Rechtsanwalt Dr. Thomas Bode

Stiftung Europa-Universität Viadrina
15230, Frankfurt Oder
29.11.2010

Schönes Spielzeug

 
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A, B, C, D und E sind zu gleichen  Teilen Gesellschafter der Raff&Gier-GmbH  (die den Geschäftsbetrieb der  insolventen Muh-GmbH übernommen  hat),  die Produkte aus China vertreibt. Ein Spielzeug für Kinder steht im Verdacht giftig zu sein. Die Gesellschafter beschließen dennoch einstimmig das Spielzeug zu importieren, um im Weihnachtsgeschäft noch mal richtig abzukassieren. Das Kinder dadurch vergiftet werden und sterben können, ist ihnen klar, aber völlig egal. Der kleine Tommy (der MM vor das Auto gerannt ist) bekommt ein solches Spielzeug von seiner Mutter Heidi ins Krankenhaus gebracht. Durch das Nuckeln an dem Spielzeug bekommt er schwere Atemnot und muss auf die Intensivstation verlegt werden, wo er kurz darauf stirbt.  E sagt zu seiner Verteidigung, er habe doch wohl kaum eine Ursache für die Schädigung des  Tommy gesetzt, da auch bei seiner Gegenstimme, der Beschluss so und nicht anderes gefasst worden wäre. Schließlich gelte in der GmbH das Mehrheitsprinzip (was zutrifft). 
Was sagen sie Ewald? 
Fertigen Sie ein Gutachten als Entscheidungsgrundlage.


 
§ 212 I StGB des E durch sein Abstimmungsverhalten zu Lasten des Tommy
 
E hat sich wegen Totschlags nach § 212 I StGB zu Lasten des kleinen Tommy strafbar gemacht, wenn er (I.) Klaus durch sein Abstimmungsverhalten vorsätzlich (II.) rechtswidrig und (III.) schuldhaft getötet hat.
 
Zu I. 
 
a) Der vorliegende Tod des Tommy (T) wurde kausal durch die Handlung „Ja-Stimme des A“ verursacht, wenn seine Stimme eine gesetzmäßige Bedingung für den Tod war. 
 
1. Für die gesetzmäßige Bedingung gilt die Äquivalenztheorie, nach der alle Ursachen gleichwertig sind. Daher wird die Kausalität nicht dadurch ausgeschlossen, dass auch Axel evtl. durch das Anfahren des Klaus oder die Mutter durch den Kauf des Spielzeugs einen kausalen Beitrag zum Geschehen geleistet haben. 
 
2. Die gesetzmäßige Bedingung wird oft mit der condicio sine qua non ermittelt oder gleichgesetzt. 
 
Danach liegt keine Kausalität oder gesetzmäßige Bedingung vor, wenn man die Handlung hinwegdenken kann ohne das der Erfolg in seiner konkreten Gestallt entfällt.
 
Auch ohne die Stimme des E wäre nach den Satzungen und Mehrheitsverhältnissen der GmbH das Ergebnis so ausgefallen. An dem Import und Vertrieb der Spielzeuge hätte sich also weder in zeitlicher, örtlicher noch sonst wesentlicher Weise etwas geändert.
 
3. Löst sich das Problem wenn wir nach der gesetzmäßigen Bedingung fragen?
 
Wenn man sehr genau ist, läßt sich aber auch ohne normativen Einschlag diese Lösung erzielen: Die Stimme des E wurde für das Ergebnis mitgezählt. Seine Stimme ging so in das Ergebnis ein. Das Ergebnis wurde wiederum Grundlage für die Ausführenden Mitarbeiter, das Spielzeug tatsächlich zu vertreiben. 
 
In der Natur kommen Abstimmungen nicht vor, darum lässt sich für diese kein mechanischer Vergleich z.B. zu Giftmolekülen anstellen. In der Natur beginnt eine Reaktion z.B. mit einer bestimmten Giftmenge. Die Giftmoleküle müssen nicht ausgezählt werden. Nichts desto trotz ist auch das Auszählungsprozedere ein Teil natürlicher Kausalverläufe, da auch der Mensch und seine Entscheidungen dazu gehören. Bei der Abstimmung werden alle Stimmen gezählt, das Zählen endet nicht bei 3 Stimmen. Hier kam eine Mehrheit von 5 Stimmen zustande, also auch unter Einschluss der Stimme des E Eine 3-Stimmenmehrheit hat es nicht gegeben. Daher wurde die Stimme des E in das Ergebnis mit eingerechnet und wirkt sich im Ergebnis der Abstimmung weiter aus, bis zum Tod des T. 
 
