Rechtsanwalt Finn Dethleff

80331, München
Rechtsgebiete
Handelsrecht und Gesellschaftsrecht
02.02.2022

Das Herabsetzen der Vorstandsvergütung in der AG - Wann darf der Aufsichtsrat davon absehen?

Schon seit fast zwei Jahren bestimmt die Covid-19-Pandemie das öffentliche Leben, aber auch immer mehr die Leitungs- und Überwachungsorgane deutscher Unternehmen. Wo aufgrund des Pandemiegeschehens Umsatzeinbußen und größere finanzielle Verluste zu verzeichnen waren, wird von Aufsichtsräten vermehrt die Frage nach einer Verpflichtung zur Herabsetzung der Vorstandsbezüge diskutiert.

Wann setzt man die Vorstandsvergütung herab?

Die Frage lässt sich mit einem Blick in § 87 Abs. 2 S. 1 AktG beantworten. Demzufolge ist der Aufsichtsrat zuständig für die Ausführung der Herabsetzung auf eine angemessene Höhe, wenn die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft sich nach der Festsetzung so verschlechtert, dass ein Weitergewähren der vereinbarten Vorstandsvergütung für die Gesellschaft eine Unbilligkeit darstellen würde.

Wenn man sich die Voraussetzung für die Herabsetzung genauer ansieht, lässt sich feststellen, warum die Regelung in deutschen Aktiengesellschaften heute kaum Anwendung findet.

1.     Verschlechterung der finanziellen Lage

Die Verschlechterung muss nach Abschließen des Anstellungsvertrages eintreten. Keine Erforderlichkeit ist eine unmittelbar bevorstehende Insolvenz oder etwa eine existenzbedrohende Krise. Vielmehr genügt für eine Herabsetzung der Vorstandsvergütung bereits, dass sich die Gesellschaft gezwungen sieht Mitarbeiter zu entlassen oder Löhne zu kürzen und keine Gewinne mehr ausschütten zu können.

2.     Weitergewähren der vereinbarten Bezüge unbillig

Neben der verschlechterten wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft nach Abschluss des Anstellungsvertrages muss das Weitergewähren der vereinbarten Vorstandsvergütung zusätzlich für die Gesellschaft unbillig sein. Problematisch wird der Begriff „unbillig“ in der Praxis, da er sehr schwammig ist.

Ein pflichtwidriges ebenso wie kein pflichtwidriges – aber zurechenbares – Verhalten des Vorstandsmitglieds, welches zu Verschlechterung der finanziellen Lage der Gesellschaft beigetragen hat, kann im Endeffekt unbillig erscheinen. Es muss also im jeweiligen Einzelfall eine Abwägung der Vermögenslage der Gesellschaft mit den Interessen des betroffenen Vorstandsmitglieds stattfinden.

3.     Herabsetzen der Vorstandsvergütung

Liegen die beiden Voraussetzungen vor, ist der Aufsichtsrat regelmäßig dazu verpflichtet, die Vergütung des Vorstandes auf eine angemessene Höhe herabzusetzen. Die Entscheidung dafür muss vom gesamten Aufsichtsrat beschlossen werden, nicht von einem Ausschuss.

Wird die Vergütungsherabsetzung nicht befristet, muss der Aufsichtsrat regelmäßig prüfen, ob die Herabsetzungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen. Ist das nicht der Fall, muss er die Vergütung, unter Umständen schrittweise, wieder anheben.

Gibt es Ausnahmen, um die Vorstandsvergütung nicht herabsetzen zu müssen?

Der Aufsichtsrat darf von einem Beschluss nur im Ausnahmefall absehen. Ein solcher kann vorliegen, wenn das Unternehmensinteresse die Folgen einer Herabsetzung der Vorstandsvergütung überwiegt. Nach der Herabsetzung der Vergütung haben die Vorstandsmitglieder beispielsweise ein Recht zur außerordentlichen Kündigung und das Unternehmen läuft Gefahr seine Vorstandsmitglieder zu verlieren.

Darüber hinaus kann ein besonderes Interesse daran bestehen, dass das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit nicht gemindert wird. Der Zweck dahinter ist, dass Banken, Lieferanten und andere Marktteilnehmer durch öffentliche gerichtliche Auseinandersetzungen nicht dazu bewegt werden sollen, ihre Geschäftsbeziehung mit der Gesellschaft an die verschlechterte Lage anzupassen.

Der Aufsichtsrat ist also verpflichtet, das Interesse der Gesellschaft an einer Herabsetzung der Vorstandsvergütung mit allen potenziellen Folgen eines solchen Herabsetzungsbeschlusses sorgfältig abzuwägen.

Das Haftungsrisiko der Vorstandsvergütung trägt der Aufsichtsrat

Liegen die genannten Voraussetzungen für den Beschluss einer Vergütungsherabsetzung vor, ein Ausnahmefall aber nicht und der Aufsichtsrat fasst keinen Beschluss, droht den Mitgliedern des Aufsichtsrates eine Pflicht zum Ersatz des daraus resultierenden Schadens der Gesellschaft. In der Praxis wird der Vorstand aber häufig keine Ansprüche gegen die Aufsichtsratsmitglieder geltend machen und auch nicht durchsetzen. Selten besteht jedoch ein gesteigertes Interesse des Vorstandes an einer Verfolgung der unterlassenen Herabsetzung der Vorstandsvergütung.

Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn sich die finanzielle Lage der Gesellschaft weiter verschlechtert und sich unvermeidbar ein Insolvenzverfahren anbahnt. Der Insolvenzverwalter wird dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit selbst prüfen, ob und warum die Aufsichtsratsmitglieder bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Vorstandsvergütung nicht herabgesetzt haben, und entsprechende Schadensersatzansprüche gegen sie geltend machen.

Dokumentation kann den Allerwertesten retten

Unsere Empfehlung an Aufsichtsratsmitglieder lautet daher wie folgt: Vor jeder Entscheidung, jedem Beschluss über die Herabsetzung der Vorstandsvergütung sollte eine vollumfängliche Informationsgrundlage geschaffen werden. Darüber hinaus sollten Abwägungsprozess wie Entscheidungsfindung lückenlos dokumentiert werden.

Weitere Informationen zur Vorstandsvergütung finden Sie auf unserer Webseite: https://www.rosepartner.de/vorstandsverguetung.html