Rechtsanwalt Ingo Driftmeyer

24103, Kiel
Rechtsgebiete
Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht und Medienrecht Wettbewerbsrecht
16.05.2012

OLG Hamm: Verkauf von Kosmetikprodukten mit der Bezeichnung „Bio-Oil“ auf eBay irreführend

OLG Hamm, Urteil vom 27.03.2012, Az.: I-4 U 193/11

Das OLG Hamm hat den Handel mit Kosmetikprodukten unter der Bezeichnung „Bio-Oil“ auf eBay für wettbewerbswidrig erklärt.


Sachverhalt :

Ein Verkäufer hatte über eBay ein als „Bio-Oil“ bezeichnetes Hautpflegeöl aus den Bestandteilen Ringelblumenextrakt, Lavendelöl, Rosmarinöl und Öl der römischen Kamille angeboten. Neben diesen pflanzlichen Bestandteilen waren jedoch in nicht unerheblichen Mengen auch Paraffine und weitere Stoffe chemisch-industriellen Ursprungs beigefügt.

Ein Wettbewerbsverein mahnte den Verkäufer daraufhin wegen irreführender Werbung ab und klagte auf Unterlassung.

In erster Instanz wies das LG Bielefeld die Klage noch ab mit der Begründung, der Begriff „Bio“ werde in der Werbung heute inflationär (so etwa mit dem Verkauf von Bio-Diesel) gebraucht, so dass der angesprochene Verbraucher damit rechne, dass trotzdem Anteile nicht biologischer Inhaltsstoffe vorhanden sein können.

Zusammenfassung der Entscheidungsgründe:

Das OLG Hamm dagegen verurteilte den Verkäufer zur Unterlassung.

Einschlägig war hier das spezielle Irreführungsgebot für Bedarfsgegenstände gemäß § 27 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB), das dem Irreführungstatbestand des § 5 UWG vorrangig ist, sich inhaltlich jedoch weitgehend mit diesem deckt.

Die anzuwendende Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 b) lautet:

„Es ist verboten, kosmetische Mittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für kosmetische Mittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben.

Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über  Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Herkunft oder Art der Herstellung verwendet werden“.

Die Feststellung einer Irreführungsgefahr hat nach dem Verständnis der Werbeaussage aus der Perspektive des angesprochenen Verkehrskreises (Abnehmerkreises) zu erfolgen. Weicht dieses Verständnis von der tatsächlichen Sachlage ab, dann ist die Werbung irreführend.

Angesprochen ist hier uneingeschränkt der Kreis der Endverbraucher.

Der Endverbraucher verstehe die Bezeichnung eins Produktes mit der Vorsilbe „Bio“  so, dass das bezeichnete Kosmetikum zumindest überwiegend, das heißt zu 50 % + X aus natürlichen Inhaltsstoffen zusammengesetzt sei. Er wisse aber auch, dass sich aus Gründen der Haltbarkeit ein vollständiger Verzicht auf chemische Zusatzstoffe nicht immer durchhalten lasse.

Bei Kosmetik-Produkten aber, die auf die Haut aufzutragen seien, legten Verbraucher besonderen Wert darauf, dass diese naturbelassen seien. Daher reiche es nicht aus, dass das Öl hier überhaupt (in nur untergeordnetem Umfang) pflanzliche Bestandteile aufweise.

Das Vorstellungsbild des Verbrauchers werde aber auch nicht durch Hinweise auf die tatsächliche Zusammensetzung korrigiert, wie sie der Verpackung zu entnehmen seien. Denn die Verpackung sei im eBay-Angebot zwar abgebildet, jedoch nur deren Vorderseite, auf der die Liste der Inhaltstoffe nicht abgedruckt sei.

Der somit gewonnene Bedeutungsgehalt aus Sicht des Verbrauchers weiche aber von der Realität ab.

Denn das Produkt „Bio-Öl“ enthalte überwiegend nicht biologische Zutaten. Dies ergebe sich aus  Liste der Inhaltsstoffe  auf der Verpackung, wonach Paraffinum Liquidum (Paraffinöl), Triisononanoin, Cetearyl Ethylhexanoate und Isopropyl Myristate an den ersten vier Stellen standen, wobei gesetzlich vorgegeben ist, dass die Inhaltsstoffe in der Reihenfolge ihres Mengenanteiles aufzuführen sind (§§ 5, 5a KosmetikV). Das Überwiegen chemisch-industrieller Anteile hatte der Verkäufer im Verfahren nicht bestritten, so dass dieser Vortrag als gegeben unterstellt werden konnte.

Anmerkung: Das Urteil überzeugt. Insbesondere ist –in Abweichung zur Ansicht der Vorinstanz LG Bielefeld – richtig, dass das Verständnis der Werbeaussage „Bio“ vom jeweiligen Produkt abhängt, also die Verbrauchererwartungen bei Körperpflegeprodukten und Lebensmitteln sehr viel höher sind als etwa bei Bio-Diesel oder Bio-Gas. Denn die erstgenannten Produkte haben auf Grund Ihrer Verwendung (Anwendung am Körper, Verzehr) eine sehr viel höhere Relevanz für die eigene Gesundheit.

Mit der Einschätzung, der Verbraucher erwarte eine Zusammensetzung aus pflanzlichen Inhaltsstoffen von „50 % + X“ ist das OLG sogar noch sehr großzügig. Die Erwartung, dass das Produkt nahezu ausschließlich aus Zutaten biologischer Herkunft bestehe, dürfte naheliegender sein.