Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder

Kanzlei Blaufelder
71638, Ludwigsburg
20.01.2015

Arm gerechnet, um Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht zahlen zu müssen

© eschwarzer - Fotolia.comEvangelische Einrichtungen dürfen sich nicht arm rechnen, um sich vor der Jahressonderzahlung an ihre Mitarbeiter zu drücken. So können die Mietkosten der Einrichtung, die über die Pflegesätze finanziert werden, nicht als Investitionskostenerstattungen bei der Ermittlung des Jahresüberschusses und damit zur Kürzung der Jahressonderzahlung berücksichtigt werden, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 11.11.2014 (AZ: 16 Sa 631/14).

Hintergrund des Rechtsstreits sind Regelungen in den tarifähnlichen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland. Darin wird festgelegt, inwieweit kirchliche Arbeitgeber Jahressonderzahlungen an die Mitarbeiter leisten müssen. Danach wird ein Teil – quasi das Weihnachtsgeld – im November des laufenden Jahres und der verbliebene Teil – sozusagen als Urlaubsgeld – im Juni des Folgejahres ausgezahlt.

Die Jahressonderzahlung kann jedoch gekürzt werden, wenn die Einrichtung ein negatives Betriebsergebnis aufweist. Ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer muss dies in einem Testat bescheinigen.

Im konkreten Fall hatte die Vorsitzende einer Mitarbeitervertretung einer diakonischen Reha-Klinik im Raum Wuppertal für das Jahr 2012 zwar den ersten Teil ihrer Jahressonderzahlung erhalten, die zweite, im Juni 2013 zu zahlende Rate in Höhe von 733,80 € brutto kam jedoch nicht zur Auszahlung.

Es liege ein negatives Betriebsergebnis vor, so dass die Jahressonderzahlung auf null gekürzt werden musste, so der Arbeitgeber. Als Nachweis legte er das Testat einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vor. Danach wurde aus dem eigentlich noch positiven Jahresergebnis ein Betrag in Höhe von 56.640 Euro als „Investitionskostenerstattungen“ zum Abzug gebracht. Es lag nun ein negatives Betriebsergebnis vor, so dass keine Jahressonderzahlung mehr fällig wurde.

Der Arbeitgeber berief sich dabei auf eine Sondervorschrift in den AVR. Hier habe er über die Pflegesätze Mietkostenzuschüsse von den Kostenträgern erhalten. Diese Mietkostenzuschüsse seien als „Investitionskostenerstattungen“ anzusehen, die laut AVR „vom Jahresergebnis bis zu einer Grenze von drei Prozent der Erträge in Abzug zu bringen seien“.

Die Klägerin widersprach. Nach den AVR sei ein Abzug der Investitionskostenerstattungen nur möglich, wenn diese mit dem Kostenträger „verhandelt“ oder „festgelegt“ wurden. Hier wurde aber nichts verhandelt oder festgelegt. Dies habe auch der Wirtschaftsprüfer bescheinigt. Mietkosten dürften auch nicht einfach mit Investitionskosten gleichgesetzt werden.

Sowohl das Arbeitsgericht Wuppertal als auch das LAG gaben der Klägerin recht. Mietkosten, die vom Kostenträger über die von ihm gezahlten Pflegesätze finanziert werden, seien keine „verhandelten oder festgelegten Investitionskostenerstattungen“, wie dies die AVR für einen Abzug vom Betriebsergebnis vorschreiben.

Die in den AVR ausgehandelten Sondervorschriften seien abschließend. Es sei detailliert aufgezählt worden, welche Kosten bei der Berechnung des negativen Betriebsergebnisses berücksichtigt werden können. So habe man verhindern wollen, dass Arbeitgeber sich „arm rechnen“, um die Jahressonderzahlung nicht zahlen zu müssen.

Die AVR würden zudem vorschreiben, dass ein Wirtschaftsprüfer das negative Betriebsergebnis in einem Testat bescheinigt. Hier habe der Wirtschaftsprüfer zwar ein Testat vorgelegt, dies sei aber offensichtlich falsch, so das LAG. Der Prüfer habe selbst darauf hingewiesen, dass die in den Pflegesätzen enthaltenen Mietkostenzuschüsse nicht bei der Berechnung des Betriebsergebnisses hätten berücksichtigt werden müssen. Andererseits habe der Wirtschaftsprüfer genau dies aber getan und sei so zu einem negativen Betriebsergebnis gelangt.

Wegen dieser Widersprüchlichkeit sei nicht der erforderliche Nachweis für das negative Betriebsergebnis erbracht worden, der zur Kürzung der Jahressonderzahlung berechtigt.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.

Bildnachweis: © eschwarzer – Fotolia.com


Konflikte sind alltäglich. Wichtig ist der richtige Umgang mit ihnen und die Wahl der passenden Konfliktlösungsmethode. Darüber informiert dieses kurze Video: