Rechtsanwalt Dr. Thomas Bode

Stiftung Europa-Universität Viadrina
15230, Frankfurt Oder
05.12.2010

Objektive Zurechnung

Leseaufgabe zum Nachbereiten:
Frisch, Zum gegenwärtigen Stand der Diskussion und zur Problematik der objektiven Zurechnungslehre, GA 2003, 719 ff.
Rönnau/Faust/Fehling, Durchblick: Kausalität und objektive Zurechnung, JuS 2004, 113 ff.
Seher, Die objektive Zurechnung und ihre Darstellung im strafrechtlichen Gutachten, Jura 2001, 814 ff.

Objektive Zurechnung des Erfolges - Zusammenfassung
Das Geschehen ist das Werk des Täters und nicht anderer Personen, der Umstände oder des Zufalls
 
Allein anhand der Kausalitätstheorien kann die Weite der möglichen Ursachen – die ja zunächst allesamt äquivalent sind – nicht ausgeschlossen werden. Daher vertritt die h.L. die Lehre von der objektiven Zurechnung des Erfolges. Nur nach der Kausalitätsprüfung wird der Erfolg nicht unbedingt als „das Werk“ des Täters beurteilt. Dieser Erfolg muss ihm noch objektiv zugerechnet werden. Der Erfolg ist dem Täter dann objektiv zuzurechnen, wenn dieser eine rechtlich mißbilligte Gefahr geschaffen (oder erhöht) hat, die sich gerade im konkreten Erfolg realisiert hat. Diese Formel ist allein nichtssagend. Bei ihr handelt es sich um eine Verallgemeinerung von Fallgruppen auf sehr hohe Abstraktionsstufe, Kriterien gibt diese Formel nicht an. Die konkreteren Fallgruppen zu der objektiven Zurechnung sind in der Literatur und Rechtsprechung zuvor ausgearbeitet worden (die sich im übrigen je nach Lehrbuch unterscheiden).

Die wichtigsten Beispiele muss man sich daher merken, mir der allgemeinen Formel allein ist man in der Klausur verloren:

- Fehlen eines rechtlich relevanten Risikos: Im Erfolgseintritt verwirklicht sich kein rechtlich relevantes Risiko, sondern das „allgemeine Lebensrisiko“,

- Risikozusammenhang (Schutzzweck der Norm): Die Handlung des Täters ,

- Risikoverringerung: Der Täter verringert das Risiko des Eintritts eines bestimmten Erfolges, es tritt trotzdem ein strafrechtlich relevanter (tatbestandsmäßiger) Erfolg ein,

- Nur bei Fahrlässigkeitsdelikten: Kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang (rechtmäßiges Alternativverhalten): Selbst bei Vornahme der gebotenen Handlung wäre der Erfolg eingetreten,

- Eigenverantwortliche Selbstschädigung und –gefährdung des Opfers: Das Opfer bewirkt durch sein Verhalten den Eintritt des Erfolges,

- Eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten: Ein Dritter unterbricht den Kausalzusammenhang (hoch problematische Fallgruppe, nicht jedes Dazwischentreten eines Dritten bricht den Zusammenhang ab, insbesondere im Fahrlässigkeitsbereich wäre sonst mangels Versuch eine starke Beschränkung der Strafbarkeit die Folge).

Die Rechtsprechung untersucht oft nicht die objektive Zurechnung, sondern löst das Problem in aller Regel noch im subjektiven Tatbestand unter dem Stichwort der „subjektiven Zurechnung“. Weicht der tatsächliche Kausalverlauf von dem vom Täter beabsichtigten, liegt ein Irrtum über den Kausalverlauf vor. Folge ist der Vorsatzausschluß nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Allerdings ist stets eine Strafbarkeit aus einem Fahrlässigkeitstatbestand zu prüfen!

III. Standort der Prüfung im Deliktsaufbau eines Erfolgsdeliktes
A. §.... (Obersatz).
I. Tatbestand
1. Objektiver Deliktstatbestand
a. Erfolg b. Handlung c. Kausalität
d. Objektive Zurechnung des Erfolges
2. Subjektiver Deliktstatbestand
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
Vgl. dazu Lackner/Kühl, Vor § 13 Rn. 14 f.