Rechtsanwalt Sanjay Bakshi

Keller Menz Rechtsanwälte
80331, München
22.04.2010

BEAM! ME! UP! SCOTTY!

Manchmal beflügelt selbst das nüchternste Juristendeutsch die Phantasie. Also: Entspannen Sie sich, stellen Sie Ihre Stuhllehne etwas nach hinten und rühren Sie nochmals Ihren Kaffee um! Das Landesarbeitsgericht Köln nimmt Sie mit den Leitsätzen zu seiner Entscheidung vom 10.02.2010, Az.: 5 Ta 408/09, mit auf eine wunderbare Reise: 1. amtlicher Leitsatz: „Ist ein Bewerber für eine ausgeschriebene Stelle offensichtlich ungeeignet, liegt in seiner Nichtberücksichtigung im weiteren Bewerbungsverfahren keine Benachteiligung im Sinne des § 15 AGG“ Klingt nicht besonders? Gemach, gemach: Jede Geschichte, die Sie abholen soll, muss ja dort beginnen, wo Sie sind. Also im Alltag. Und ist Ihr Alltag stets etwas Besonderes? ….Eben! Sehen Sie! Wobei: Jedenfalls der deutsche Jurist ist wohl eher an eine nüchterne Sprache gewohnt. Deswegen mag ihm bereits das Wort „OFFENSICHTLICH“ in’s Auge fallen. Denn das Wort findet sich bei ihm tendenziell eher im passiven Wortschatz. Viel zu oft kommt es vor, dass bei einer eigentlich klaren Sache dann doch noch irgendwo ein Pferdefuß rumgammelt. Wer ist also hier offensichtlich ungeeignet? Und wie schafft er das? Im klassischen Dreisatz beim Aufbau einer Geschichte muss jetzt die Spannungskurve gleichsam einem Fieberthermometer rasant in die Höhe schnellen: 2. amtlicher Leitsatz: „Die offenkundig fehlende Eignung eines Bewerbers kann sich auch aus einem provokanten Auftreten im Bewerbungsverfahren ergeben, so etwa, wenn ein Bewerber, ohne zum Vorstellungsgespräch für die Position eines Vertriebsleiters mit 15 unterstellten Mitarbeitern eingeladen zu sein, unangemeldet bei der zuständigen Personalleiterin erscheint und ultimativ seine Einstellung fordert, weil er der bestgeeignete und bestqualifizierte Bewerber sei“ Was für ein Höhepunkt!!!: „PROVOKANT“, „UNANGEMELDET“, „ULTIMATIV“, „BESTGEEIGNET UND BESTQUALIFIZERT“ WOW!
  • Das sind zwei Superlative: „bestgeeignet“ und „bestqualifiziert“.
  • Das ist eine offensichtliche (da haben wir es schon wieder!) Umschreibung der Worte: „frech“ / „unverschämt“ (= provokant)
  • Das ist ein Jargon wie bei einer Terrorismusbedrohung: „ultimativ“; und: „unangemeldet“
Der Eigentliche Clou liegt aber in Folgendem, nämlich im Wort „SEI“. Das ist ein Konjunktiv und der steht da, weil das Landesarbeitsgericht hier in die „indirekte Rede“ wechselt. Wissen Sie noch, was das war, die indirekte Rede, ja? Ein Beispiel: „Peter sagt, er sei nicht mehr in Johanna verliebt“ – Ja, ja, der kann viel sagen der Peter, so viel, wie der Tag lang ist. Glauben tut es ihm keiner (Denken Sie auch gerade mit Grauen an Ihre Schulzeit?) So und nun zurück zu unserem LAG: Wissen Sie, was das heißt, wenn das LAG hier so einfach mir nichts dir nichts indirekt daherredet? Damit schafft das Landesarbeitsgericht eine allenfalls in Lichtjahren zu bemessende Distanz zwischen sich und den so betitelten „Bewerber“! Es, also das Landesarbeitsgericht, hat mit der Meinung des „Bewerbers“ so richtig schön gar nichts am Hut. Vielmehr ist es von dessen Ansicht himmelweit entfernt. Hatten wir also zu viel versprochen? Da ist er, der Griff nach den Sternen! Da wurde es leibhaftig gesehen, das UFO, bemannt mit einem Außerirdischen, nämlich dem Bewerber – wobei wir vorsorglich betonen: So verstehen wir natürlich nur das LAG. Keinesfalls geben wir hier unsere eigene Meinung wieder. Denn so etwas über den „Bewerber“ zu sagen, steht uns keinesfalls an. Wir haben ihn ja auch nie gesehen! Weiter aber bei der Spannungs- bzw. Fieberkurve und ihrem kometenhaften Verlauf: Am Schluss einer Geschichte sollte der Leser zufrieden sein. Das, was er gelesen hat muss sich also für ihn abrunden. Keine Verständnislücke darf mehr offenbleiben. Das ist hier aber noch nicht ganz der Fall. Denn: Was hat das alles mit dem AGG, also mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu tun? 3. amtlicher Leitsatz: „Steht die mangelnde Eignung aufgrund eines solchen Auftretens offenkundig fest, kann die angebliche nachfolgende Äußerung der Personalleiterin, der Bewerber sei für die Stelle sowieso zu alt, kein Indiz für eine Altersdiskriminierung im Sinne des § 22 AGG begründen.“ Aha, da haben wir es also: Der Bewerber hat gemeint, die Personalleiterin habe ihn wegen seines Alters in den Orbit geschickt. Nein, sagt das LAG, das habe (schon wieder indirekte Rede! Diesmal aber von uns!) der Bewerber schon schön selber getan. Und zwar bereits zuvor; also ehe die Personalleiterin hier irgendwas bzw. irgendwen irgendwie in die Umlaufbahn befördern hätte können! Alles klar? – Na dann: Scotty! Tue deine Pflicht!