Rechtsanwalt Bernfried Rose

20354, Hamburg
Rechtsgebiete
Erbrecht Mediation
02.07.2019

Fairnessparagraph im Urheberrecht – keine Vergütung für Erbin eines VW-Mitarbeiters

Vor dem Landgericht Braunschweig wollte die Erbin eines verstorbenen Käfer-Konstrukteurs eine nachträgliche Vergütung nach dem Urheberrecht erstreiten und scheiterte damit. Bei den Zeichnungen des Erblassers handele es sich nicht um ein urheberrechtlich geschütztes Werk (Urteil v. 19.06.2019; Az.: 9 O 3006/17).

Nachträgliche Vergütung für Kult-Käfer?

Seit 1931 hatte der verstorbene Erblasser bei Porsche gearbeitet und war auch an der Konstruktion des ersten Käfermodells beteiligt gewesen. 1966 verstarb der ehemalige VW-Mitarbeiter. Nun forderte die Tochter als Erbin ihres Vaters einen nachträglichen Vergütungsanspruch von Volkswagen. Ihrer Ansicht nach waren die Zeichnungen ihres Vaters maßgeblich für die Konstruktion des Ur-Käfers, er somit Schöpfer eines Werkes, welches sich noch heute in den Beetle-Modellen von VW wiederspiegelt. Ihr stehe daher ein nachträglicher Vergütungsanspruch nach dem „Fairnessausgleich“ des Urheberrechtes zu, so die Erbin.

Volkswagen dagegen selbst stellte schon die angebliche Miturheberschaft des Erblassers in Frage. Die Konstruktion des Käfer-Modells sei technisch bedingt gewesen und beruhe zudem auf bekannten Vorbildern anderer Fahrzeuge. Bei den Zeichnungen des Mannes handele es sich daher schon nicht um urheberrechtlich geschützte Werke.

Fairnessparagraph sorgt für nachträgliche Gewinnbeteiligung

Die Klägerin dagegen ging von einem geschützten Werk ihres Vaters aus und stützte den verlangten Anspruch auf eine Vorschrift des Urhebergesetzes die zu einer nachträglichen Vergütung eines Urhebers führt. Die Vorschrift gewährt einen Anspruch auf Einwilligung zur Vertragsänderung, die zu einer nachträglichen Bezahlung des Urhebers führen soll.
Der Ausgleich soll besonders in solchen Fallgestaltungen greifen, wenn die Rechte zur Benutzung des urheberrechtlich geschützten Werks unter Bedingungen eingeräumt wurden, die außer Verhältnis zu den Vorteilen der Nutzung stehen und sich so im Nachhinein und Missverhältnis ergibt. Dabei komme es bei dem Anspruch der nachträglichen Vergütung  auch darauf an, wie groß der Anteil des Urhebers am tatsächlichen Erfolg ist.

Das Gericht hatte nun also zu klären, ob auf Seiten des Erblassers ein solcher Fairnessausgleich zu gewähren werde, der nun von der Erbin geltend gemacht werden könnte.

Zeichnungen über Ur-Käfer nicht urheberrechtlich geschützt.

Im Ergebnis verneinten die Richter einen solchen Anspruch.
Zum einen urteilte das Gericht, dass die Zeichnungen des Erblassers schon kein vom Urheberrecht geschütztes Werk darstellten. Dafür wurden zwei der Zeichnungen des verstorbenen Käfer-Konstrukteurs begutachtet. Diese seien letztlich aber nicht als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt. Vielmehr bestanden zur Zeit der Anfertigung der Zeichnungen bereits zahlreiche Entwürfe, die das Konzept der Karosserie des Fahrzeugs ebenfalls beinhalteten. Außerdem konnte die Erbin nicht nachweisen, dass ihr Vater auch tatsächlich an den Entwürfen für den ur-Käfer beteiligt war.

Zudem unterfielen die Zeichnungen, selbst bei unterstellter Schutzfähigkeit, der freien Benutzung nach dem Urheberrecht. Dabei ist die freie Benutzung von einer Bearbeitung des Werkes zu unterscheiden.

Nach dem Urheberrecht darf eine Benutzung oder andere Umgestaltung des Werkes nur mit Einwilligung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden. Ein selbstständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf dagegen ohne Zustimmung des Urhebers verwertet werden. Abgrenzungskriterium kann grundsätzlich sein, dass eine freie Nutzung nicht in einer Umgestaltung des fremden Werkes liegt, sondern das fremde Werk lediglich als Anregung für das eigene Werk dient.

Bei den seit 2014 gebauten Beetle-Modellen von Volkswagen handele es sich um eine freie Benutzung der Käfer-Konstruktion, da sich beide Modelle erheblich unterscheiden. Damit wurde  insgesamt ein übereinstimmender Gesamteindruck beider Modelle verneint. Damit liegt eine zulässige freie Benutzung vor, sodass eine Zustimmung eines etwaigen Urhebers nicht nötig ist.

Die Entscheidung betrifft eine interessante Schnittstelle zwischen Urheberrecht und Erbrecht. Der Erbe tritt als sogenannter Gesamtrechtsnachfolger in alle Rechtspositionen des Erblassers ein. Hierzu gehören auch besondere Ansprüche wie zum Beispiel aus dem urheberrechtlichen Fairnessausgleich. Mehr zur Rechtsstellung des Erben lesen Sie hier: https://www.rosepartner.de/erbe-anspruch-recht-pflicht-haftung.html