Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
19.02.2012

Was am 15.02.2012 sonst noch geschah (…außerdem ein Beitrag zum Speed-Lesen)

Das Datum war für Sie ein wichtiges? Gut, gut.

Beim Bundesarbeitsgericht ist der große Paukenschlag zur Allgemeinverbindlichkeit der Sozialkassentarifverträge im Baugewerbe an diesem Tag (fast erwartungsgemäß) ausgeblieben. Im Verfahren wurde nämlich ein Vergleich geschlossen. Nach dem absolut bewundernswerten, auf Deutsch gehaltenen und brillanten Plädoyer des (polnischen) Geschäftsführers der Beklagten.

Ob es zu einem Paukenschlag überhaupt hätte kommen können, ist schwer zu sagen. Immerhin hat der Berichterstatter, RiBAG Reinfelder, durchblicken lassen, dass eine Prüfung der Allgemeinverbindlichkeit auch möglich sei, wenn die dafür (nach u.E. kritikwürdiger Rechtsprechung) geforderten Tatsachen (wie hier) erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgebracht werden. Das ist zwar Tatsachenvortrag, aber er betrifft die Rechtsgrundlagen.

Auf die Klärung der brennenden Frage, ob es diese Tarifverträge als allgemeinverbindliche überhaupt geben darf, muss die Welt noch weiter warten.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Bundeszeiger vom 17.01.2012 angekündigt, dass die Tarifparteien erneut eine Allgemeinverbindlichkeit wollen, ungeachtet aller Zweifel und öffentlicher Debatten. Für die in § 5 TVG vorgesehene Stellungnahme der Betroffenen und Außenseiter wurden drei (!) Wochen Frist gesetzt. Die endete also am 7.02.2012. Auch wir haben für knapp zwei dutzend Mandanten eine Stellungnahme eingereicht, in der begründet wird, warum man keine erneute Allgemeinverbindlichkeit mehr erteilen darf und auch nicht sollte. Umfang und Qualität sind keine Korrelate, aber alleine unsere Stellungnahme hat 52 Seiten. Wir wissen von einer Vielzahl anderer Beteiligter, die Ähnliches gemacht haben.

Die Allgemeinverbindlichkeit der Bautarife ist ein umstrittenes, delikates Thema. Es gibt gehörige Zweifel an ihrer Rechtsmäßigkeit. Von einem Ministerium, dass die Sache neutral zu entscheiden hat, erwartet man also eine besonders gründliche Prüfung.

Umso schöner, dass die Einladung zur Sitzung des Tarifausschusses schon für den 21.2.2011 kam. Ja genau: Die haben da Speed-Leser. Die lesen und verstehen innerhalb zweier Wochen kiloweise Stellungnahmen zu einer der komplexeren Fragen des kollektiven Arbeitsrechts. Dann briefen die sicher noch die Ministerin erstklassig.

Das sind eben Profis.

Wenn jemand meiner Mandanten mir gesagt haben sollte, er halte das für eine abgekartete Sache, hat er bei sicher übertrieben und wusste nichts von den Speed-Lesern. Verzeihlich: Ich auch nicht.