Rechtsanwalt Mathias Klose

93049, Regensburg
Rechtsgebiete
Strafrecht Sozialrecht Arbeitsrecht
11.02.2016

Rückzahlung von Witwenrente in Höhe von € 150.000,- wegen Wiederheirat

Mit einer erneuten Heirat fällt der Anspruch auf eine Witwenrente weg. Das gilt auch bei einer in den USA geschlossenen Hochzeit. Dadurch, dass die Klägerin der Rentenversicherung ihre Wiederheirat nicht angezeigt hat, hat sie ihre Mitwirkungspflichten zumindest grob fahrlässig verletzt. Die fast 15 Jahre lang zu Unrecht gezahlte Witwenrente muss sie deshalb zurückerstatten.

 
Die inzwischen 84 Jahre alte Klägerin aus Berlin bezog nach dem Tode ihres Ehemannes ab 1993 von der Deutschen Rentenversicherung Bund (Beklagte) eine Witwenrente. Im entsprechenden Rentenbescheid hieß es unter anderem: „Die Rente fällt mit Ablauf des Monats der Wiederheirat weg. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns eine Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen.“
Im Dezember 1998 heiratete sie in Santa Barbara / Kalifornien noch einmal. Die dortige Standesbeamtin schloss die Hochzeitszeremonie mit den Worten: „I pronounce that you are husband and wife“ und überreichte der Klägerin eine als „marriage certificate“ bezeichnete Eheurkunde. Diese Eheschließung teilte die Klägerin der Beklagten nicht mit.
 
Im Dezember 2012 erlangte die Beklagte durch Anzeige einer weiblichen dritten Person Kenntnis von dieser Hochzeit. Nach weiteren Ermittlungen stoppte sie zunächst die laufende Rentenzahlung. Mit Bescheid vom 13. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2014 hob sie die Witwenrente schließlich auch für die Vergangenheit auf. Insgesamt forderte die Beklagte für den Zeitraum Januar 1999 bis September 2013 die Erstattung von 148.692,71 Euro zu Unrecht gezahlter Witwenrente.
 
Mit ihrer im Dezember 2014 erhobenen Klage bestritt die inzwischen wieder geschiedene Klägerin, ihre Mitteilungspflichten grob fahrlässig verletzt zu haben. Ihr sei Vertrauensschutz zu gewähren, denn sie habe gar keinen Anlass gehabt, die Beklagte von der Hochzeit zu unterrichten. Sie sei damals nämlich davon ausgegangen, dass die Ehe schon nach kalifornischem Recht unwirksam sei, weil statt zwei Zeugen nur einer bei der Eheschließung dabei gewesen war.
Nach Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat die 105. Kammer des Sozialgerichts Berlin (in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern) die Klage durch Urteil vom 11. Dezember 2015 zurückgewiesen und die Auffassung der Beklagten bestätigt.
 
Anspruch auf Witwenrente bestehe nur bis zu einer Wiederheirat (§ 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung). Für eine Unwirksamkeit der Eheschließung in Santa Barbara gebe es keine Anhaltspunkte. Es liege eine standesamtliche Heiratsurkunde vor. Nach dem kalifornischen Familiengesetz reiche für die Gültigkeit der Ehe außerdem die Anwesenheit nur eines Trauzeugen aus. Der Klägerin habe ihre Pflicht zur Mitteilung der Hochzeit aufgrund des Rentenbescheides auch bekannt sein müssen. Die diesbezüglichen Hinweise entsprächen gerade nicht der sprichwörtlichen Bleiwüste, sondern seien in einfacher Sprache verfasst, nicht versteckt und hinreichend klar gegliedert gewesen. Die sich daraus ergebende Mitteilungspflicht habe sie zumindest grob fahrlässig verletzt. Soweit die Klägerin vortrage, von der Unwirksamkeit der Ehe ausgegangen zu sein, hätte sie sich – zumal als juristischer Laie – nicht auf ihre eigene rechtliche Wertung verlassen dürfen. Wenn sie im Übrigen den Eindruck zu erwecken suche, sie sei eine eher unbedarfte Hausfrau gewesen, mache sie sich kleiner als sie tatsächlich sei. Immerhin sei sie im Alter von weit mehr als 60 Jahren in die USA gezogen – ein Schritt, der auf Mut und Selbstvertrauen hinweise. Außerdem habe sie in der mündlichen Verhandlung sehr gepflegt, rüstig und geistig rege gewirkt. Schließlich liege auch kein atypischer Fall vor, der die rückwirkende Aufhebung der Rentenbewilligung möglicherweise ausschließen könnte. Die Klägerin gerate durch die Rückforderung der Rente nicht in besondere Bedrängnis, vielmehr verfüge sie über ein Sparvermögen von rund 90.000 Euro und eine Eigentumswohnung.

Sozialgericht Berlin, 11.12.2015; Az. S 105 R 6718/14; PM v. 08.01.2016