Rechtsanwalt Stefan Loebisch

Kanzlei Stefan Loebisch
94032, Passau
Rechtsgebiete
Urheberrecht und Medienrecht Datenschutzrecht Wettbewerbsrecht
09.08.2012

Telefonrechnung: BGH-Urteil zu Sorgfaltspflicht des Anschlussinhabers

Telekommunikationsrecht – Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 19.07.2012, Az. III ZR 71/12 zur Sorgfaltspflicht und Überwachungspflicht des Anschlussinhabers: Der Anschlussinhaber muss alle ihm zumutbaren geeigneten Vorkehrungen treffen, um eine von ihm nicht gebilligte Nutzung seines Anschlusses zu unterbinden. 

Was war geschehen?

Die Parteien stritten um hohe Telefonrechnungen. Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Internet-Tarif gebucht, der eine Pauschalvergütung von 19,79 € für 40 Stunden Internetnutzung im Monat sowie eine zeitabhängige zusätzliche Vergütung für die über das Pauschalkontingent hinausgehende Inanspruchnahme des Internetzugangs umfasste. Jahrelang umfasste die Telefonrechnung des Klägers lediglich die Pauschalvergütung. Unter dem 17. Dezember 2009 stellte die Beklagte dem Kläger 290,94 € in Rechnung. Für die Monate Januar bis Juli 2010 wiesen die Telefonrechnungen noch höhere Summen im Bereich zwischen 544,69 €und 653,85 € aus. Die Beklagte zog die Rechnungsbeträge mit Lastschriften vom Konto des Klägers ein. Erst im Juli 2010 bemerkte der Kläger die hohen Telefonrechnungen. Der Kläger verlangte von der Beklagten die Rückzahlung der Beträge aus den Telefonrechnungen vom Januar 2010 bis einschließlich Juli 2010, soweit sie die Kosten des von ihm im Juli gebuchten Flatrate-Tarifs überstiegen.

Wie entschied das Gericht?

Der BGH verwies die Sache zur erneuten Verhandlung über die Rechnung vom Januar 2010 an das Landgericht Hamburg zurück und entschied im übrigen gegen den Kläger.

Der Anschlussinhaber müsse alle ihm zumutbaren geeigneten Vorkehrungen treffen, um eine von ihm nicht gebilligte Nutzung seines Anschlusses zu unterbinden. Zumutbar seien diejenigen Maßnahmen, die einem gewissenhaften durchschnittlichen Kunden bekannt seien und zu deren Durchführung er mit vertretbarem Aufwand in der Lage sei. Zwar sei der Telekommunikationsanbieter bei ungewöhnlichem Nutzungsverhalten wie hier der ständigen Verbindung eines Routers mit dem Internet bei zeitabhängigem Tarif, das zu einer Kostenexplosion führe, zur Schadensbegrenzung verpflichtet, den Kunden zu warnen und den Internetzugang gegebenenfalls kurzfristig zu sperren.

Der Kläger sei gehalten gewesen, nach Zugang der Telefonrechnung vom 17. Dezember 2009 unverzüglich zu reagieren und entweder die dauerhafte Verbindung seines Routers mit dem Internet zu unterbinden oder sogleich in den reinen Pauschaltarif der Beklagten zu wechseln. Das Versäumnis des Klägers, dies vor Juli 2010 zu tun, führe ab dem Zeitpunkt, von dem ab die übermäßige Kostenbelastung hätte abgestellt werden können, zum Verlust des Schadensersatzanspruchs, d. h. des Rückzahlungsanspruchs.

Welche Auswirkung hat die Entscheidung auf die Praxis?

Der BGH bestätigt zunächst die – nicht im Gesetz geregelte – Pflicht des Telefon- und Internetanbieters, den Kunden bei einer überraschenden Kostenexplosion zu warnen; vgl. etwa →hier.

Zugleich aber stellt der BGH fest, dass sich der Kunde hierauf nicht untätig verlassen darf. Vielmehr ist der Kunde genauso verpflichtet, seine Telefonrechnungen regelmäßig auf ungewöhnliche Ereignisse hin zu überprüfen und von sich aus aktiv zu werden, wenn sich hieraus ein Hinweis ergibt, dass der Anschluss missbraucht oder defekt sein könnte.