Rechtsanwalt Dipl.-Ing. Jean-Claude Bisenius

75245, Neulingen
Rechtsgebiete
Insolvenzrecht Handelsrecht und Gesellschaftsrecht Internationales Wirtschaftsrecht
22.11.2016

Europäische Kommission schlägt Maßnahmenpaket zur Restrukturierung von Unternehmen vor

Věra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, stellt den Richtlinienvorschlag in Straßburg vor

Gut funktionierende Insolvenz- und Restrukturierungssysteme sind nach Ansicht der Europäischen Kommission für die Förderung des Wirtschaftswachstums von zentraler Bedeutung. Ihr Vorschlag für eine Direktive des Europäischen Parlaments und des Europarats soll Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten gestatten, frühzeitig Restrukturierungen durchzuführen, um eine Insolvenz und die Entlassung von Mitarbeitern zu vermeiden. Wird die Insolvenz trotzdem unvermeidlich, sollen Unternehmer danach eine zweite Chance erhalten. Die Richtlinie zielt auch darauf ab, effizientere und wirksamere Insolvenzverfahren in der gesamten EU einzuführen.

Der Richtlinienvorschlag konzentriert sich auf drei wesentliche Aspekte:

  • Gemeinsame Grundsätze für eine frühzeitige Restrukturierung, die Unternehmen helfen soll, ihre Tätigkeit fortzusetzen und Arbeitsplätze zu erhalten.
  • Bestimmungen für eine zweite Chance für Unternehmer, die nach einem Zeitraum von höchstens drei Jahren eine vollständige Schuldenbefreiung erhalten sollen. Derzeit gibt die Hälfte der Europäer an, dass sie aus Angst vor dem Scheitern kein Unternehmen gründen würden.
  • Gezielte Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die Effizienz der Insolvenz-, Restrukturierungs-und Schuldbefreiungsverfahren zu erhöhen. Dadurch sollen sich die übermäßig langen und teuren Verfahren in vielen Mitgliedstaaten der EU verringern, die zu Rechtsunsicherheit für Gläubiger und Anleger sowie zu niedrigen Verteilquoten führen.

 

Die folgenden Grundsätze sollen sicherstellen, dass der Insolvenz- und der Restrukturierungsrahmen EU-weit kohärent und effizient wird:

  • Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten, insbesondere KMU, sollen Zugang zu Frühwarnsystemen erhalten, um eine sich verschlechternde Geschäftslage erkennen und die Restrukturierung in einer frühen Krisenphase in Angriff nehmen zu können.
  • Flexible präventive Restrukturierungsrahmen sollen langwierige, komplexe und kostspielige Gerichtsverfahren vereinfachen. Erforderlichenfalls müssen nationale Gerichte in den Schutz der Interessen von Beteiligten eingebunden werden.
  • Der Schuldner erhält einen befristeten Schutz von höchstens vier Monaten vor Vollstreckungsmaßnahmen, um Verhandlungen mit den Gläbigern und eine erfolgreiche Restrukturierung zu ermöglichen.
  • Eine Minderheit von Gläubigern und Anteilsinhabern mit abweichender Meinung kann Sanierungspläne nicht blockieren;  die legitimen Interessen der obstruirenden Parteien sollen jedoch gewahrt bleiben.
  • Neue Finanzmittel („Fresh Money“), welche für eine erfolgreiche Sanierung  notwendig sind, sollen bei einer eventuellen späteren Insolvenz einen Vorrang genießen und vor der Insolvenzanfechtung geschützt sein.
  • Bei den präventiven Restrukturierungsverfahren sollen die Arbeitnehmer arbeitsrechtlich vollen Schutz durch die bestehenden EU-Rechtsvorschriften genießen.
  • Schulungen und Spezialisierung von Angehörigen der Rechtsberufe und Gerichte sowie der Einsatz von Technologien (z. B. für die elektronische Antragstellung, Mitteilungen an Gläubiger) sollen die Effizienz von Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren verbessern sowie deren Verfahrensdauer verkürzen.

 

Der Richtlinienvorschlag ist in englischer Sprache abrufbar unter: http://ec.europa.eu/information_society/newsroom/image/document/2016-48/proposal_40046.pdf