Rechtsanwalt Mathias Klose

93049, Regensburg
Rechtsgebiete
Strafrecht Sozialrecht Arbeitsrecht
19.05.2016

Fartkosten zu Meldeterminen beim Jobcenter - Existenzminimum muss gewahrt sein

Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) haben sich während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Leistungen erheben, sich beim Jobcenter  oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit sie dazu auffordert.  Die notwendigen Reisekosten, die der meldepflichtigen Person und ggf. einer erforderlichen Begleitperson aus Anlass der Meldung entstehen, können auf Antrag übernommen werden.  Kommen Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nach, mindert sich das Arbeitslosengeld II oder das Sozialgeld jeweils um 10 % des maßgebenden Regelbedarfs; dies gilt aber nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen (§ 32 SGB II).

Grundsätzlich sind die Fahrtkosten zum Meldetermin also (zunächst) aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Etwas anderes gilt aber, wenn die glaubhafte finanzielle Unmöglichkeit zum Kauf der notwendigen Fahrkarte unverzüglich und rechtzeitig vor dem Meldetermin geltend gemacht wird. In diesem Fall kann das Jobcenter darauf noch reagieren und gegebenenfalls eine Fahrkarte oder einen Gutschein für die Fahrt zur Verfügung stellen.
 
Reagiert das Jobcenter darauf nicht, kann ein wichtiger Grund für das Fernbleiben vom Meldetermin vorliegen, der einer Absenkung des Arbeitslosengelds II entgegensteht. Das Existenzminimum muss dem Meldepflichtigen nach einer aktuellen Entscheidung des Sozialgerichts München in aller Regel verbleiben.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Hartz IV-Empfänger wurde vom Jobcenter aufgefordert, am 08.12.2015 zu einem Meldetermin beim Jobcenter zu erscheinen. Für die Hin- und Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln wären dafür, wie dem Jobcenter aus mehreren vergangenen Fahrtkostenerstattung für wahrgenommene Meldetermine bekannt war, Kosten in Höhe von mindestens 19,- angefallen.
Vier Tage vor dem Termin teilte der Meldepflichtige dem Jobcenter mit, aktuell mittellos zu sein und die Fahrtkosten nicht mit dem ihm für den Monat Dezember noch zur Verfügung stehenden Geld aufbringen zu können. Auf spätere Aufforderung durch das Jobcenter wies er durch Vorlage von Kontoauszügen auch nach, am 07.12.2015, also einen Tag vor dem Termin nur noch ein Guthaben in Höhe von knapp 80,- € auf seinem Bankkonto gehabt zu haben.
Im Februar 2016 minderte das Jobcenter dann den Regelbedarf für die Monate März bis Mai 2016 um 10 %, da das Fernbleiben vom Termin am 08.12.2015 ohne wichtigen Grund erfolgt sei.

Dagegen wurde wegen erheblicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Sanktion Widerspruch erhoben und zugleich beim Sozialgericht München im Wege des Eilrechtsschutzes beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.

Diesem Antrag kam das Sozialgericht München mit Beschluss vom 21.03.2016 (Az. S 40 AS 555/16 ER) nach und führte zur Begründung u.a. Folgendes aus:

"Erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides bestehen jedoch hinsichtlich des Fehlens eines wichtigen Grundes im Hinblick auf die vom Antragsteller geltend gemachten und nachgewiesenen sehr begrenzten finanziellen Mittel am 07.12.2015 ... Der Antragsteller hat nachgewiesen, dass am Tag vor dem Meldetermin noch knapp 80,00 Euro auf seinem Konto waren. Hätte er die Fahrkarte für 19,00 Euro gekauft, so wären ihm noch gut 60,00 Euro auf seinem Konto verblieben. Der Antragsgegner hat im Sanktionsbescheid vom 12.02.2016 selbst dargelegt, dass mit einer Erstattung innerhalb von 10 Tagen zu rechnen gewesen sei. Berücksichtigt man, dass bei einem monatlichen Regelbedarf von 404,00 Euro pro Tag 13,47 Euro zur Deckung des Existenzminimums benötigt werden, hätten die am 07.12.2015 nach Kauf der Fahrkarte verbliebenen 60,00 Euro keinesfalls zur Deckung des Regelbedarfs für die nächsten 10 Tage gereicht. Der Antragsteller hat am 04.12.2015, also vier Tage vor dem Meldetermin, auf seine Mittellosigkeit verwiesen. Der Antragsgegner hätte damit bei unverzüglicher Reaktion also die Möglichkeit gehabt, bis 08.12.2015 eine unverzügliche Erstattung zuzusichern oder die Mittel gegebenenfalls vorab zur Verfügung zu stellen, wozu er verpflichtet gewesen wäre ... Die Berufung darauf, dass eine Erstattung innerhalb von 10 Tagen hätte erfolgen können, kann jedenfalls dann nicht reichen, wenn mit den nach Kauf der Fahrkarte verbleibenden Mitteln der Regelbedarf für die kommenden 10 Tage nicht hätte gedeckt werden können ..."