Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
05.02.2013

Es kommt auf die Spülmaschine (doch nicht?) an

Der Unterschied ist nicht unerheblich: 7,30 EUR die Stunde oder 8,15 EUR? Urlaubsgeld ja oder nein?

Man kann aber nicht so einfach feststellen, was nun der Fall ist. Dafür braucht man drei Gerichte und insbesondere das BAG (Urteil vom 30. Januar 2013 – 4 AZR 272/11). Denn Tarifrecht ist komplex.

Die Tätigkeit der Klägerin war eigentlich einfach zu beschreiben (aus der Pressemitteilung des BAG):

„…Ihre Tätigkeit besteht darin, die von den Beschäftigten des Labors benutzten Reagenzgläser sowie Zylinder und Kolben aus Glas viermal pro Arbeitstag einzusammeln, in einer von ihr zu bedienenden Industriespülmaschine zu reinigen und die gesäuberten Gegenstände wieder auszuräumen…“

Es gibt erstaunlich viele Rechtsfragen, die da dran hängen.

Erstens meinte das Arbeitsgericht Ludwigshafen, das sei keine typische Gebäudereinigertätigkeit. Spitzfindig. Reagenzgläser hätten ja nichts mit dem Gebäude zu tun. Um das zu verdeutlichen, macht es folgende schlaue Ausführungen:

„…Da nach § 7 Nr. 3.1.1 RTV für die Eingruppierung in eine Lohngruppe auf die überwiegende Tätigkeit abzustellen sei, sei es auch unerheblich, dass die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer überwiegenden Tätigkeit als Laborspülkraft auch den Boden ihres Arbeitsraumes, ihren Arbeitstisch und die beiden Trockenregale zu reinigen habe…“

Also alles ganz einfach. Wer Böden schrubbt, macht Gebäudereinigung. Wer spült, macht das nicht. Grund: Die Tarifvertragsparteien hätten sich den ganzen Wortklimbim sonst gespart. Die begehrten 8,15 EUR gibt es aber nur für sog. „Unterhaltsreinigung“, und die ist nun mal dem Gebäudereinigerhandwerk zuzuordnen. Anders als das Spülen der Gläser.

In der Berufung beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 4.02.2011 – 9 Sa 501/10) sah man sich die Sache genauer an. Man konsultierte sogar die „Blätter zur Berufskunde“, mit denen man sich bei der Arbeitsagentur über das eine oder andere informieren kann. Siehe da:

Wie sich aus der Gegenüberstellung von Innenreinigungs- und Unterhaltsreinigung nach § 7 Ziff. 3.2, Lohngruppe 1 ergibt, gehören zur Unterhaltsreinigung auch Reinigungsarbeiten, die von einem Gebäude losgelöst sind. Für dieses Verständnis des Begriffs Unterhaltsreinigung spricht auch die Beschreibung des Berufsbildes in den Blättern für Berufskunde (zitiert nach BAG 19.2.2003 -4 AZR 118/02- AP Nr. 17 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit).

So richtigen Zugriff auf die Blätter zur Berufskunde hatte das LAG also anscheinend nicht. Man hat dieses Wissen deshalb einfach beim BAG abgeschrieben, das in der zitierten Entscheidung ( Urteil vom 19. 2. 2003 – 4 AZR 118/02) aber – erstaunlicherweise – das glatte Gegenteil geschrieben hat. Dort steht unter Rd.-Nr. 23:

Das Spülen von Geschirr ist schließlich ebenfalls nicht als Tätigkeit der “Unterhaltsreinigung” und der “Krankenhausreinigung” im Berufsbild “Gebäudereiniger/Gebäudereinigerin” der Blätter zur Berufskunde (1-XI B 201 4. Aufl. 1995) aufgeführt.

Jetzt wäre man als Leser schon daran interessiert, in die ominösen Blätter zur Berufskunde mal hineinzusehen. Wenn die so wichtig sind. Daran kann man zweifeln, aber dass die in Mainz kein Internet haben…die Arbeitsagentur hält das z.B. hier (Berfufenet) vor…da wird man allerdings wiederum weniger schlau als in der Druckversion, die das BAG offenbar 2003 noch hatte, denn das Wort „Unterhaltsreinigung“ kommt gar nicht vor. Angeblich stimmen aber Druckversion und Internetauftritt überein (siehe auch hier). So schade ist es, wenn man einfach nur abschreibt.

Zurück zum Gläserspülen.

Das BAG hatte auch keine Lust mehr auf Spitzfindigkeiten. Man hat den großen Wurf gemacht und nähert sich in mangelnder Konkretheit den Bautarifen an:

„…Die Reinigung der Arbeitsmittel ermöglicht deren ordnungsgemäße weitere Verwendung und stellt sich für das Labor als Unterhaltsmaßnahme dar. Ein unmittelbarer Bezug der Tätigkeit zur Reinigung eines Raumes als solchem, dort fest installierter oder nicht ohne Weiteres zu entfernender „Einrichtungsgegenstände“ ist zur Erfüllung dieser tariflichen Voraussetzung nicht erforderlich…“

Das ist logisch, erfasst aber nun auch wirklich alles und jeden, der in einem Labor irgendetwas saubermacht. Kein falsches Ergebnis für die Klägerin. Nur warum sich die Tarifvertragsparteien dann in feinsten Verästelungen verlieren, um festzuhalten, was Unterhaltsreinigung ist und was nicht, das kann man sich dann schon fragen.

Aber immerhin. Nach drei Instanzen und der Befassung von insgesamt fünf Berufsrichtern, davon drei Bundesrichtern und sechs ehrenamtlichen Richtern sowie mindestens zweier Anwälte wissen wir jetzt: Auch das Ein- und Ausräumen des Geschirrspülers trägt zum Unterhalt des Gebäudes bei. Das bringt jetzt sicher Scheidungsanwälte auf dumme Gedanken…

Wenn Sie weniger weltbewegende Sachen wissen wollen, schauen Sie mal nach richterlicher Rechtsbeugung im Blog von Andreas Fischer nach oder bei Thorsten Blaufelder zum Thema Amoklauf und Arbeitsunfall. Denken Sie daran: Wir sind ein Rechtsstaat.