Rechtsanwalt Dr. Thomas Bode

Stiftung Europa-Universität Viadrina
15230, Frankfurt Oder
29.11.2010

Lösung zum Fall "Messer im Gesicht"

man-knife.jpg
A und B streiten sich im Haus der M. Unter anderem geht es um eine verheimlichte Schwangerschaft. A reißt B an den Haaren und schlägt sie. Dann sticht A mehrfach mit einem Messer auf B ein, bis das Messer im bereits völlig entstellten Gesicht der B stecken bleibt. A ruft ihren Freund C an, sie habe B umgebracht. C kommt um nach der Leiche zu sehen A wartet verstört auf der Straße. Als er alleine ins Haus geht, bemerkt er dass B noch röchelt. Er springt auf Bs Brustkorb und drückt schließlich mit einem Kissen auf ihren Kopf bis sie Tod ist. B wäre ohnehin an den Verletzungen der A gestorben. Sind die Stiche der A kausal? Sind die Handlungen des C kausal für den Tod der B? Wo und wie prüfen Sie das im Fallaufbau?
Kommentar Lösung
Hier wird die Lösung der herrschenden Meinung dargestellt. Danach wird die Kausalität rein naturwissenschaftlich verstanden. Alle Glieder der Kausalkette sind zudem gleichwertig. Wichtig ist, dass mit der Bejahung der Kausalität noch nichts darüber aussagt ist, wer vofür verantwortlich ist oder wer was verschuldet hat. Beachten Sie, das noch objektive Zurechnung, Vorsatz Rechtswidirgkeit und das Schuld folgen. Schuld wird unter III. ganz am Ende extra geprüft wird! Diese Ansicht ist aber gleichermaßen gut vertretbar, man könnte nämlich Argumentieren, dass die Mittäterschaft und die Anstiftung gerade gesetzliche Anordnungen für sonst fehlende Zurechnungszusammenhänge sind. Vergleicht auch den Fall "Schönes Spielzeug" dort habe ich den Zusammenhang auch auf Grundlage dieser Meinung annehmen müssen und konnte mit darum den Streit sparen. Meinungsstreitigkeiten nur dann bringen, wenn sie im Fall wenigstens für eine Zwischenstufe (Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld entscheidend sind)!!! Hier empfiehlt es sich inhaltlich entweder nach oben zu verweisen oder die obj, Zurechnung oben wegzulassen und im Einklang mit der extrem konservativen älteren Rechtsprechung ausnahmsweise unter dem Punkt obj. Zurechnung mit folgender Begründung nach unten zu verweisen: "Bei Vorsatzdelikten hat die obj, Zurechnung keine Bedeutung, da sich die Probleme spiegelbildlich auf der subjektiven Ebene wiederholen und mit § 16 I StGB wenigsten eine gesetzliche Verankerung besteht, im Gegensatz zur vom Gesetzestext weiter distanzierten Lehre von der objektiven Zurechnung." A. A hat sich wegen Totschlags gemäß § 212 I strafbar gemacht, wenn Sie I. B mit den Messerstichen vorsätzlich, II. rechtswidrig und III. schuldhaft getötet hat.

I. Tatbestand
a) OTB (objektiver Tatbestand)

1. Erfolg, Handlung B ist tot. A‘s Handlung, die Messerstiche, haben diesen Erfolg verursacht, wenn sich der Tod auf die Messerstiche als Bedingung zurückführen lässt.

2. Kausalität Weil B hilflos am Boden gelegen hat, hatte C eine Gelegenheit B zu verstickten. B lag wegen der Messerstiche der der A auf dem Boden. C kam auch nur wegen des Anrufs der A zm Tatort. Diese hat auch nur angerufen, weil sie A niedergestochen hatte. Die Messerstiche waren daher kausal für den Tod der B Das Ersticken mit dem Kissen war die letzte Ursache in der Kausalkette. Fraglich ist, ob diese Handlung des C die Kausalität der Stiche der A abbricht. Ein Fall der s.g. überholenden Kausalität liegt nicht vor, da C an die von A gesetzte Ursache anknüpft (s.g. kumulative Kausalität) und diese nicht „überholt“ bzw. besser gesagt ihre Ursächlichkeit überhaupt verhindert. Wie sich die Veränderung des Kausalverlaufs durch einen vollverantwortlichen Dritten auswirkt, ist keine Frage der Kausalität, sondern der objektiven oder subjektiven Zurechnung.

