Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
18.07.2012

Wo die wilden Weiber wohnen?

Die Bundesministerin mit der geringsten Beliebtheit und der größten Hämequote, Kristina Schröder, bekommt jetzt noch mehr Gegenwind. Weil sie eine Frau kaltgestellt hat. Eva Maria Welskopp-Deffaa heißt sie und gilt nach Presseberichten als eine der am “besten vernetzten” Frauenpolitikerinnen Deutschlands. Sie war für Gleichstellungsfragen zuständig, ein Thema, bei dem Frau Schröder sich mit ihrer Haltung viele Feinde genmacht hat. Nicht unter Männern, nota bene.

Jetzt muss man der Gescholtenen beispringen. Dass Welskopp-Deffaa kompetent war, wird sicher stimmen. Aber dass der gemeine Zeitungsleser noch nie etwas von der angeblich am “besten vernetzten” Politikerin gehört hatte, lässt die Frage keimen, ob es wirklich so ein high profile case ist oder ob man nicht einfach akzeptieren muss, dass Frau Welskop-Deffaa vor allem Beamtin ist. Die sich mit ihrer Chefin nicht vertragen hat. Die Chefin ist aber nun einmal die Amtsträgerin, auch, wenn man ihre Politik nicht mag. Das haben schon viele Beamten-Politiker, die persönliche Sicherheit und Politik einzigartig gut verbinden können, erfahren müssen. Der grüne Außenminister Joschka Fischer hat auch nicht nur Beamte vorgefunden, die ihm politisch nahestanden, als er am Werderschen Markt anfing, der eine odere andere musste sich auch beugen. Die Beamtin muss deshalb auch hier zurückstecken, wenn sie sich mit ihrer Chefin zofft. Ob sich Frau Schröder genutzt oder geschadet hat, das hat sie vorher sicher selbst abgeschätzt.

Wichtiger ist: Wir haben jetzt wieder eine Debatte über Frauen. Oder besser ihre Abwesenheit in Spitzenpositionen. Während (wieder mal) die USA uns vorzaubern, dass man mit 37 Jahren als Frau schwanger Vorstandchefin eines Großunternehmens werden kann (Marissa Mayer bei Yahoo), während man zeitgleich lächelnd alle künftigen Kolleginnen dazu motiviert, sich endlich mal um ihr Styling zu bemühen, damit man (frau?) der neuen Chefin auf Augenhöhe begegnen kann, wo, ja wo, sind “wir” denn da? Stellen Sie sich mal vor, eine der neuen Chefinnen der Deutschen Bank wäre eine schwangere Frau geworden oder ein Maschinenbauer hätte so eine Wahl getroffen. Warum können Sie sich das nicht vorstellen? Weil es in Deutschland nicht denkbar ist. So einfach ist das.

Das ist nicht Christinas Schröders schuld. Als Politikerin ist sie nur die ideale und pflichtgemäße Projektionsfläche.

Dennoch: Diese Debatte muss doch endlich geführt werden. Seit Einführung des AGG hat man viele Fälle gesehen, die nachdenklich machen sollten. Da wird einer Führungskraft gesagt, es werde leider nichts mit dem besseren Job, sie solle sich doch auf ihr Kind freuen. Eine andere kann darauf verweisen, dass in der 60-jährigen Geschichte ihrer Organisation noch nie eine Frau oberhalb der Ebene X angekommen ist (“gläserne Decke”). Wer kennt nicht aus dem Bekannten-, Verwandten- und Freundeskreis die subtilen Geschichte des Arbeitsalltags: Da wird der Personalleiterin auf der Betriebsfeier anvertraut, man bewundere, dass sie “als Frau” soweit gekommen sei. Das Arbeitszeugnis, in dem gelobt wurde, wie toll – aus Sicht des Autors – die Frau ihre “Doppelbelastung” aus Job und Familie gemeistert habe – es lag in einer Akte vor meiner Nase. Gut gemeint ja, weh getan hat es der Empfängerin dennoch. Die Pressemitteilung zur Besetzung ihres Vorgängers enthielt den obligatorischen Hinweis “Vater dreier Kinder” – Lob für die daraus resultierende Doppelbelastung gab es keins, merkwürdig. Hilfreich war es auch nicht.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Das sind alles Diskriminierungsfälle. Aber Gerichte und Gesetze können Gleichberechtigung nicht alleine durchsetzen. Wenn man erst klagen muss, um wie ein Mann behandelt zu werden, verzichten viele lieber gleich dankend. Ebenso wie die Politik – auf ernsthafte Schritte. Da ist Frau Schröder leider an vorderster Front.

Zwei Dinge will man in Deutschland lieber nicht besprechen: Frauenquoten und Mindestlöhne.

Aber es wird kein Weg daran vorbeiführen. Wenn man eine Beamtin kaltstellen muss, um wenigstens eine dieser Debatten wieder anzustoßen, dann soll es mir recht sein.