Sebastian Ehrhardt

20.03.2010

Update: BGH entscheidet über Haftung für verschlüsselte WLAN-Netze



In der Revision zu einem Urteil des OLG Frankfurt a.M. (Urteil vom 01.07.2008 – Az.: 01.07.2008 – Az.: 11 U 52/07) hat der BGH am 18.03.2010 nun über die Frage verhandelt, ob der Anschlussinhaber eines offenen WLANs für Rechtsverletzungen haftet, welche Dritte über sein Netz begehen. Der Beklagte hatte ein unverschlüsseltes, offenes WLAN Netz betrieben. Während seines Urlaubs hatte sich ein unbekannter Dritter zu seinem Netz verbunden und es für Musik Filesharing genutzt. Daraufhin erhielt der Beklagte vom Rechteinhaber eine Abmahnung und wurde auf Schadensersatz sowie Ersatz der Rechtsverfolgungskosten verklagt. Während das LG Frankfurt in der ersten Instanz der Klage stattgegeben hatte, wies das OLG Frankfurt in der Berufung die Klage ab. Nun hatte sich der BGH in der Revision mit dem Fall auseinanderzusetzen. Bisher gab es kein vergleichbares höchstrichterlicheres Urteil zur Haftung für offene WLAN. Vielmehr ist die Rechtslage dank der widersprechenden Urteile der Oberlandesgerichte alles andere als eindeutig. Auch wenn das aktuelle Urteil des BGH noch nicht gefällt ist, ist bisher nur folgendes an mehreren Stellen “durchgesickert” (auch wenn diese Informationen sehr mit Vorsicht zu genießen sind): Bei Betreiben eines offenen WLANs wird wohl eine “Gefahrenquelle eröffnet”. Außerdem soll eine Haftung (auch für die Kosten einer Abmahnung) erst nach einem Hinweis entstehen, was mit den von der Rechtsprechung entwickelten Prüfungs- und Überwachungspflichten einhergeht. Reto Mantz vergleicht dies mit dem sog. “Notice-and-Takedown” Prinzip. Bisher hat die Rechtsprechung die Frage nach einer Haftung nach den Grundsätzen der Störerhaftung entschieden, wonach der Anschlussinhaber Prüfungs- und Überwachungspflichten verletzt haben musste. In der Regel wird es zwar der Inhaber eines offenen WLANs mangels entsprechender technischer Kenntnisse nicht mitbekommen, wenn ein unbekannter Dritter über die eigene Leitung mitsurft und darüber Rechtsverletzungen begeht (beim weit verbreiteten ADSL kommt es dabei ja zu keinen Geschwindigkeitseinbußen). Spätestens in dem “Hinweis” des Rechteinhabers an den Anschlussinhaber über die Rechtsverletzung könnte aber entsprechende Prüfungspflichten auslösen, welche ihn dazu verpflichten, das WLAN gänzlich zu sperren. Der BGH entscheidet nun abschließend darüber, ob es für den Betrieb offener Netze eine Zukunft geben wird. Ob es schließlich eine Grundsatzentscheidung wird, bleibt abzuwarten. Scheinbar lassen aber die Äußerungen des Vorsitzenden Richters und der Staatsanwaltschaft vermuten, dass es für die Betreiber der offenen WLAN Netze eng werden könnte. Dr. Roggenkamp vertritt sogar die These, dass der BGH den Anschlussinhaber – entsprechend den Grundsätzen der sog. “Halzband-Entscheidung” – als Täter einer Urheberrechtsverletzung (nach den Rechtscheinsgrundsätzen) verurteilt werden könnte – was im Ergebnis leider die Sache völlig verfehlen würde (die beiden Sachverhalte sind nicht vergleichbar). Ob das Urteil – egal wie es ausfällt – Auswirkungen auf Freifunk hat, darf jedoch zurecht angezweifelt werden. Es bleibt dennoch spannend, ob und wie der BGH in der Sache einen gerechten Kompromiss zwischen den Interessen der Rechteinhaber und den Vertretern freier Netze finden will. Am 12. Mai 2010 wissen wir mehr – denn dann wird das Urteil verkündet. UPDATE:
Jens Ferner weist in einem Artikel vom 20.03. darauf hin, dass der zu verhandelnde Fall vor dem BGH keineswegs den Fall betrifft, in dem ein offenes WLAN vorliege. Vielmehr hatte der Beklagte seinen Router mit dem Standardpasswort (welches bei der Auslieferung des Routers vergeben wird) betrieben. Und das ändert die Sachlage ungemein, da der Vorwurf nicht darauf lautet, ein offenes WLAN zu betreiben, sondern das Passwort eines durch WPA Verschlüsselung gesichertes Netz nicht geändert zu haben. Der BGH wird also darüber zu befinden haben, ob und wie man für ein bereits gesichertes WLAN Netz haftet. Das Urteil könnte bei einer eventuellen Haftungsbejahrung damit weitreichende Auswirkungen auf den Betrieb von vielen privat betriebenen Funknetzen haben, da insofern eine Verkehrspflicht statuiert werden könnte, eine entsprechende WLAN Sicherung einzuführen. Und dann würde sich die Frage stellen, wie man im konkreten eine solche Sicherung durchzuführen hätte. Das Landgericht Frankfurt (2/3 O 19/07) ging in der Sache noch davon aus, dass die Standardverschlüsselung bestimmter Hersteller bei Auslieferung noch dieselbe wäre – was tatsächlich aber nicht mehr der Fall ist. Auch ist sehr fraglich, inwieweit ein bestimmter Sicherheitsmechanismus als wirklich sicher gilt, da bereits die WPA Verschlüsselung als geknackt gilt. (( http://www.tecchannel.de/sicherheit/news/2021667/wissenschaftler_knacken_wpa_wlan_in_60_sekunden/ )). Der BGH wird sich daher fragen müssen, ob er dem technischen Laien aufbürden möchte, sich mit technischen Sicherheitsstandards auseinanderzusetzen. Zwar könnte man auch dem Hersteller insoweit eine Instruktionspflicht auferlegen, dem Kunden entsprechende Hinweise zur Änderung des Standardpassworts mitzusenden – aber auch dies würde in der Sache zu kurz greifen. Interessengerecht könnte daher die Lösung sein, dass der Anschlussinhaber das WLAN in seiner Standardeinstellung betreiben darf, bis ein – wie oben bereits erwähnter – Hinweis auf eine Rechtsverletzung erfolgt ist. Ab diesem Moment haftet er nach den Grundsätzen der Störerhaftung und muss das WLAN entsprechend sichern – falls er dies nicht selbst schafft, muss er sich professioneller Hilfe bedienen. Ob der BGH sich auch zu offenen Funknetzen äußern wird, wäre zwar wünschenswert, steht aber in den Sternen.