Harold Treysse

Privat
13407, Berlin
26.02.2016

Prozesslandschaft in der Anwaltskanzlei (Kernprozesse)

Prozesslandkarte_1Nachdem ich im letzten Beitrag die Managementprozesse abgeschlossen habe, möchte ich nunmehr, wie angekündigt, auf die Kernprozesse zu sprechen kommen. Vorab, was sind Kernprozesse?

 

Kernprozesse hängen immer mit dem eigentlichen Unternehmenszweck zusammen und sind Garant für den wirtschaftlichen Erfolg der Kanzlei. Es handelt sich also um sogenannte „Wertschöpfungsprozesse“.
Feststellbar und unterscheidbar sind diese Prozesse von den Managementprozessen, dass am Anfang und am Ende des Prozesses immer der Mandant bzw. das Mandat steht und der Prozess – so er denn vernünftig aufgesetzt ist – zur Zufriedenheit des Mandanten beiträgt.

In der obigen Grafik sind einige wenige Kernprozesse einer Kanzlei aufgeführt.
Diese sind insbesondere

  • Neumandat
    • Erstkontakt
    • Kollisionsprüfung
    • Ablehnung/Annahme
    • Vergütungsvereinbarung
    • Mandatsbedingungen
  • anwaltliche Vertretung
    • vor Gerichten
    • vor Behörden
    • sonstige
    • Beratungen
  • Mahnverfahren/Zwangsvollstreckung
  • Insolvenzverwaltung
  • Unfall Schadensregulierung

Sicherlich fallen Ihnen eine Vielzahl weitere Beispiele ein.
Die angezeigten Beispiele sollten jedoch ausreichen um Verständnis für diese Art der Prozesse zu erwecken.

Der wohl in den einzelnen Kanzleien unorganisierteste Kernprozesse ist der des Neumandats.

Erstkontakt
Der erste Kontakt zu einem Mandanten kann über verschiedenste Wege erfolgen.
In sogenannten „Laufkanzleien „ erfolgen diese Erstkontakte überwiegend durch nichtterminierten Besuch des potentiellen Mandanten, in einer Vielzahl von Kanzleien erfolgt der Erstkontakt telefonisch und vielfach auch schriftlich.
Egal wie der Kontakt erfolgt, der Punkt „Neumandat“ sollte mittels eines eindeutig beschriebenen Prozesses abgehandelt werden.

Kollisionsprüfung
Die eigentliche Kollisionsprüfung erfolgt im Rahmen eines Unterstützungsprozesses.
Die hier gemeinte Kollisionsprüfung bezieht sich auf die eigenständig vom Anwalt zu prüfende rechtliche wie auch wirtschaftliche Kollision eines angetragenen Mandates.
Soweit durch Mitarbeiter im Rahmen eines Unterstützungsprozesses die Kollisionsprüfung zum Beispiel über die vorhandene Kanzleisoftware vorgenommen wurde, hat der Anwalt auf jeden Fall das Ergebnis der Kollisionsprüfung anhand des entsprechenden Protokolls zu prüfen. Nichts ist schlimmer für eine Kanzlei, als eine zu spät bemerkte Kollision.
Neben der „rechtlichen Kollision“ die durch Mitarbeiter vorgeprüft wird, gibt es jedoch auch eine sogenannte „wirtschaftliche Kollision“. Hier ist der Anwalt gefragt. Was ist gefährlicher, als zum Beispiel ein Mandat gegen den Geschäftsführer einer guten Mandantin zu übernehmen, nur weil das Kanzleiprogramm diese Kollision nicht angezeigt hat. Die wenigsten Kanzleiprogramme geben die Möglichkeit, solche Kollisionen zu erkennen, ebenso wenig Konzernstrukturen einzugeben, so das es leicht geschehen kann, dass eine wirtschaftliche Kollision, die zukünftig zu erheblichen Honorarverlusten führen kann, nicht beachtet wird.

Ablehnung/Annahme
Bereits aus berufsrechtlichen Gründen hat eine Ablehnung eines angetragenen Mandats unverzüglich zu erfolgen.
Gleiches sollte jedoch auch für die Annahme eines angetragenen Mandats gelten. Dieses gilt insbesondere dann, wenn das Mandat schriftlich angetragen wurde. Bei dieser Gelegenheit können auch die nachfolgend aufgeführten Punkte gleich mit erledigt werden.

Vergütungsvereinbarung u. Mandatsbedingungen
Vergütungsvereinbarung und die Vereinbarung der Mandatsbedingungen sind wichtige Bestandteile des Prozesses der Annahme eines neuen Mandats.
Gerade die Mandatsbedingungen werden oft vernachlässigt. Vielfach stelle ich bei Gesprächen mit Inhabern von Kanzleien fest, dass dort keine Mandatsbedingungen vereinbart werden. Man ist Auffassung, es ergebe sich alles bereits aus dem Gesetz. Aber ist es wirklich so?
Mandatsbedingungen führen zur Klarheit eines übertragenen Mandats. Solange es sich um eine Unfallschadensbearbeitung handelt, mag dieses gegebenenfalls nicht dringend notwendig sein.
Was aber ist, wenn Sie zum Beispiel beauftragt werden, einen Grundstückskaufvertrag zu überprüfen? Umfasst ihre Prüfung dann auch baurechtliche und steuerliche Belange?
Je nach Umfang des Mandats empfiehlt sich gegebenenfalls auch eine Haftungsbeschränkung. Alles dieses gehört in Mandatsbedingungen.
Wie vertreten sie den nicht verschlüsselten E-Mail-Schriftverkehr mit dem Mandanten, die Erfassung, Speicherung und Verarbeitung nicht unbedingt zum Mandat gehörender Daten des Mandanten?

Anwaltliche Vertretung
hierzu bedarf es keiner weiteren Ausführung. Hier sind sie der Fachmann oder die Fachfrau.

  • Die Bereiche
  • Mahnverfahren/Zwangsvollstreckung
    Insolvenzverwaltung
  • Unfall Schadensregulierung

sind bewusst von den anderen Prozessen getrennt, da es sich hierbei zwar auch um Wertschöpfungsprozesse handelt, diese aber nicht unbedingt einer anwaltlichen Bearbeitung bedürfen. Gut ausgebildete Kräfte können diese Verfahren selbstverständlich selbst bearbeiten.

Sicherlich werden Sie einige Prozesse bei den Kernprozessen vermissen. Diese werden sie unter den Unterstützungsprozessen wiederfinden, auf die ich im nächsten Beitrag eingehen möchte.