Sönke Nippel

Rechtsanwalt Sönke Nippel
42857, Remscheid
09.10.2012

Anspruchsübergang als unzulässige Härte gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII

Grundsätzlich ist auch der Elternunterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu erbringen, § 1612 Abs. 1 S. 1 BGB. § 1612 Abs. 1 S. 2 BGB sieht Ausnahmen vor, so dass zur Bedarfsdeckung “Naturalleistungen” gewährt werden können. Als “Naturalleistungen” kommen z. B. Pflege- und Betreuungsleistungen in Betracht. Die Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen kann insoweit bedeutsam sein, als es dem Sozialhilfeträger dann verwehrt sein kann, den Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger geltend zu machen. Gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII geht nämlich ein Unterhaltsanspruch nicht auf den Sozialhilfeträger über, wenn der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde.

Das OLG Oldenburg hat demzufolge den Rückgriff des Sozialhilfeträgers gegen eine Tochter, die ihre Mutter pflegte, mit der Begründung verneint, der Rückgriff würde eine unbillige Härte im Sinne des § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII bedeuten würde (Urteil des OLG Oldenburg vom 14. Januar 2010, 14 UF 134/09):

II. …
2. … Ein bestehender Anspruch könnte jedoch gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII SGB nicht auf die Klägerin übergehen, da dies für die Beklagte eine unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift bedeuten würde.
Über die Anwendung dieser Vorschrift hat der Senat zu entscheiden (§ 94 Abs. 5 SGBXII).

c) Unter diesen Voraussetzungen bestehen keine Zweifel, dass sich ein Übergang des Anspruchs für die Beklagte als eine unzumutbare Härte darstellt. Die Beklagte bereits seit Jahren in erheblichem Umfang Pflegeleistungen erbracht und tut dies auch weiterhin. Damit ermöglicht sie es ihrer Mutter, in ihrem bisherigen Umfeld zu verbleiben ohne in ein erheblich teueres Pflegeheim umziehen zu müssen. Zugleich erspart sie zusätzliche Hilfeleistungen für die Berechtigte, die den geltend gemachten Anspruch offensichtlich noch übersteigen müssten. Eine andere Beurteilung hätte zudem das widersinnige Ergebnis, dass über den Unterhaltsanspruch wirtschaftlich ein wesentlicher Teil des von der Klägerin aus diesem Grund gezahlten Pflegegeldes zurückfließen würde. Dabei handelt es sich jedoch um eine nicht abzurechnende Pflichtleistung, die nach dem Gesetz sowohl auf Seiten des Empfängers als auch auf Seiten des Pflegenden nicht als Einkommen anzurechnen sind (§ 82 Abs. 1 S. 1 SGBXII). Es wäre unbillig, diese gesetzgeberische Wertung durch einen Unterhaltsregress zu umgehen.