus Gefälligkeit einen Hund ausführt, durch die Vorschriften des LHundG NRW konkretisiert wird. So sind Hunde gem. § 2 Abs. 1 LHundG im Sinne einer allgemeinen – also eben nicht auf Hundehalter oder (vertraglich gebundene) Hundeaufseher beschränkten – Pflicht so zu beaufsichtigen, dass von ihnen keine Gefahr für Leben und/oder Gesundheit von Menschen ausgeht.

Das gleichzeitige Ausführen von 3 Hunden, die nicht zu den kleineren Rassen zählen (sog. „Rudelführung“), ist zwar nach dem LHundG nicht unzulässig oder verboten, aber nach Lage der Verhältnisse geeignet, das Gefährdungspotential für Dritte zu erhöhen.

Das Gericht hat die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Dortmund damit inswoeit bestätigt, als darin festgestellt wurde, dass keine Ansprüche der Klägerin gem. §§ 833 S. 1, 834 S. 1 BGB gegen die Beklagte bestehen, da diese weder Tierhalterin noch Tieraufseherin bezüglich des betroffenen Hundes der Rasse Cane Corso war.

Die Klägerin hat aber, so nun das Oberlandesgericht, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens gem. § 823 Abs. 1 BGB.

Die die Beklagte insoweit treffende Verkehrssicherungspflicht besteht darin, dass jeder, der – wie hier die Beklagte – aus Gefälligkeit einen Hund ausführt, sich so zu verhalten hat, dass naheliegende Gefahren für Dritte nach Möglichkeit vermieden werden. Schließlich muss derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, alle nach Lage der Verhältnisse notwendigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter treffen.

Diesen Pflichtenkreis hat der Gesetzgeber durch die Vorschriften des LHundG NRW konkretisiert. So sind Hunde gem. § 2 Abs. 1 LHundG im Sinne einer allgemeinen – also eben nicht auf Hundehalter oder (vertraglich gebundene) Hundeaufseher beschränkten – Pflicht so zu beaufsichtigen, dass von ihnen keine Gefahr für Leben und/oder Gesundheit von Menschen ausgeht. Ferner bestand bezüglich des konkreten Tieres gem. § 11 Abs. 6 S. 1 LHundG eine zwingende Leinenpflicht auf allen öffentlichen Straßen, da der  Cane Corso ein großer Hunde i.S.d. § 11 Abs. 1 LHundG war.

Daraus folgt, dass die Beklagte verpflichtet war, den Hund so zu führen, dass kein (anderer) Passant durch den Hund gefährdet oder verletzt wurde. Diese Verkehrssicherungspflicht hat sie verletzt, da sie den Hund zwar an der Leine hielt, aber nicht so  unter Kontrolle hatte, dass er sich nicht von sich aus, also in Verwirklichung der Tiergefahr, die Klägerin anspringen und verletzen konnte, wobei unerheblich ist, ob die unstreitig von der Klägerin erlittene Gesichtsverletzung auf einen Biss oder einen Kontakt mit einer Pfote bzw. Kralle zurückzuführen ist.

Nach ihrer eigenen Einlassung hat die Beklagte den Hund zwar eng bei sich gehalten, als sich die Klägerin näherte.

Dies genügte aber nicht. Vielmehr hätte die Beklagte ein Hochspringen des Hundes durch hinreichend festen Griff von vornherein vermeiden müssen. Dazu hatte sie unter Zugrundelegung ihrer Angaben bei ihrer persönlichen Anhörung im Senatstermin auch ganz konkreten Anlass, da ihr bekannt war, dass der Hund zum Schmusen schon einmal an Personen hochzuspringen und ihnen die Pfoten auf die Schultern zu legen pflegte.

Auch nach Einlassung der Beklagten konnte der Hund an der Klägerin nur deshalb hochspringen, weil die Beklagte ihn unter Verletzung ihrer Pflicht gem. § 2 Abs. 1 LHundG nicht fest genug gehalten hatte, so dass die Leine wegrutschen konnte.

Das mag darin begründet liegen, dass die Beklagte ihre Aufmerksamkeit und Reaktionsmöglichkeiten, insbesondere auch körperlichen Eingriffsmöglichkeiten, im Vorfeld verringert hat. Schließlich führte sie gleich drei Hunde an der Leine, nämlich außer dem Cane Corso links von ihr noch einen Boxermischling und ihren eigenen Schäferhund rechts von ihr.

Auch wenn die Vorschrift des § 5 Abs. 4 S. 4 LHundG, die das gleichzeitige Führen mehrerer gefährlicher Hunde verbietet, nicht anwendbar ist, weil die konkret von der Beklagten geführten Tiere einschließlich des Cane Corso keine gefährlichen Hunde i.S.d. § 3 Abs. 1 LHundG waren, erhöht unzweifelhaft die gleichzeitige Führung von 3 Hunden, die nicht zu den kleineren Rassen zählen, die die Beklagte treffenden Anforderungen zum Schutze Dritter. Eine derartige „Rudelführung“ war folglich zwar nach dem LHundG nicht unzulässig oder verboten, steigerte nach Lage der Verhältnisse aber das Gefährdungspotential für Dritte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte nach ihren eigenen Angaben in dieser Art der Hundeführung komplett ungeübt war, da sie zum ersten Mal in dieser Weise mit den Hunden unterwegs war.

Die nach alledem gegebene Haftung der Beklagten ist auch nicht durch eine Mithaftung der Klägerin gemindert.

Die Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis eines Mitverschuldens der Klägerin i.S.d. § 254 Abs. 1 BGB nicht geführt.

Insbesondere steht nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Oberlandesegrichts Hamm fest, dass die Klägerin auf den Hund zugegangen ist, um ihn zu streicheln, oder gar die Hand nach seinem Kopf ausgestreckt hat.

Mangels haftungsmindernden Mitverschuldens der Klägerin haftet die Beklagte dieser gem. § 823 Abs. 1 BGB auf vollen Schadensersatz gem. § 249 Abs. 1 BGB sowie auf Schmerzensgeld gem. § 253 Abs. 2 BGB.

Die Beklagte hatte aus diesem Grunde Schadenersatz- und Schmerzensgeldbeträge zu leisten.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 03.02.2015 – 9 U 91/14