Rechtsanwalt Bernfried Rose

20354, Hamburg
Rechtsgebiete
Erbrecht Mediation
08.04.2019

BGH: Lebenserhaltende Maßnahmen sind kein ersatzfähiger Schaden

Ein Erbe kann die aus seiner Sicht sinnlosen lebenserhaltenden Maßnahmen für seinen Vater nicht im Wege von Schmerzensgeld als Schadensersatz geltend machen. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass lebenserhaltende Maßnahmen, unabhängig von einer etwaigen Pflichtverletzung des behandelnden Arztes, nicht als Schaden im Rechtssinne ersatzfähig sind (BGH-Urteil v. 02.04.2019, Az.: VI ZR 13/18).

Fehlende Patientenverfügung ermöglicht lebenserhaltende Maßnahmen über Jahre

Der klagende Sohne und spätere Erbe wollte gerichtlich gegen die lebenserhaltenden Maßnahmen des behandelnden Arztes gegenüber seinem Vater vorgehen. Der Vater litt unter fortgeschrittener Demenz und war von 2006 bis 2011 durch eine künstliche Ernährung mittels einer Magensonde am Leben erhalten worden.  
Der behandelnde Arzt stellte diese lebenserhaltende Maßnahme nicht ein, da keine Patientenverfügung des Mannes vorlag, die ein solches Unterlassen angeordnet hätte. Der klagende Sohn und Erbe machte nach dem Tod seines Vaters geltend, dass die künstliche Ernährung seines Vaters nur noch zu einer sinnlosen Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens geführt habe. Er verlange als Erbe daher Schadensersatz in Form von Schmerzensgeld für die sinnlose Lebensverlängerung seines Vaters.

Ersatzfähiger Schaden ja oder nein?

Die Vorinstanzen waren sich bei der Frage des Vorliegens eines ersatzfähigen Schadens uneinig. Das Landgericht München lehnte die Klage des Sohnes ab, während das Oberlandesgericht München einen Schmerzensgeldanspruch des Erben bestätigte. Der Arzt hätte im Rahmen seiner Aufklärungspflicht mit dem zuständigen Betreuer eine Fortführung der künstlichen Ernährung eingehend erörtern müssen, was er tatsächlich nicht getan habe.  Die aus dieser Pflichtverletzung resultierende Lebensverlängerung stelle dann auch einen ersatzfähigen Schaden dar. Da ein solcher Schmerzensgeldanspruch auch uneingeschränkt vererblich sei, könne er nun von dem Sohn als Erben geltend gemacht werden.

BGH: Urteil über Wert eines Lebens verboten

Der BGH dagegen lehnte nun einen ersatzfähigen Schaden und damit auch die Klage des Erben ab. Die Frage, ob dem behandelnden Arzt überhaupt eine Pflichtverletzung anzulasten sei, ließen die Richter vollständig offen.
Vielmehr verneinten sie die Annahme, eine sinnlose Lebensverlängerung könne einen ersatzfähigen Schaden begründen. Grundsätzlich sei das menschliche Leben erhaltungswürdig und absolut schützenswert. Zudem dürfe eine Beurteilung seines Wertes nicht durch Dritte getroffen werden. Daher sei es unerheblich, ob ein Dritter, das Weiterleben mit krankheitsbedingten Leiden als sinnlose Lebensverlängerung begreife.  Es könne generell kein Urteil über das Leben des betroffenen Patienten getroffen werden, sodass auch ein Weiterleben unter lebenserhaltenden Maßnahmen nicht als Schaden im Rechtssinne angesehen werden könne.

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