Daher war auch die Stimme des E für den tatsächlichen Verlauf der Dinge entscheidend. Denn eine Stimmzählung ohne Es Stimme hat es nicht gegeben.
 
Nach allen Ansichten ist die Stimmabgabe des E also kausal im Sinne der Äquivalenztheorie. 
 
b) objektive Zurechnung
Allerdings ist die Stimmabgabe nur eine Bedingung unter vielen. Anerkanntermaßen ergibt sich aus der gleichmacherischen Äquivalenztheorie keine abschließende Erkenntnis über die Zurechnung es Erfolges zur Handlung, so dass man von einem tatbestandlichen "töten“ durch den Täter sprechen kann.
 
E hat nur getötet, wenn ihm der Tod des T durch das Gift auch normativ objektiv zurechenbar ist bzw. er den wesentlichen sachlichen Grund dafür gesetzt hat Die Zurechnung zum Tatbestand setzt die Verwirklichung einer vom Täter geschaffenen, nicht durch ein erlaubtes Risiko gedeckten, Gefahr voraus. Das ist nicht der Fall, wenn sich ein atypisches zufälliges Risiko verwirklicht. Hier besteht gerade die Gefahr, das Kinder durch lutschen am Spielzeug dadurch sterben. Der Tod des T war also gerade typische Folge des durch die Gesellschafter gesetzten Vertriebsrisikos. Dieses Risiko war auch nicht erlaubt, da Firmen nicht bekannt gifitiges Kinderspielzeug verkaufen dürfen. 
 
Ausserdem bricht die Zurechnung ab, wenn andere jedenfalls bewusst vorsätzlich eine eigene neue und letztursächliche Kausalreihe zum Erfolg in Gang setzen. Die Mutter des Klaus trägt zwar  mit ihrer Handlung auch kausal zum Tod des T bei, weil Sie ihm das Spielzeug kauft. Eine den Zurechnungszusammmenhang abbrechende Fremdgefährdung durch Dritte liegt aber nur vor, wenn der Dritt die gleichen Gefahrkenntnisse hat, wie der E. Hier hat E überlegenes Wissen hinsichtlich der besonderen Gefahr. Die Mutter hielt das Spielzeug, weil es frei verkäuflich war, fälschlich für ungefährlich. Eine anerkannte Fallgruppe, nach der dem E der Tod des Klaus nicht zugerechnet wird, liegt daher nicht vor. 
 
E hat also mit den anderen Gesellschaftern zusammen den T getötet. 
 
c) Vorsatz
 
E wusste, dass Kinder an den Spieleugen durch Vergiftung sterben konnten. Diese Vorstellung ist für die Kenntnis der Tatumstände also des Todes eines Kindes durch das Inverkehrbringen der Waren, ausreichend. Daneben wird für Vorsatz noch ein Voluntatives Element verlangt. Danach muss sich der Täter zumindest mit dem ernstgenommenen Erfolg abfinden weil ihm sein primäres Handlungszeil wichtiger ist, wenn er den tatbestandlichen Erfolg auch nicht emotional gutheißen muss. 
Hier ist E der Tod von Kindern egal, das Geld ist ihm wichtiger. Er findet sich also damit ab, nimmt ihn billigend in Kauf.. Dies reicht für den s.g. bedingten Vorsatz aus. Die Tat ist auch nach der Rspr. subj. zurechenbar wenn kein Irrtum über den konkreten Erfolg oder Kausalverlauf nach § 16 I StGB vorliegt. Da sich E allgemein Kinder als Opfer vorstellte und der tatsächliche Kausalverlauf mit dem Tod des T so im Rahmen des Vorgestellten bleibt, liegt keine wesentliche Abweichung der Kausalverläufe vor. 
 
II. Seine Tat war auch rechtswidrig.
 
III. Er handelt auch voll schuldhaft. 
 
IV. Ergebnis: E hat sich nach § 212 I StGB strafbar gemacht. 
 
Antwort: Ich rate E sich einen guten Anwalt zu suchen, da ich als Student nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz zu Rechtsberatung nicht befugt bin.