Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
20.09.2010

Die Änderungskündigung nach Jürgen Trittin: Dürfen Hypo Real Estate- Banker in der Krise kassieren?

Jürgen Trittin ist uns bislang weder als Finanzexperte noch als Arbeitsrechtsspezialist aufgefallen. Umso mehr wurde aufgehorcht, als er gestern in einem Fernsehinterview das komplizierteste (individual-)arbeitsrechtliche Wort in den Mund nahm, das Deutschland hervorgebracht hat: “Änderungskündigung”. Grund ist die Hypo Real Estate (die eigentlich nicht mehr so heißt). Die soll noch einmal 40 Mrd. Bürgschaften erhalten, aber der zahlende Steuerzahler schäumt, weil im Geheimen Millionenboni an das Topmanagement geflossen sein sollen. So schäumte denn auch Jürgen Trittin. Die Diskussion ist voll entbrannt. Kann, darf so eine Bank, die wie keine zweite für den Untergang steht, so etwas tun (fragen sich heimlich auch die Vorstände, deren Einkommen bei 500.000,00 EUR gedeckelt sind und die damit vermutlich nicht mehr zu den Spitzenverdienern gehören). Seit Beginn der Finanzkrise ist auch der Öffentlichkeit klar, dass man mit Bankern Verträge hat, aus denen niemand aussteigen darf, weil es politisch opportun ist. In zahllosen Verfahren klagen die Arbeitnehmer Boni ein, die ihnen aus vermeintlich moralischen Gründen oder zu PR-Zwecken vorenthalten werden. Und obsiegen. Reihenweise. Pacta sunt servanda, sagt man da wohl. Auch Jürgen Trittin hat so viel Arbeitsrecht gelernt - immerhin. Deshalb hat er sich hingestellt und der Presse gesagt, das alles sei die Schuld des Vorstands. Denn man habe versäumt, die Herrschaften rechtzeitig mit einer “Änderungskündigung” zu “versehen”, die dann die Zahlungspflicht ausgeschlossen hätte. Gut gebrüllt, Löwe. Aber blinder Populismus. Ein eherner Grundsatz des Kündigungsschutzrechts ist: (”Änderungs”-)Kündigungen zur Entgeltreduzierung sind nicht rechtmäßig. Das ist auch logisch - ausnahmsweise. Eine “Änderungskündigung” ist eine ganz gewöhnliche Kündigung. Gekündigt wird der gesamte Arbeitsvertrag. Die Folgen der Kündigung werden dadurch etwas milder, dass gleichzeitig ein neuer Vertrag zu anderen Bedingunegn angeboten wird. Die Kündigung muss aber denselben Kriterien genügen, wie jede andere Kündigung nach § 1 KSchG auch. Beispielsweise kann das bedeuten: Ein “Facility-Management”-Unternehmen beschließt, künftig keine gärtnerischen Leistungen mehr anzubieten. Die Arbeitsplätze der Gärtner fallen damit weg. Kündigungen sind die Folge. Gleichzeitig wird den Gekündigten angeboten, als Hausmeister weiterzuarbeiten; da gibt es Arbeitsplätze, aber sie sind mit einer Entgelteinbuße verbunden. Im Falle der Banker würde der mittlere Schritt - die Begründigung der Kündigung - fehlen. Sie bekommen eine Kündigung, mit dem Angebot, denselben Job für weniger Geld zu machen. Geändert hätte sich (außer den Bezügen) nichts. Das platzt vor jedem Arbeitsgericht wie eine Seifenblase. Der populäre Einwand: Wenn man kein Geld mehr hat, muss doch irgendetwas zu machen sein? Die richtige Antwort: Ja, Insolvenz anmelden. Hätte die HRE vielleicht tun sollen. Das BAG hat im Jahr 2007 (Urteil vom 1. 3. 2007 - 2 AZR 580/05) Kündigungen aus solchen finanziellen Engpässen heraus übrigens trotz des obigen Grundsatzes für zulässig gehalten. Trotzdem ist das nicht, was Herr Trittin sich für die HRE vorstellt. Der Kündigungsgrund ist dabei nämlich nicht der finanzielle Engpass, sondern ein Sanierungskonzept, dass eine Rettung des Unternehmens ausschließlich - d.h., alternativlos - an die Senkung des Entgeltniveaus knüpft. Das wird bei der HRE nichts. Die ist nicht wegen ihrer Personalkosten in Schwierigkeiten. Verglichen mit den bald 140 Mrd. EUR Staatsbürgschaften sind die Personalkosten der Bank ein Posten in der Bilanz, die man als Witz bezeichnen darf. Wer das mal bildlich sehen will, kann sich die Bilanz der HRE per 2009 hier ansehen. Es gibt kein Sanierungskonzept, bei dem Personalkosten eine Rolle spielen können. Die HRE hat mit Personalkosten schlicht keinerlei Probleme. Ob sie Probleme mit mangelnder Moral oder Gier hat, weiß man nicht genau - aber es sagt sich leichter als es in der Realität ist. Wenn man 200.000 EUR im Jahr verdient, macht es trotz der vermeintlich breiten Schultern einen Unterschied, ob die 50.000 EUR Bonus, die man nach seinem Vertrag für die erbrachte Leistung zu bekommen hat, nun fließen oder nicht. Auch Gutverdiener kaufen sich manchmal z.B. ein Haus, das man nicht einfach aus moralischen Bedenken abstoßen kann und auch diese Leute würden vielleicht gerne den Kredit dafür tilgen. Oder das Auslandsstudium der Tochter bezahlen. Oder oder oder. Wer jetzt mit Steinen wirft, sollte sich fragen, ob er zur “Solidarität” mit der Öffentlichkeit zweckfrei auf vertragliches Einkommen verzichten würde. Nein - den meisten läge da der Gang zum Arbeitsgericht wohl näher. Man kann die HRE-Leutchen nicht einfach mal mit einer “Änderungskündigung versehen”. Trittin - setzen, 6.