Rechtsanwalt Bernfried Rose

20354, Hamburg
Rechtsgebiete
Erbrecht Mediation
30.07.2015

Der Pflichtteilsverzicht und Erbverzicht in der aktuellen Rechtsprechung

Pflichtteilsverzichte und Erbverzichte sind wichtige Instrumente in der Nachfolgegestaltung. Richtig eingesetzt schaffen sie Gestaltungsspielräume und vermeiden im Erbfall einen Erbstreit um die Erbschaft. Ungeachtet dessen kommt es sowohl hinsichtlich ihrer Vereinbarung und Wirkung immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Lesen Sie nachfolgend, was sich bei der Rechtsprechung in Sachen Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht aktuell tut und bei welchem prominenten Fall es um einen Pflichtteilsverzicht geht.

Die Erstreckung des Erbverzichts auf Abkömmlinge (OLG Hamm)

Wer auf sein Erbe verzichtet und einen entsprechenden Erbverzichtsvertrag vor einem Notar unterzeichnet, sollte sich über die Folgen des Erbverzichts im Klaren sein. Zuständig ist hierfür eigentlich der mit der Beurkundung beauftragte Notar oder der mit der eigenen Interessenvertretung beauftragte Rechtsanwalt. Das das nicht immer funktioniert zeigt der Fall, den das Oberlandesgericht Hamm im Januar 2015 zu entscheiden hatte. Eine Tochter hatte auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet und dafür Zuwendungen erhalten. Als diese verstarb, kam es zum Erbstreit mit der Frage, ob sich ihr Verzicht auch auf ihre Kinder erstreckte. Das OLG sah dies so. Zwar sei nach dem Gesetz die Möglichkeit gegeben, dass sich der Erbverzicht nicht auf die Abkömmlinge erstrecke, hiervon sei aber in dem Erbverzichtsvertrag nicht Gebrauch gemacht worden. Der Erbteil der Verzichtenden sei mit dem Tod dem anderen Erben angewachsen.

Schenkung oder nicht? - die zivilrechtliche Einordnung der Abfindung (BGH)

Ein Erbverzicht wird in den meisten Fällen nur erklärt werden, wenn eine Abfindung an den Verzichtenden gezahlt wird. Wie eine solche Abfindung rechtlich zu qualifizieren ist, ist nicht immer eindeutig. Der BGH hat in einem Urteil aus dem Juli 2015 zu dieser Frage Stellung genommen. Ob eine im Zusammenhang mit einem Erbverzicht gewährte Zuwendung als Schenkung einzuordnen ist, sei – so der BGH – vorrangig vom Willen der Parteien abhängig. Wenn es dem Erblasser hauptsächlich darauf ankomme, dass der Empfänger der Zuwendung bzw. Abfindung auf sein Erbrecht verzichte, spreche dies dafür, eine solche Ausgleichszahlung als entgeltliche Gegenleistung zu klassifizieren. Steht dagegen die Zuwendung im Vordergrund und werde im Vertrag der Erbverzicht lediglich als besondere Form der Anrechnung auf das Erbe geregelt, liege eine Schenkung vor.
 

Die Abfindung für den Verzicht auf die Geltendmachugn des Pflichtteils als Nachlassverbindlichkeit (FG Baden-Württemberg)

Nahe Angehörige können auch nach dem Erbfall noch auf ihren Pflichtteil verzichten. Im Normalfall zahlt der Erbe dann für den Verzicht des Pflichtteilsberechtigten eine Abfindung. Dies hat nicht nur rechtliche sondern auch steuerliche Auswirkungen. Der Erbe darf die Abfindung nämlich bei der Erbschaftsteuererklärung als Nachlassverbindlichkeit geltend machen. Das FG Baden-Württemberg hat in Einer Entscheidung Ende 2014 klargestellt, dass dies aber nur für die tatsächlich geleistete Abfindungszahlung gelte. Dem bloßen Entstehen des Anspruchs auf einen Pflichtteil mit dem Erbfall komme erbschaftsteuerrechtlich noch keine Bedeutung zu. Die „Geltendmachung“ des Pflichtteilsanspruchs bestehe in dem ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben.

Hintergrund zum Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht

In der Praxis dominiert der Pflichtteilsverzicht, weil sich durch ihn, anders als beim Erbverzicht, nicht die Pflichtteilsquoten der anderen Angehörigen erhöhen.

Pflichtteilsverzichte spielen häufig bei der Unternehmensnachfolge eine bedeutende Rolle. Wird z.B. eines der Kinder als Firmennachfolger ausgewählt und als Haupterbe eingesetzt, müssen sich die weichenden Geschwister in der Regel mit dem Pflichtteil begnügen. Ist das Familienvermögen im Betrieb gebunden und gibt es wenig Liquidität, können diese Pflichtteilsansprüche dann zu einem existenziellen Problem für den Erben und das Familienunternehmen werden. Gerade in diesen Fällen sollte unbedingt zu Lebzeiten eine einvernehmliche Lösung im Familienkreis gefunden werden, die dann in aller Regel einen Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung enthält. Alternativ kann der Erblasser auch - wenn er rechtzeitig damit beginnt - Strategien zur Reduzierung des Pflichtteils verfolgen, indem er z.B. Unternehmensanteil bereits zu Lebzeiten an den Nachfolger verschenkt.

Weitere Informationen zum Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht: http://www.rosepartner.de/rechtsberatung/erbrecht-nachfolge/erbrecht-erbschaft-testament/pflichtteil-enterbung-beratung-und-vertretung/erbverzicht-pflichtteilsverzicht.html

Alles zum Pflichtteil, zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen und zu den Strategien der Pflichtteilsreduzierung finden Sie hier: http://www.rosepartner.de/rechtsberatung/erbrecht-nachfolge/erbrecht-erbschaft-testament/pflichtteil-enterbung-beratung-und-vertretung.html

Für eine persönliche Beratung wenden Sie sich bitte direkt an einen Experten, Rechtsanwalt oder Fachanwalt unserer Erbrechtskanzlei in Berlin oder Hamburg.