3. Objektive Zurechnung
A hat B trotz kausaler Verursachung nur dann getötet, wenn ihrer Handlung der Erfolg auch wertungsmäßig als eigenes Werk zuzurechnen ist und sich die Tötung nicht als völlig von C dominiertes Geschehen darstellt. Und zwar so dass, objektiv, ohne das die Psyche des Täters eine Rolle spielt, also auch bei Fahrlässigkeit keine Täterschaft anzunehmen wäre oder der Tatbeitrag nicht als funktionaler Beitrag für eine Mittäterschaft ausreichen würde. Hier hat A aber nicht nur einen untergeordneten Beitrag erbracht. Objektiv ist der Beitrag der A sogar als mindestens gleichwertig zu betrachten, da sie B völlig kampfunfähig macht. Legt man auch bei dem Dazwischentreten eines Dritten den allgemeine Maßstab der "Typizität" an, war das sich abspielende Geschehen auch nicht völlig unwahrscheinlich. Von A konnte daher bei noch nicht amtlich bestätigtem "Tod" der B verlangt werden, das tatsächliche Geschehen vorauszusehen. C hat die Situation auch nicht als gänzlich zufällig Vorbeikommender ausgenutzt, obwohl er einen eigenen neuen Kausalverlauf in Gang setzt, der zum Tode führt. Er wurde vielmehr von A aktiv in das Geschehen eingebunden, mag der Telefonanruf auch nicht subjektiv zielgerichtet gewesen sein. Vertritt man grundsätzlich einen Abbruch des Zurechnungszusammenhangs durch Dazwischentreten eines Dritten, wäre hier der Zusammenhang abgebrochen. Wegen unterschiedlicher Ergebnisse ist der Streit zu entscheiden: Durch letztgenannte Ansicht wird die Mittäterschaft in objektiver Hinsicht zu stark verengt und letztlich auch die Anstiftung ihrer objektiven Grundlage beraubt. Zudem ist unklar warum gerade ein Mensch anders als alle anderen Kausalfaktoren den Zurechnungszusammenhang abbrechen soll. Frisst ein Tier den Sterbenden oder ertrinkt der sterbende bei Starkregen in der Pfütze, ist das trotzdem das Werk desjenigen der ihn dem Schicksal so aussetzte. Nur weil noch jemand - ein anderer Mensch- verantwortlich ist, berührt das nicht die absolut zu sehende Verantwortung des Einzelnen. Nach alledem ist der Tatbestand nicht schon objektiv auszuschließen. b) Vorsatz Vorsatz scheidet aus, wenn A sich über die zu den Tatbestandsmerkmalen Kausalität und Erfolg gehörenden Tatumstand irrt, § 16 I StGB. A wollte einen Menschen töten und hat das auch getan. Nach der s. g. Gleichwertigkeitstheorie wäre damit der Vorsatz erfüllt, auf den konkreten Kausalverlauf und Erfolg kommt es nicht an, solange diese tatsächlichen Tatumstände wie die gewollten Tatumstände den Tatbestand erfüllen. Ob aber gerade das konkrete Geschehen gewusst und gewollt war, bemisst sich nach der abweichenden Konkretisierungtheorie danach, ob die konkreten tatsächlichen Tatumstände wesentlich von den vorgestellten abweichen. Dabei orientieren sich die Kriterien aber an denen für die objektive Zurechnung, so dass kaum ein anderes Ergebnis im subjektiven Teil herauskommen kann. Die Rspr. verzichtet in den Vorsatz-Fällen daher auch traditionell auf die objektive Zurechnung und prüft das Problem nur subjektiv. Lediglich wenn A den Tod von Anfang an nicht gewollt hätte, wäre der Vorsatz zu verneinen. Daher ist A hier der Tod der B auch subjektiv zuzurechnen.  ....

II. Rechswidirgkeit....

III. Schuld.....

B. Obersatz. entsprechend formulieren...
Auch Cs Handlung war kausal für den Erfolg, da der ohne diese Handlung Erfolg sonst jedenfalls zu einem anderen Zeitpunkt und auf andere Art und Weise eingetreten wäre.