Rechtsanwalt Bernd Fleischer

20354, Hamburg
Rechtsgebiete
Gewerblicher Rechtsschutz IT-Recht Urheberrecht und Medienrecht
25.02.2022

Darf Schöffin trotz Mutterschutz bei Gericht mitwirken? - Das Schöffenamt im Strafrecht

Der Ausgangspunkt der hier besprochenen Entscheidung liegt ausnahmsweise einmal im Strafrecht, nämlich auf dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 30.09.2021 (Az.: 5 StR 161/21).

Die Karlsruher Richter beschäftigten sich mit der Revision eines Mannes, welcher zuvor vom erstinstanzlichen Landgericht Dresden wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt worden war. Mit seiner Revision rügte er gemäß § 338 Nr. 1 StPO, dass die erstinstanzliche zuständige Strafkammer nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei, und dass dadurch gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG das verfassungsmäßig garantierte Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden sei.

Beschäftigungsverbot für schwangere Schöffin

Während der laufenden Hauptverhandlung wurde für eine schwangere Schöffin durch den Betriebsarzt ihres Arbeitgebers ein ärztliches Beschäftigungsverbot nach § 16 Mutterschutzgesetz (MuSchG) hinsichtlich jeder Beschäftigung ausgesprochen. Das teilte die Schöffin dem Gericht gegenüber entsprechend mit.

Dieses ärztliche Attest wurde später dahingehend eingeschränkt, dass der Schöffin jeweils eine zeitlich begrenzte Teilnahme an den weiteren Hauptverhandlungen ärztlicherseits gestattet sei. Die Schöffin wirkte dann sowohl an allen weiteren Hauptverhandlungstagen als auch an der Urteilsfindung mit. Der Angeklagte rügte, dass wegen des umfassenden ärztlichen Beschäftigungsverbots die Mitwirkung der Schöffin unzulässig gewesen sei, und dass das erstinstanzliche Gericht damit vorschriftswidrig besetzt gewesen sei.

Der BGH hatte sich deswegen mit der Frage zu befassen, ob die Tätigkeit einer Schöffin eine „Beschäftigung“ im arbeitsrechtlichen Sinne darstellt und deswegen ein Beschäftigungsverbot nach dem MuSchG zu einem Mitwirkungsverbot in der Hauptverhandlung führt.

Das Schöffenamt im Strafrecht

Schöffen findet man im Wirtschaftsstrafrecht wie im allgemeinen Strafrecht. Sie sind ehrenamtliche Richterinnen und Richter, die in Strafverfahren bei den Amts- und Landgerichten neben den Berufsrichtern mitwirken. Durch die Beteiligung von Schöffen in diesen Gerichtsverfahren soll das Vertrauen der Bürger in die Justiz gestärkt und eine lebensnahe Rechtsprechung erreicht werden. Die Mitwirkung von Schöffen ist quasi ein Ausfluss der Rechtsprechung „im Namen des Volkes“. Die Schöffen sind dabei grundsätzlich ehrenamtlich tätig, sie haben aber im Wesentlichen die gleichen Rechte und Pflichten wie Berufsrichter und haben somit dieselbe Entscheidungskraft.

BGH: Schöffen sind nicht bei Gericht beschäftigt

In der genannten Entscheidung haben die Karlsruher Richter die Revision des Mannes verworfen. Dazu hat der BGH sich eingehend mit den vor allem im Arbeitsrecht (z.B. bei der Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung) wesentlichen Merkmalen des Begriffs der „Beschäftigung“ auseinandergesetzt.

So hat der BGH festgestellt, dass das ärztliche Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) nur gegenüber dem Arbeitgeber konstitutive Wirkung entfaltet. Das heißt der Arbeitgeber muss die schwangere Arbeitnehmerin bei einem Beschäftigungsverbot sofort freistellen. Die als öffentliches Ehrenamt ausgeführte Schöffentätigkeit unterfalle allerdings nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des MuSchG. Der im MuSchG genannte Anknüpfungspunkt der „Beschäftigung“ ist ein sozialrechtlicher Begriff, der insbesondere – aber nicht nur – die nichtselbstständige Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis erfasst.

Schöffen unterliegen keinerlei Weisungen

Der BGH hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass die Schöffin nicht in persönlicher Abhängigkeit zum Gericht stehe, sondern im Gegenteil bei ihren Entscheidungen keinerlei Weisungen unterliege. Des Weiteren erhalte die Schöffin keine Entlohnung auf der Basis eines gegenseitigen (Arbeits-)Vertrags für ihre Tätigkeit, sondern lediglich eine Entschädigung für entstehende Kosten und potentiellen Verdienstausfall.

Da es sich außerdem um ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis handele, ergeben sich aus arbeitsrechtlicher Sicht einige Besonderheiten, z.B. dass solche Dienstverhältnisse nicht ordentlich gekündigt werden können. Das MuSchG sei demnach weder direkt noch analog auf die ehrenamtliche Schöffentätigkeit anwendbar, weshalb das Gericht in der ersten Instanz auch ordnungsgemäß besetzt war.

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