Rechtsanwalt Bernd Fleischer

20354, Hamburg
Rechtsgebiete
Gewerblicher Rechtsschutz IT-Recht Urheberrecht und Medienrecht
16.12.2021

Welche Werbung für Online-Ärzte ist erlaubt?

Werberecht und digitaler Arztbesuch

Hatten Sie schon mal einen digitalen Arztbesuch? Warum sollte man, statt den Hausarzt des Vertrauens aufzusuchen, eine Untersuchung per Videoanruf durchführen? Naja man spart sich den Anfahrtsweg, der ohnehin anstrengend genug sein kann, wenn man wirklich krank ist oder sich verletzt hat. Die Ansteckungsgefahr im Wartezimmer ist gleich null und man ist nicht gezwungen sich irgendwelche Automagazine durchzulesen, um die Wartezeit zu überbrücken.

Aber was ist aus rechtlicher Sicht im Zusammenhang mit solchen digitalen Arztbesuchen zu beachten? Vor allem nehmen wir uns der Frage an, ob für entsprechende Angebote der Telemedizin in vollem Umfang Werbung gemacht werden darf. Denn diese Frage hatte der Bundesgerichtshof kürzlich zu entscheiden (BGH, Urteil vom 09.12.2021 - I ZR 146/20).

Ärzte werben für umfangreiches Online-Angebot

Im Speziellen ging es beim vorliegenden Fall darum, ob Schweizer Ärzte für eine von ihnen betriebene Arztbesuch-App Werbung machen dürfen. Vor allem störte man sich daran, dass die Betreiber auf ihrer Internetseite mit einem umfangreichen bzw. uneingeschränkten Angebot warben: „Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App.

Aus Sicht der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs stelle eine solche Werbung einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen im Sinne des § 9 HWG dar. Dieser Regelung zufolge ist Werbung „für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung),“ grundsätzlich unzulässig.

Ausnahmeregelung in § 9 HWG

Um gegen dieses Verhalten vorzugehen, wurde eine Unterlassungsklage erhoben. Zuvor hatte neben dem Landgericht auch das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben. Im Laufe des Berufungsverfahrens kam es dann zu einer Neuerung innerhalb des Werberechts. § 9 HWG wurde mit einem weiteren Satz ergänzt.

Der neue Satz 2 schränkt den vorhergehenden in solchen Fällen ein, in denen Behandlungen, für die nach allgemein anerkannten fachlichen Standards kein persönlicher Kontakt mit dem Patienten notwendig ist, nicht dem Werbeverbot unterfallen.

Verstoß gegen Werberecht?

Auch nachdem § 9 HWG um die Ausnahmeregelung in Satz 2 ergänz wurde, stellte der BGH noch einen Verstoß gegen die Norm fest. Im Sinne des § 3a UWG kann § 9 HWG als eine dem Gesundheitsschutz dienende Marktverhaltensregelung definiert werden. Daraus folgt, dass die Betreiber der Arzt-App gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG verpflichtet wären, weitere Werbung für ihre digitalen Untersuchungs- und Therapieangebote zu unterlassen.

Die Ärzte aus der Schweiz hatten trotz der Tatsache, dass keine eigenen Wahrnehmungen an den Patienten möglich sind, damit geworben Krankheiten in Form eines digitalen Arztbesuchs zu erkennen und zu behandeln. Nach Auffassung des BGH wird die eigene Wahrnehmung so definiert: Dem Arzt muss es möglich sein, den Patienten – neben der Möglichkeit ihn zu sehen und zu hören – auch abtasten, abklopfen, abhören oder mit speziellen medizinischen Hilfsmitteln untersuchen zu können. Eine Untersuchung in Abwesenheit der Beteiligten würde dem natürlich nicht gerecht werden können.

Neues Werberecht fordert Anerkennung nach allgemeinen fachlichen Standards

Der neu eingeführte Satz 2 erlaube Werbung für digitale ärztliche Dienstleistungen zwar unter der Prämisse, dass nach allgemein anerkannten fachlichen Standards kein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten erforderlich ist. Aber eben da sehen die Karlsruher Richter die Problematik.

Der Begriff der „allgemeinen fachlichen Standards“ meine nicht, dass oder ob eine Fernbehandlung nach dem geltenden Berufsrecht erlaubt ist. Eigentlich müsse man nämlich auf den entsprechenden Begriff im Sinne des § 630a Abs. 2 BGB zurückgreifen.

Die betreibenden Schweizer Ärzte warben für eine umfangreiche ärztliche Diagnose, Behandlung und Krankschreibung, die sich weder auf Krankheiten noch Beschwerden beschränkte. In Anbetracht dessen urteilte der BGH, dass eine solche umfassende Fernbehandlung den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemeinen fachlichen Standards nicht entspreche. Im Ergebnis wurden die Betreiber also endgültig wegen verbotener Werbung verurteilt.

Risiken der Telemedizin – Arzt hat Aufklärungspflicht!

Selbst wenn im Sinne des § 9 S. 1 HWG Werbung für die meisten digitalen Untersuchungen und Behandlungen verboten ist, so ist es das generelle Angebot der Tätigkeiten zunächst einmal nicht. Allerdings müssen bei den digitalen Arztbesuchen im Vergleich zur normalen analogen Behandlung einige rechtliche Anforderungen beachtet werden.

Die Aufklärungspflicht bei digitalen Arztbesuchen fällt nicht weg, sondern wird vielmehr noch erweitert. Einerseits muss der Arzt den Patienten vorab über das Sicherheitsrisiko im Zusammenhang mit dem verwendeten Kommunikationsweg aufklären. Andererseits muss er den zu Behandelnden auch darüber informieren, dass im Vergleich zum physischen Arztbesuch die Telemedizin tendenziell unsicherere Ergebnisse liefern kann.

Denn vor allem die Bildqualität kann eine digitale Untersuchung negativ beeinflussen. Dazu kommt noch das Risiko, dass die Datenverbindung komplett abbricht.

Datenschutz und Beweissicherung in der Telemedizin

Besonders gut im Sinne des Datenschutzes eigenen sich Ende-zu-Ende-verschlüsselte E-Mails, zur Kommunikation zwischen Arzt und Patienten. Zusätzlich sollte im Lichte der Beweissicherung auf jeden Fall jegliche telemedizinische Behandlung dokumentiert werden. Das macht jedoch die vorherige Einholung der ausdrücklichen Einwilligung des jeweiligen Patienten erforderlich, um entsprechend den §§ 201, 201a StGB zu handeln.

Neben weiteren Informationen zum Werberecht finden Sie auf der Website von ROSE & PARTNER auch den richtigen Ansprechpartner: https://www.rosepartner.de/werberecht.html