Rechtsanwältin Jessica Große-Wortmann

Uni Potsdam
Potsdam
Rechtsgebiete
Internationales Wirtschaftsrecht Europarecht Recht allgemein
19.06.2010

Südafrika WM 2010, der Ball vereint alle. Schatten wie Licht

Ich bin eigentlich kein Fussballfan. Aber die Weltmeisterschaft gucke ich natürlich. Ich bin auch in meinem Freundeskreis die einzige Frau die weiss was Abseits ist, die sich aufregt wenn der Schiri da Mist pfeift und die ein Foul am Deutschen Spieler quasi mitfühlt.
Es ist wieder Schland-Zeit und plötzlich sind wir alle vereint. Vergessen die Streitereien der Parteien, die überdenkenswerten Äußerungen einer Bundespräsidentenkandidatin und einer ehemaligen Bundespräsidentenkandidatin. Vergessen der Ärger um eine BaföG Erhöhung die nicht durchdacht ist, vergessen der Stress der Klausurenphase. Stattdessen Vorfreude auf´s nächste Spiel.
Ich finde es erstaunlich, dass ausgerechnet ein kleiner runder Ball uns plötzlich in Euphorie schwimmen lässt, uns plötzlich wieder gemeinsam “Deutsch” sein lässt. Schland oh Schland, wenn unsere Jungs spielen sind wir Einig-Deutschland. Einige Bundesbürger scheinen zu denken: “Wenn ich schonmal total national sein darf, dann auch richtig!”. Und alles ist voll mit Fähnchen am Autofenster, Überzieher für die Seitenspiegel, Sticker am Heck. Die Bepflanzung des Balkons verschwindet unter der Deutschen Flagge und sowieso jeder hat ein Shirt, Schal oder Schweissband um. Vuvuzuelas (oder wie auch immer die Dinger heissen ….) sind das neue Lieblingsinstrument, aber kaum einer weiss dass sie das Symbol des südafrikanischen Fussballs ist. Für unsere europäischen Ohren ist der Hornissen-Schwarm im Stadion eher störend, für die Afrikaner gehört das dazu. Und dann schaut man sich die Dokumentationen des Gastgeberlandes an. Ein schönes Land, Südafrika. Und manchmal wird bei den Vor- und Nachgesprächen zu den Spielen ein wenig Land gezeigt. Erschreckend wie sehr Arm und Reich beieinander liegen. Zwischen den baufälligen Häusern riesige Stadien, Strassen die extra ausgebaut wurden damit die WM stattfinden kann. Townships grenzen an imposante Bauten, moderne Strassen führen hinaus aus den großen Städten in Bereiche die uns an das Mittelalter denken lassen. Dann die Führungen in Nambia bei denen der Tourist für hunderte von Dollar mit einem Führer in den Dschungel geführt wird und dort hautnah Gorillas erleben darf. Safaris zum fotografieren einer Tierwelt die den Touristen beeindruckt, wir sind ja schon genervt und klagen wenn der Nachbarshund außerhalb der erlaubten Zeit bellt. Beeindruckend die Menschen die vor den Kameras der internationalen Presse Interviews geben, so freundlich, fröhlich und lebensfroh. Ganz anders als das Bild Afrikas welches hier in unserem reichen Deutschland in den Köpfen herrscht. Wir denken an Hunger, Armut und Aids. Die Bilder der WM sagen etwas anderes, sie zeigen ein Land was sich erholt hat von Krieg, Diktatur, Rassentrennung und Unterdrückung. Und plötzlich kommt einem das Lernen einer Verfassungsbeschwerde lächerlich vor. Plötzlich sind zivilrechtliche Vertragsfragen nebensächlich. Sicher hat Afrika mit der WM eine Aufgabe übernommen die wohl leichter erschien als gedacht. Sicherlich ist es eine Chance für Afrika sich zu zeigen. Kleinere Mankos wie ramponierte und damit nicht bespielbare Rasenflächen der Stadien sind aber beim Anblick der Bauern außerhalb der großen Städte nicht mehr wichtig. Und wir, die hier so vereint im Public-Viewing die Spiele verfolgen, müssten eigentlich froh sein hier zu leben. Und trotzdem tut sich der ein oder andere schwer die Bundesdeutsche Hymne zu singen, trotzdem gibt es immer was mäckeln. Aber der Ball rollt und beim nächsten Tor ist alles vergessen.